Auch der Staub ist genormt: Einblicke bei Stiftung Warentest | FLZ.de

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Veröffentlicht am 23.04.2024 00:36

Auch der Staub ist genormt: Einblicke bei Stiftung Warentest

Alles in geregelten Bahnen: Der Prüfstand für Staubsauger in einem Untersuchungslabor, das für die Stiftung Warentest arbeitet. (Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn/dpa)
Alles in geregelten Bahnen: Der Prüfstand für Staubsauger in einem Untersuchungslabor, das für die Stiftung Warentest arbeitet. (Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn/dpa)
Alles in geregelten Bahnen: Der Prüfstand für Staubsauger in einem Untersuchungslabor, das für die Stiftung Warentest arbeitet. (Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn/dpa)

Die Detailversessenheit geht bei der Stiftung Warentest schon beim Staub los. Hier kommt kein gewöhnlicher Alltags-Schmutz auf den Teppich, kein Staub, wie ihn jeder unter der Couch findet. Nein, es ist ein „Prüfstaub“, ein DIN-genormtes Gemisch aus Mineralstaub, Zellulose und Baumwollfasern. Kosten: 260 Euro pro Kilogramm. Bedarf pro geprüftem Staubsauger: 0,5 bis 2 Kilogramm.

Ein Testdurchlauf wird demonstriert. 25 Gramm Sand kommen auf einen Teppich, der aus Naturwolle ist und ganz bestimmte Anforderungen erfüllen muss - kurz zusammengefasst: Der Staub muss immer möglichst gleich in seinen Fasern verschwinden, sodass jeder Sauger die genau gleichen Bedingungen hat. Auch das Einarbeiten des Staubs in die Fasern durch eine Maschine folgt klaren Vorgaben.

Dann wird der Testsauger in eine Vorrichtung eingespannt, von Planken begrenzt fährt er mit 0,5 Metern pro Sekunde und konstantem Druck mehrmals über die staubige Teppichstelle. Am Ende wird gewogen, wie viel von den 25 Gramm Staub im Sauger gelandet sind. Allein auf diesem Teppicht macht so ein Testgerät diverse Durchläufe.

Name und Ort müssen geheim bleiben

Wir sind im sogenannten Bodenpflegeraum eines Prüfinstituts in Sachsen, das für die Stiftung Warentest Produkttests durchführt. Der genaue Ort ist geheim und darf ebenso wenig genannt werden wie der Name des Instituts. Das soll mögliche Einflussnahme-Versuche von Herstellern unterbinden. Nur so viel: Mehr als 100 Institute und Labore beauftragt die Stiftung nach eigenen Angaben regelmäßig.

Dieses hier zählt dazu und es prüft nicht nur Staubsauger im Auftrag der Warentester: Akkuschlagbohrschrauber, Kühlschränke, Waschmaschinen, Wanderstöcke, Garten-Häcksler, Fritteusen, Backöfen, Saug-Wisch-Roboter, Rasenmäher und Rasenroboter zählen zu den Produkten, zu denen das Prüfinstitut an diesem Tag Einblicke in die Testverfahren gibt.

Rasenmäher fahren hier unter anderem über einen genormten Prüfrasen vor einem der Gebäude und werden im Dauertest 100 Stunden über Holzplanken hin und her gezogen – eine rüttelnd-klackernde Monotonie.

60 Jahre alt wird die Stiftung Warentest in diesem Jahr. Das Jubiläum ist ein Anlass für die Führung durchs Institut, auch Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) ist dabei.

Die Stiftung Warentest wurde 1964 auf Beschluss des Deutschen Bundestages gegründet. Stifterin und Satzungsgeberin ist die Bundesrepublik Deutschland. Ähnliche Organisationen gibt es in vielen, vor allen westlichen Ländern, die größte ist Consumer Reports in den USA.

Wie sich die Stiftung Warentest finanziert

Jährliche staatliche Unterstützung erhält die Stiftung Warentest seit 2024 nicht mehr. 2022 machten diese sogenannten Zuwendungen noch 1,5 Prozent an der Jahresfinanzierung von 62,8 Millionen Euro aus. Kapitalerträge aus dem Stiftungsvermögen, das durch öffentliche Gelder aufgebaut wurde, hatten 2022 einen Anteil von 9,5 Prozent - sie sind weiter eine relevante Stütze bei der Finanzierung.

Zum Großteil trägt sich die Stiftung Warentest nach eigenen Angaben aus dem Verkauf von Heften, Büchern und Testinhalten auf ihrer Website (2022: 77,4 Prozent). Ein weiterer Teil, 2022 waren es 9,6 Prozent, kommt aus Markenlizenzen, wenn Hersteller mit einem Testergebnis und dem Warentest-Logo werben wollen. Will eine Firma ein Jahr lang auf der Produktverpackung, in Zeitungen und im Internet damit Werbung machen, kostet das 11.300 Euro. Sollen es auch Spots in TV und Kino sein, steigt der Preis auf 26.600 Euro.

Wer gut im Test abschneidet, für den ist das attraktiv. Denn Produkte mit Warentest-Bestnoten verkaufen sich: Die meisten Menschen kennen die Stiftung, ein Großteil vertraut ihren Einschätzungen. Schlechte Noten können im Umkehrschluss das Aus für ein Produkt sein. Dieser Verantwortung sei man sich bewusst, heißt es von der Stiftung Warentest.

Um zu zeigen, wie sie dem Vertrauen und der Verantwortung gerecht zu werden versucht, hat die Stiftung zu diesem Besuch ins Prüfinstitut geladen. Chefredakteurin Isabella Eigner und Untersuchungschef Holger Brackemann erklären, wie man versucht, dem eigenen Credo zu entsprechen, nämlich unabhängig, objektiv und unbestechlich zu sein.

Verbraucher sollen keine Enttäuschung erleben

Dazu beitragen sollen der anonyme Einkauf von Produkten, die Auswahl der geprüften Modelle auf Basis von Marktrelevanz und nicht von Herstellerwillen – und vor allem die auf klaren Kriterien fußenden Untersuchungen. Sie sollen nachvollziehbar und bestenfalls jederzeit reproduzierbar sein, also genau so erneut durchführbar.

„Wir haben den Anspruch, die Produkte so zu testen, dass nachher Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Nutzung keine Enttäuschung damit erleben“, sagt Holger Brackemann im Interview. „Das heißt, wir können uns nicht nur auf eine einzelne Eigenschaft beschränken, sondern müssen ganz unterschiedliche Qualitätsdimensionen bei einem Produkt bestimmen.“ Funktion, Handhabung, Haltbarkeit, Sicherheit – aus all dem ergeben sich viele Detailprüfungen. Das zeigt ein kleiner Auszug aus dem Staubsauger-Prüfprogramm:

  • Schlauchbefestigung (40.000 Schwenkungen)
  • Fallprüfung Saugdüse (1.200 Stürze aus 80 Zentimeter Höhe)
  • Kabelauszug (6.000 Züge)

Die Schwellen-Türpfosten-Prüfung zählt ebenfalls zur Untersuchung. In einer Vorrichtung wird der Sauger dafür 10.000 Mal über eine Schwelle gezogen und jeweils 500 Mal rechts und links gegen einen Türpfosten gestoßen. „Das muss er aushalten“, sagt Brackemann.

Kritik von Firmen gibt es immer wieder

Auch eine Motordauerprüfung über mehrere hundert Stunden zählt zum Prozedere. Bei so einem Haltbarkeitstest fiel vor nicht allzu langer Zeit ein Dyson-Akkusauger vorzeitig aus. Bei zwei Geräten des Modelltyps schmolz dabei das Plastikgehäuse an den Akku-Kontakten, wie die Warentester in der Februarausgabe ihres „test“-Heftes berichteten. Urteil: mangelhaft.

Dyson wollte das so nicht stehen lassen: Man habe mehr als 700.000 Modelle dieses Saugers verkauft und kein Benutzer habe das „von der Stiftung Warentest herbeigeführte Problem“ gemeldet, hieß es in einem Unternehmensstatement. Man sei besorgt darüber, dass die Tests nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprächen und das Produkt Bedingungen ausgesetzt werden, die in der Realität nicht vorkämen. Laut Dyson repräsentierten die Tests daher nicht die Haltbarkeit des Akkus.

„Dass sich Hersteller nach einem Test bei der Projektleitung melden, ist Standard“, sagt Holger Brackemann. „Manche verstehen das Ergebnis nicht, fühlen sich ungerecht behandelt.“ In mehr als 90 Prozent der Fälle könne man aber einen Haken dran machen, nachdem man alles noch mal erklärt habe.

„Hin und wieder kommen Unternehmen mit Anwälten, Abmahnungen kommen sicherlich zwei pro Monat. Die prüfen wir und weisen sie in aller Regel zurück. Damit ist die Sache auch meist vom Tisch“, so Brackemann weiter. „In wenigen Fällen wird tatsächlich Klage eingereicht. Ich schätze, das passiert so fünfmal pro Jahr.“ Ganz überwiegend könne sich die Stiftung dann vor Gericht durchsetzen, so der Untersuchungsleiter.

Und Dyson? Der Hersteller habe die Stiftung Warentest nach der Veröffentlichung der Testergebnisse abgemahnt und ein Gegendarstellungsverlangen übersandt, so Brackemann. „Wir haben daraufhin den Versuchsaufbau noch einmal im Detail überprüft, haben dabei aber keinerlei Auffälligkeiten festgestellt.“ Man stehe zu den Testergebnissen und habe die Abmahnung und das Gegendarstellungsverlangen zurückgewiesen. Danach habe man von Dyson in der Angelegenheit nichts weiter gehört. 

Die Tests machen Produkte oft besser

Die Bewertungen der Stiftung Warentest geben nicht nur vielen Menschen Orientierung, wenn sie die Anschaffung eines neuen Geräts planen. Sie hat Hersteller auch immer wieder dazu gebracht, Produkte zu verbessern. Das hat ganze Produktgruppen verändert.

Akku-Staubsauger sind dafür ein Beispiel: „Sie waren bei den Saugeigenschaften am Anfang deutlich schlechter als klassische Bodenstaubsauger mit Kabel“, sagt Brackemann. Zunächst waren die Bewertungen allenfalls ausreichend, Note 4. Heutzutage seien diese Geräte beim Saugen auf dem gleichen Niveau wie klassische Bodensauger. „Ich würde sagen, auch unsere Tests und diese mäßigen Noten haben die Produktentwicklung befeuert.“

© dpa-infocom, dpa:240423-99-770979/3


Von dpa
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