Das höchste europäische Gericht hat für die Verwendung des Schufa-Scores enge Grenzen gesetzt. Unternehmen dürfen den Schufa-Score, der die Kreditwürdigkeiten von Menschen beziffert, benutzen, um zu entscheiden, ob sie mit Kundinnen und Kunden Verträge eingehen - aber nur, wenn er nicht die einzige Entscheidungsgrundlage ist. Denn wenn dieser Wert eine maßgebliche Rolle bei der Kreditgewährung spiele, stellt das eine „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ dar, die nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verboten ist, so der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.
Banken, Telekommunikationsdienste oder Energieversorger fragen meist bei privaten Auskunfteien wie der Schufa nach der Kreditwürdigkeit einer Person. Die Schufa liefert dann eine Einschätzung, den sogenannten Score-Wert. Der soll zeigen, wie gut der Betreffende seine Zahlungsverpflichtung erfüllt. Nach eigenen Angaben verfügt die Schufa über Informationen zu 68 Millionen Menschen in Deutschland.
Hintergrund der aktuellen Entscheidung sind gleich zwei Fälle aus Deutschland im Zusammenhang mit der Schufa vor dem EuGH. Zum einen klagte eine Frau, der ein Kredit verwehrt wurde. Sie forderte die Schufa auf, einen Eintrag zu löschen und Zugang zu den Daten zu gewähren. Die Schufa teilte nur den Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung mit, nicht aber die genaue Berechnungsmethode. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden legte den Fall dem EuGH vor, um grundsätzlich das Verhältnis zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) klären zu lassen.
Die Richter stellten nun klar: Wenn ein Vertragsabschluss maßgeblich vom Schufa-Score abhängt, verstößt das gegen die DSGVO. Das könnte Auswirkungen auf viele Unternehmen haben, die sich bisher auf die Einschätzung der Schufa verlassen haben.
Die Bürgerbewegung Finanzwende begrüßte die Entscheidung: „Das Urteil ist eine gute Nachricht für alle Verbraucherinnen und Verbraucher - und ein schwerer Schlag für die Schufa“, sagte der Verbraucherschutzexperte bei Finanzwende, Michael Möller. Der Richterspruch zwinge die Schufa, verantwortungsvoller als bisher mit ihrer Quasi-Monopolstellung umzugehen. „Die Macht der Schufa bröckelt - das wird auch höchste Zeit.“
Die Schufa selbst wertet das Urteil ebenfalls positiv, weil es für Klarheit sorge. „Das weit überwiegende Feedback unserer Kunden lautet, dass Zahlungsprognosen in Form des Schufa-Scores für sie zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entscheidend für einen Vertragsabschluss sind“, teilte die Schufa nach dem Urteil mit. „Deshalb wird die große Mehrheit unserer Kunden Schufa-Scores weiterhin ohne Anpassung ihrer Prozesse nutzen können.“
Der Datenschutzexperte Christoph Ritzer von der Kanzlei Norton Rose Fulbright in Frankfurt sieht dagegen ein „erhebliches Dilemma“ für die Kreditwirtschaft, wenn die Schufa-Scores nicht mehr so einfach wie bisher genutzt werden können. Denn wenn wieder Einkommensnachweise, Energielieferverträge und anderen Daten vorgelegt werden müssen, dürfte das Ritzer zufolge Entscheidungen über Kredit- oder Mietverträge erheblich verzögern.
„Es ist daher davon auszugehen, dass die Anbieter entweder die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden selbst intensiver prüfen müssen, oder die Kunden auffordern werden, sich bei der Schufa zu registrieren und dem Scoring zuzustimmen.“ Das sei ein typischer Pyrrhussieg für die Verbraucher: „Am Ende werden nur diejenigen von dem Urteil profitieren, die der Schufa erlauben, ihre Daten zu verarbeiten und weiterzugeben“, so Ritzer.
Verbraucherschützer hoffen dennoch auf mehr Transparenz - und auf weitere Gesetze: „Damit Verbraucher:innen endlich nachvollziehen können, wie ihr Bonitäts-Score zustande kommt, sollte der Gesetzgeber den Auskunfteien jetzt konkrete Vorgaben machen“, forderte Michaela Schröder vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte dazu: „Bereits im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass die Transparenz beim Scoring verbessert werden muss. Wir werden nun zeitnah entsprechende Regelungen prüfen.“
Im zweiten Fall ging es um die Speicherung von Daten aus öffentlichen Verzeichnissen, wie etwa Insolvenzregistern. Der EuGH musste entscheiden, ob die Schufa Daten zu Verbraucherinsolvenzen verwerten und noch länger speichern darf als die Gerichte. Dieser Praxis schoben die Richter nun einen Riegel vor: Es verstoße gegen die DSGVO, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speicherten als öffentliche Insolvenzregister. Denn die erteilte Restschuldbefreiung soll der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen; bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit werde dies aber stets als negativer Faktor verwendet.
Im März äußerte sich der Generalanwalt am EuGH in seinem Gutachten bereits sehr kritisch zu dieser Praxis. Daraufhin hatte die Schufa die Speicherfrist der Einträge freiwillig von drei Jahren auf sechs Monate verkürzt.
Über die konkreten Fälle müssen nun die deutschen Gerichte entscheiden und dabei die Entscheidung des EuGH berücksichtigen.
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