Die zunehmenden Fan-Ausschreitungen bei Fußballspielen haben die Rufe aus den Reihen der Politik und der Polizei nach Konsequenzen lauter werden lassen und auch den Deutschen Fußball-Bund gut sechs Monate vor der Heim-EM alarmiert.
„Die aktuellen Entwicklungen sehen wir mit Sorge“, teilte der Verband auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Das Thema Sicherheit wird die Innenminister der Bundesländer bei ihrer turnusmäßigen Konferenz von Mittwoch bis Freitag in Berlin beschäftigen. Vor allem die Polizei erhofft sich klare Signale und härtere Maßnahmen. „Wir fordern die IMK auf, die dramatische Entwicklung der Gewalt durch Ultragruppierungen in einem gesonderten Tagesordnungspunkt zu beraten und ein gemeinsames Vorgehen gegen aggressive und gewalttätige Ultragruppierungen festzulegen“, sagte Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
In jüngster Zeit war es bei Fußballspielen mehrfach zu massiven Ausschreitungen gekommen. Trauriger Höhepunkt waren die Krawalle Ende November bei der Bundesligapartie zwischen Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart, bei denen mehr als 200 Menschen verletzt wurden.
„Die Bilanz des Spiels zeigt, dass in den Arenen ein Kontrollverlust droht“, sagte der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, danach. Er plädierte für ein hartes Durchgreifen von Staatsanwaltschaft und Polizei. „Wird hier nicht konsequent gegengesteuert, besuchen echte Fans in Zukunft keine Fußballspiele mehr - die Gewalttäter hätten gewonnen“, mahnte Mayer.
Fan-Vertreter hatten dagegen den „massivsten Polizeieinsatz, den wir je im Waldstadion erlebt haben“, kritisiert und von einer „Eskalationsstrategie der Polizei“ gesprochen. Die Einsatzkräfte seien „ohne Rücksicht auf Verluste auch unter normalen Fans, Frauen und Kindern“, vorgegangen.
Der Vorwurf an die Polizei: „Mit diesem Gewaltexzess wollte man vor der EM 2024 die Muskeln spielen lassen.“ Am vergangenen Wochenende protestierten Fans in etlichen Stadien von der Bundesliga bis zur 3. Liga mit scharf formulierten Spruchbändern gegen Polizeigewalt und für ein Verbot von Pfefferspray in Stadien.
Die Fronten sind derzeit verhärtet. Nachdem es zuletzt auch in Hannover und Hamburg zu Ausschreitungen gekommen war, hatte Hamburgs Innen- und Sportsenator Andy Grote bereits Konsequenzen gefordert. „Ich halte das für eine Situation, die wir so nicht weiterlaufen lassen können“, sagte der SPD-Politiker.
Der Fan-Forscher Harald Lange warnte dagegen vor schärferen Maßnahmen. „Wenn sich Hardliner bei der Polizei durchsetzen, dann werden wir tatsächlich eine Eskalation erleben. Die Idee, mit Law and Order eine Fankultur zu bändigen, ist zum Scheitern verurteilt“, sagte der 55-Jährige unlängst in einem Interview der Verlagsgruppe Rhein-Main. „Fankultur lebt eben auch von der Grenzüberschreitung.“
Diese will die Polizei aber nicht mehr hinnehmen, da die Einsatzkräfte zunehmend mit einer feindseligen Stimmung konfrontiert werden. „Aktuell erleben wir in Stadien eine geplante und abgesprochene Hass-Kampagne gegen uns Polizisten. Die Gewalttäter betreiben eine massive Täter-Opfer-Umkehr, obwohl einige Ultragruppierungen Hass, Hetze und Gewalt in die Stadien bringen“, klagte GdP-Chef Kopelke.
Damit die Lage nicht eskaliert, rief der DFB beide Seiten zu einem respektvolleren Umgang miteinander auf. Der Verband sei daran interessiert, „dass Straftäter verfolgt werden, insbesondere, wenn sie den Fußball für ihre Zwecke ausnutzen.“ Dabei dürfe es aber „keine pauschale Kriminalisierung von Fans geben, genauso wenig wie eine Vorverurteilung polizeilicher Maßnahmen.“
Die Deutsche Fußball Liga forderte alle Akteure auf, sich dafür einzusetzen, „Fußballspiele als sichere und positive Erlebnisse in großartiger Atmosphäre zu bewahren“. Jede Form von Gewalt „ist mit den Werten des Fußballs unvereinbar, klar zu verurteilen und hat in den Stadien nichts verloren“, teilte die Dachorganisation der Profivereine mit.
Mit Blick auf die Europameisterschaft im nächsten Sommer setzt der DFB vornehmlich auf einen Dialog zwischen allen Beteiligten. Ziel sei es, „bestmögliche Voraussetzungen für ein spannendes, friedliches und sicheres Turnier im eigenen Land zu schaffen“, hieß es von Verbandsseite.
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