Gedächtnistraining, Kaffeekränzchen, Bingo - die klassischen Angebote für Rentner werden in einem Wiener Seniorenheim vielversprechend ergänzt: Fast jeden Donnerstag um 9.00 Uhr wird im Keller des Hauses mit seinen etwa 250 Wohn- und Betreuungsplätzen Bier gebraut.
Aus einer Schnapsidee während eines Vorstellungsgesprächs sei vor gut zwei Jahren ein konkretes Projekt gereift, sagt Mitinitiator Robert Guschelbauer, der Leiter des gastronomischen Bereichs der 30 „Häuser zum Leben“.
Die untergärigen Marken „Oma“ und „Opa“ mit 5,2 Prozent Alkohol sind mittlerweile durch die etwas leichtere Variante „Hellmut“ und „Hellga“ ergänzt worden. „Wir überlegen, die Produktion nochmal auszuweiten“, sagt Guschelbauer. Aus den 300 Flaschen pro Woche sollen dann 600 Flaschen werden.
„Die sind ein Renner“, sagt Helmut Riegerbauer. Der 82-jährige ehemalige Maler ist nach eigenen Angaben zeitlebens eigentlich kein großer Bier-Fan gewesen, findet es im Alter aber einen Glücksfall, Gerstensaft aus eigener Produktion zu trinken. „Das Brauen ist obendrein eine willkommene Abwechslung.“
Im Keller trifft sich dann eine Truppe von sechs teils hochbetagten Hausbewohnern. Mal sind es mehr, mal weniger Hobby-Brauer. Unter Anleitung von Projektleiter Christoph Gruber rühren sie das Malz ein, geben den Hopfen zu, verschließen die Flaschen und kleben das Etikett auf. „Das Etikettieren macht mir Spaß, das geht schnell“, sagt die 92-jährige Ingeborg Zeller.
Das nötige Wissen habe man sich bei einem Crash-Kurs eines Bier-Sommeliers angeeignet, sagt Gruber. Nach dem Beschaffen der Ausrüstung wie Gärtanks und Braukessel habe sich das Team an die Aufgabe herangetastet. Bisher habe man von 170 Brauvorgängen nur einmal eine Charge wegen eines Produktionsfehlers wegschütten müssen.
Ein Sprecher der Einrichtung sagte zu der Idee, man sei generell aufgeschlossen für Neuerungen. Er verwies zum Beispiel auf ein aktuelles Experiment, bei dem die breiartige, wenig ansehnliche Kost für Bewohner und Bewohnerinnen mit Kau- und Schluckbeschwerden von einem 3-D-Drucker appetitlich geformt wird.
Der Absatz der Bier-Eigenmarke scheint gesichert. In den 30 Häusern des Kuratoriums arbeiteten 13.500 Menschen, und auch deren Familien kommen manchmal extra vorbei, um „Oma“, „Opa“, „Hellmut“ oder „Hellga“ zu kaufen. Dazu brauchen sie aber Glück oder gutes Timing - denn oft hängt ein Schild vor dem Kühlregal: „Ausverkauft“
© dpa-infocom, dpa:230529-99-865400/2