Der verurteilte Entführer der zehnjährigen Ursula Herrmann, der seit 15 Jahren im Gefängnis sitzt, soll bald freikommen. Wie das Landgericht Lübeck am Donnerstag nach einer Anhörung mitteilte, soll der Rest seiner lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Bis die Entscheidung rechtskräftig ist, bleibe der Mann noch im Gefängnis, sagte ein Gerichtssprecher.
Nach Angaben seines Verteidigers dauert das voraussichtlich noch rund eine Woche. So lange hat die Staatsanwaltschaft Zeit, Beschwerde einzulegen, sagte Anwalt Walter Rubach der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung über das Datum berichtet. Eine Beschwerde sei aber unwahrscheinlich, sagte Rubach. Darum werde sein Mandant das Gefängnis voraussichtlich am 7. Juni verlassen können.
Die Bewährungszeit beträgt nach Gerichtsangaben fünf Jahre, er soll einen Bewährungshelfer bekommen.
Der Fall Ursula Herrmann ist eines der spektakulärsten Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Mädchen war 1981 am Ammersee verschleppt und in einer Kiste vergraben worden. Die Zehnjährige erstickte darin.
Erst im Mai 2008 wurde der mutmaßliche Täter in Schleswig-Holstein festgenommen und kam in U-Haft. Der damals 58 Jahre alte Mann lebte mittlerweile in Kappeln an der Schlei. Einstmals wohnte er in der Nähe der Familie Herrmann.
Im März 2010 verurteilte ihn das Landgericht Augsburg wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge zu lebenslanger Haft. Diese verbüßte er wegen seines Umzugs nach Norddeutschland in Lübeck. Der Mann beteuert bis heute seine Unschuld. Eine lebenslange Freiheitsstrafe kann laut Strafgesetzbuch nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn sich der Täter während der Haftzeit nichts zu Schulden kommen ließ.
Der Fall Herrmann war von Anfang an von Ermittlungspannen der Polizei geprägt. Auch die Indizien, die später zur Verurteilung führten, werden regelmäßig angezweifelt. Selbst der Bruder von Ursula zweifelt inzwischen daran, dass der richtige Täter verurteilt worden ist.
Ursula war am 15. September 1981 durch einen Wald in der Nähe ihres Heimatorts Eching am Ammersee geradelt, als ein Täter sie vom Rad riss. Er sperrte das Mädchen in eine Kiste, die er vergrub. Darin starb das Kind nach kurzer Zeit, weil die Belüftungsanlage nicht funktionierte. Von den Eltern wurden zwei Millionen D-Mark Lösegeld verlangt, obwohl Ursula längst tot war.
Wochen später wurde die vergrabene Kiste mit der Leiche entdeckt. Doch schon die Spurensicherung am Tatort wurde zum Fiasko, der ermittelnde Oberstaatsanwalt sprach später von einem „Spurenvernichtungskommando“. Es dauerte letztlich fast 27 Jahre, bis das Gewaltverbrechen als aufgeklärt galt.
Bis heute werden die Spuren in dem Fall immer wieder überprüft. Zuletzt war bei der Universität Zürich ein Gutachten zu dem Tonbandgerät, das beim Verurteilten sichergestellt wurde und für die Erpresseranrufe genutzt worden sein soll, erstellt worden. Der Expertise zufolge soll das Audiogerät eher nicht als Tatwerkzeug in Frage kommen.
Verteidiger Walter Rubach sammelt seit vielen Jahren solche Hinweise, um eventuell ein Wiederaufnahmeverfahren anstrengen zu können. Der erfahrene Augsburger Anwalt hatte aber auch immer wieder betont, wie schwierig es ist, in Deutschland einen rechtskräftig abgeschlossenen Fall erneut vor Gericht zu bringen.
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