Man trifft solche Menschen immer wieder, auch im Arbeitsalltag: Sie können bei ihrem Gegenüber positive Gefühle auslösen und das Miteinander sehr angenehm machen. Oft heißt es dann über diese Menschen: Sie haben Charisma.
„Schwer zu sagen“, gibt Madeleine Leitner zu, die als Psychologin und Karrierecoach in München arbeitet. Für manche Leute bedeutet Charisma, dass jemand eine besondere Ausstrahlungskraft besitzt. Für andere haben charismatische Menschen eine fesselnde Persönlichkeit oder die Gabe, andere von sich einzunehmen. Und das sind nur drei von vielen Definitionen - eine allgemeingültige gibt es nicht.
Eine weitere Definition nennt Thomas Körzel: „Wenn die drei Komponenten Macht, Präsenz und Wärme etwa bei einer Führungskraft zusammenkommen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie als charismatisch wahrgenommen wird“, erklärt der Psychologe und Karrierecoach in Essen.
Mitunter reicht aus seiner Sicht auch das Zusammentreffen von zwei Komponenten, um als charismatisch zu gelten - etwa Macht und Wärme. Macht bedeute in diesem Zusammenhang, dass jemand Einfluss hat und Dinge bewegen kann. Wärme ist die emotionale Komponente - dass andere sich wohl fühlen, wenn besagte Person zugegen ist. Und Präsenz heiße, wie die Person von anderen wahrgenommen wird, wenn sie anwesend ist.
Da zeigt sich schon eine Schwierigkeit. Denn Charisma hängt auch vom Auge des Betrachters ab. Ob eine Person jemanden charismatisch findet, sei nämlich „extrem subjektiv“, so Leitner. „Ein anderer könnte zu einer völlig entgegengesetzten Meinung kommen.“
Sie sind häufig intelligent, wortgewandt und sie können sich oft gut in andere Menschen hineinversetzen. Sie reagieren sensibel. „Und vor allem, sie kommen authentisch und natürlich daher“, so Leitner. Da sei nichts Angelerntes oder Gekünsteltes, sondern diese Menschen sind wie sie sind.
„Charisma hat nichts damit zu tun, dass jemand gut aussieht“, sagt Leitner. Selbst die äußerlich vermeintlich hässlichsten Menschen können aus Sicht der Münchner Expertin charismatisch sein, wenn sie anderen natürlich und authentisch begegnen. So kann etwa eine scheinbar „graue Maus“ durch Wissen oder Witz beeindrucken - wenn er oder sie beides ganz natürlich anbringt.
Treten Führungskräfte charismatisch auf, hat dies oft eine Wirkung auf die Beschäftigten: Die Mitglieder eines Teams fühlen sich mitgenommen, sie wollen dabei sein, wenn die Chefin beziehungsweise der Chef „Dinge bewegt“. Im Klartext: „Die Führungskraft schafft es, ihr Team zu begeistern und den Mitarbeitenden eine bestimmte Vision zu vermitteln, wie Erfolg möglich ist“, erklärt Thomas Körzel.
Häufig haben charismatische Menschen auch eine positive Ausstrahlung und sehen Veränderungen als Chancen. Diese Haltung kann andere überzeugen.
Zwar deutet vieles darauf hin, dass Charisma im Berufsleben positiv ist. Allerdings kann zu viel davon auch negativ sein. So laufen etwa Beschäftigte mit einer besonderen Aura Gefahr, im Kollegenkreis Neid und Eifersucht auszulösen. „Das kann dazu führen, dass sie Opfer von Mobbing werden“, warnt Madeleine Leitner. Daher ist es aus Sicht von Körzel perfekt, wenn Führungskräfte eine gute Mitte finden - also weder zu viel, noch zu wenig Charisma haben.
Im Zweifelsfall bewerben sich Teammitglieder weg - etwa weil sie sich nicht aufgehoben fühlen. Vielleicht bleibt aber auch der Erfolg eines Teams aus, weil es die Führungskraft nicht geschafft hat, die Untergebenen zu begeistern und zu motivieren.
Das sei durchaus möglich, so Körzel. Zum einen hilft es, wenn man charismatische Personen beobachtet. Einfach darauf achten, was einen an diesem Menschen fasziniert - ist es sein Wissen, seine Redegewandtheit, sein Auftreten, seine positive Sichtweise?
Zum anderen hilft eine gewisse Selbstreflexion. „Wer charismatisch wirken möchte, sollte vielleicht auch mal Emotionen und Gefühle gegenüber Untergebenen zulassen und nicht wie eine Maschine reden“, rät Körzel. Dazu gehört etwa auch, dass man die eigene Begeisterung für eine Sache feinfühlig und sensibel anderen Menschen vermittelt.
Zudem ist aus seiner Sicht wichtig: sich für andere Menschen, etwa ein Teammitglied, ernsthaft zu interessieren und auf sie einzugehen - eben Empathie zu entwickeln und zu zeigen, so Körzel.
Außerdem kann ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, das auch gelebt wird, von Vorteil sein. Gleiches gilt für hilfsbereites Verhalten.
Letztlich zeigt sich Charisma aber sehr unterschiedlich und lebt von einer Vielzahl an Faktoren und Eigenschaften. Daher sollte jeder seinen eigenen Stil entwickeln - „und der sollte so natürlich und authentisch wie nur irgend möglich sein“, rät Leitner.
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