Die Theaterdichte hierzulande gilt weltweit als einzigartig - und eine Mehrheit der Erwachsenen in Deutschland findet es laut einer repräsentativen Umfrage richtig, dass die Bühnen weiterhin subventioniert werden. 76 Prozent der Befragten sprachen sich in der neuen Forsa-Umfrage im Auftrag des Liz Mohn Centers der Bertelsmann-Stiftung dafür aus, dass Theaterhäuser weiterhin mit öffentlichen Mitteln, also Steuergeldern, finanziert werden sollten, wie das Center am Mittwoch in Gütersloh mitteilte.
82 Prozent waren demnach der Meinung, Theater gehörten zu Deutschlands kultureller Identität. Dass die kulturellen Angebote der Theater erhalten bleiben sollen, sagten sogar 91 Prozent. Die Umfrage zeigt allerdings auch einen Unterschied zwischen der wahrgenommenen Relevanz des Theaters und der tatsächlichen Nutzung.
Etwa vier von fünf Befragten gaben jeweils an, in den letzten zwölf Monaten keine Theater-, Opern-, Ballett- oder Tanz-Aufführung oder ein klassisches Konzert besucht zu haben. 37 Prozent waren noch nie bei einem klassischen Konzert, einer Opern-, Ballett- oder Tanzaufführung, 10 Prozent noch nie bei einer Theateraufführung. Befragte mit höherem Haushaltseinkommen besuchten solche Kulturangebote häufiger als Menschen mit niedrigem Einkommen.
Die Vielfalt der deutschen Theaterlandschaft kommt geschichtlich von der früheren Kleinstaaterei auf deutschem Boden: Ein Hof ohne Theater galt als kulturlos. Das dadurch entstandene dichte Netz an Aufführungsorten besteht bis heute fort.
Rund 140 öffentlich getragene Theater gibt es nach Angaben des Deutschen Bühnenvereins. Dazu kommen etwa 200 Privattheater, rund 130 Opern-, Sinfonie- und Kammerorchester sowie eine Vielzahl von Gastspielhäusern, Gastspielproduzenten und freien Gruppen.
Nur sechs Prozent der Befragten gaben in der Forsa-Umfrage an, dass es an ihrem Wohnort keinerlei Kultureinrichtungen oder Veranstaltungsstätten gebe. Mit den Kulturstätten an ihrem Wohnort fühlten sich 43 Prozent der Befragten sehr oder eher verbunden.
Aber auch negative Gefühle gegenüber den Theaterhäusern wurden in der Umfrage deutlich. Insgesamt 26 Prozent aller Befragten sagten, dass sie sich in Theatern fehl am Platz fühlten. In der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren gaben das sogar 39 Prozent an. 43 Prozent der Befragten unter 30 sagten zudem, das Angebot der Theater richte sich nicht an „Menschen wie mich“.
Unter den Wünschen an die Theater wurden eine soziale Preisgestaltung (89 Prozent), spezielle Stücke für Kinder und Jugendliche (85 Prozent) sowie humorvolle Stücke (83 Prozent) besonders häufig als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ genannt.
„Gemessen an der zugeschriebenen Relevanz müsste das Publikum eigentlich in die Kulturinstitutionen strömen“, sagte Dorothea Gregor, Kulturexpertin des Liz Mohn Centers. Das Gegenteil sei momentan vielerorts der Fall.
Die Entscheiderinnen und Entscheider in den Häusern sollten den Rückhalt in der Bevölkerung nutzen, um ihr Publikum besser zu erreichen und zu begeistern. „Sie müssen es mit ihren Angeboten in den Alltag und in ihre Social-Media-Timelines schaffen“, sagte Gregor.
Aus den Umfrageergebnissen hat das Liz Mohn Center konkrete Handlungsempfehlungen für die Kulturpolitik und die Theaterhäuser abgeleitet. Theater sollten demnach ihre Zielgruppen besser kennen und ansprechen, sich außerdem mehr öffnen und als Treffpunkt verstehen, an dem beispielsweise auch Laien und Hobbyorchester auftreten können. Zudem müsse das Marketing sozial und modern gestaltet werden. Neben einer Anpassung des Preisgefüges bräuchte insbesondere die Gruppe der Menschen unter 30 Jahren leichteren Zugang zu Programminformationen.
„Die Politik hat den klaren gesellschaftlichen Auftrag, die bestehenden Strukturen zu erhalten, zu finanzieren und in ihrer dringend anstehenden Transformation zu unterstützen, um diese weltweit einmalige Kulturlandschaft für die kommenden Generationen zu erhalten“, sagte Gregor.
Die Befragung mit dem Titel „Relevanzmonitor Kultur“ gab es 2023 zum ersten Mal. Sie soll 2025 und 2027 wiederholt werden.
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