Lange und lautstark wurde über sie gestritten - nun hat die Bundesregierung die Kindergrundsicherung beschlossen. Ab 2025 sollen damit staatliche Hilfen für Familien gebündelt werden. Eine wichtige Hürde ist mit dem Kabinettsbeschluss genommen, doch der Gesetzentwurf muss noch Bundestag und Bundesrat passieren.
Mehr Kinder sollen aus der Armut geholt werden - so steht es im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Oft wissen die Familien nicht, welche Leistungen ihnen zustehen und wie sie diese beantragen können. Bisher gibt es eine Vielzahl von Leistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag und weitere finanzielle Hilfen, die von verschiedenen Behörden verwaltet werden.
Die Kindergrundsicherung soll dafür sorgen, dass Familien einen besseren Überblick über ihre Ansprüche erhalten und diese leichter geltend machen können. Ab 2025 sollen die Leistungen auch digital beantragt werden können.
Armut ist relativ und lässt sich nicht allein am Geld bemessen. In Deutschland wird daher meist der Begriff „Armutsgefährdung“ verwendet. Wenn jemand weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung hat, gilt er als „armutsgefährdet“.
Diese Schwelle lag laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr für eine alleinlebende Person bei etwa 1250 Euro netto im Monat. Knapp 2,2 Millionen der etwa 14,3 Millionen Kinder und Jugendlichen unter 18 fallen den Angaben zufolge in die Kategorie „armutsgefährdet“, weil sie etwa in Haushalten mit entsprechend geringen Einkommen leben.
Es ging - wie so oft - um das liebe Geld. Denn wenn alle berechtigten Familien ihnen zustehende Leistungen auch erhalten, wird das mehr kosten. Das war immer weitgehend unstrittig.
Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums erreicht etwa der Kinderzuschlag nur rund jedes dritte anspruchsberechtigte Kind. Vor allem den Grünen war aber wichtig, dass nicht nur der Zugang zu Leistungen verbessert wird, sondern dass der Staat diese Leistungen auch erhöht, um gegen Kinderarmut vorzugehen.
Die FDP pochte dagegen darauf, nach den teuren Corona- und Inflations-Entlastungspaketen die Staatsausgaben wieder zu begrenzen, und verweist auf bereits erfolgte Erhöhungen bei Bürgergeld, Kindergeld und Kinderzuschlag. Finanzminister Christian Lindner warnte außerdem davor, dass höhere Sozialleistungen das Arbeiten unattraktiver machen könnten.
Das sogenannte Lohnabstandsgebot müsse gewahrt bleiben. Der FDP-Chef hatte auch infrage gestellt, ob mehr Geld aufs Konto der Familien armen Kindern tatsächlich ideal hilft - oder ob die Mittel nicht bei Kitas, Schulen, Sprachförderung und Arbeitsintegration besser angelegt wären.
Zunächst 2,4 Milliarden Euro für das Startjahr 2025. Aus Regierungskreisen hieß es zudem, dass bei steigender Inanspruchnahme der Leistungen der Kindergrundsicherung die Kosten in den Folgejahren auch auf bis zu sechs Milliarden Euro ansteigen könnten.
Es soll ab 2025 für alle Kinder einen sogenannten Garantiebetrag geben. Dieser löst das heutige Kindergeld (250 Euro pro Monat) ab. Kinder, die erwachsen sind, aber noch studieren oder in der Ausbildung sind, sollen diesen Garantiebetrag außerdem direkt bekommen - anders als das Kindergeld heute, das an die Eltern geht.
Obendrauf kommt je nach Bedürftigkeit ein Zusatzbeitrag, nach Alter gestaffelt und je nach Einkommenssituation der Eltern. Je weniger sie verdienen, desto höher soll er ausfallen.
Im Gesetzentwurf ist die Rede von einem Start zum 1. Januar 2025. Ob der ehrgeizige Zeitplan von Familienministerin Lisa Paus eingehalten werden kann, muss sich noch zeigen.
Denn die Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte zuvor bezweifelt, dass dieser Startzeitpunkt realistisch ist. Eine Vorlaufzeit des komplexen Gesetzesvorhabens von mindestens 12 Monaten sei erforderlich, um es erfolgreich umzusetzen.
Im überarbeiteten Gesetzentwurf heißt es nun, das Vorhaben sei besonders eilbedürftig. „Die BA benötigt ab Verkündung des Gesetzes ausreichend Zeit (bis zu einem Jahr), um die Verwaltungsabläufe und IT-Verfahren auf die Einführung der Kindergrundsicherung vorzubereiten. Das Gesetzgebungsverfahren muss daher schnellstmöglich abgeschlossen werden.“
Der Gesetzentwurf muss nun durch den Bundestag und auch die Länder müssen zustimmen. Es bleibt fraglich, ob die unionsgeführten Bundesländer dem derzeitigen Entwurf zustimmen werden. „Das bisherige Konzept ist für Bayern so nicht tragbar“, sagte etwa die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) der „Süddeutschen Zeitung“.
Und der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, befürchtete bereits, dass die Unterstützung für arme Kinder im parlamentarischen Verfahren abgeschmolzen werden könnte. „Das Deutsche Kinderhilfswerk ist äußerst besorgt, dass bei der geplanten Kindergrundsicherung das Ziel in Gefahr gerät, die Kinderarmut in Deutschland spürbar zu senken“, sagte Krüger den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. „Es ist vielmehr zu befürchten, dass im weiteren Verfahren in Bundestag und Bundesrat die Kindergrundsicherung weiter zusammengestrichen wird.“
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