Eigentlich wollte er ja eine Auszeit von der Musik nehmen. Aber nun, mit 56 Jahren, veröffentlicht Noel Gallagher mit seiner Band, den High Flying Birds, ein neues Album. „Council Skies“ heißt die Platte des als begnadeter Songschreiber bekannten Briten, der seiner ehemaligen Band Oasis viele Hits bescherte.
Es war 2019. Gallagher kam gerade von einer langen Tournee zurück - dann kam Corona. „Wir waren im Lockdown, es gab nichts zu tun. Also habe ich eine Menge angefangener Songs fertiggestellt und neue geschaffen“, sagt Gallagher im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Er schrieb allein die Nächte durch und richtete sich ein Studio im Norden Londons ein.
Aus einer Pressemitteilung erfährt man, dass im Flur seines Studios Porträts der Beatles hängen und in einer Ecke sogar ein Pappaufsteller von Pep Guardiola. Er trainiert Gallaghers Lieblingsverein Manchester City. An diesem Ort hat der Rockstar also seine zwei großen Leidenschaften vereint: Musik und Fußball. Das City-Wappen und das Stadion sind übrigens auch in seinem Musikvideo zu „Council Skies“ zu sehen.
Als die Corona-Maßnahmen gelockert wurden, reiste Gallagher nach Los Angeles und Ibiza. Seine Musik klingt aber durch und durch nach Manchester: ein bisschen rau und im besten Sinne eigenwillig. In „Council Skies“ geht Gallagher, in Manchester geboren, dorthin, wo alles begann. Von Nostalgie will der 56-Jährige aber nicht sprechen. „Es ist eher nachdenklich“, sagt er. „Es geht darum, sich zu fragen, wo man ist und wie man dahin gekommen ist.“
14 Jahre sind seit der Trennung von Oasis vergangen. Ab Mitte der Neunziger schafften sie es in ihrem Heimatland mit allen Studioalben an die Spitze der Charts. Mehr als 70 Millionen Platten will die Band nach eigener Aussage weltweit verkauft haben. Superhits wie „Don't Look Back In Anger“, „Wonderwall“, „Supersonic“, „Live Forever“ oder „Stop Crying Your Heart Out“ stammen aus Noels Feder.
Und wie viel Oasis steckt im neuen Album? Zwei Songs würden ein wenig nach Oasis klingen, sagt Gallagher. „Easy Now“ und „There She Blows“. Besonders stolz ist der Musiker aber auf „Dead To The World“. „Ich liebe diesen Song. Ich denke, es ist einer meiner besten.“ Melancholisch und voller Sehnsucht singt Noel darin von der Liebe und vom Loslassen. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass sich Gallagher von seiner Frau Sara MacDonald scheiden lässt. Die beiden lernten sich im Jahr 2000 kennen und haben zwei Kinder.
Den Titel für sein Album fand Gallagher übrigens auf seinem Couchtisch. Dort lag ein Buch des befreundeten Künstlers Pete McKee: „Council Skies“. Einen Anruf später stand der Name für die neueste Platte fest. Es geht bei diesem Titel um das Gefühl - mal trotzig und mal verträumt - in den Himmel zu schauen. Der „Council Sky“ könne über Manchester wie auch über Düsseldorf hängen, sagt der Brite. Dort gibt er im November sein einziges Deutschlandkonzert. Dabei ist seine Lieblingsstadt eigentlich Berlin. Er habe die deutsche Hauptstadt noch nicht vollständig erkundet, das mache sie so spannend für ihn. „Jedes Mal, wenn ich dort bin, entdecke ich etwas Neues“, verrät er. „Das Nachtleben ist großartig. Und die Stadt scheint ein Magnet für interessante Leute zu sein.“
Apropos Magnet. Erstaunlich ist, dass die Gallagher-Brüder ein richtiger Anziehungspunkt für Klicks auf der Video-App Tiktok sind, denn die meisten der jungen Nutzerinnen und Nutzer dürften sich kaum an Oasis erinnern. Doch provokante Interviews und launische Festivalauftritte scheinen auch heute noch Teenager zu begeistern. Ob Noel damit etwas anfangen kann? „Die Tiktok-Generation ist mir völlig egal.“ Jegliche Form von Social Media interessiere ihn nicht. „Es könnte mir nicht egaler sein“, sagt er trotzig. Auch von Musikstreaming hält er nicht viel. Seine Musik für die Plattformen anpassen? Niemals! „Ich mag Spotify nicht. Ich denke, es war eine schlechte Sache für die Musik.“
Trotz großer Erfolge hat der 56-Jährige noch ein musikalisches Ziel, wie er verrät. „Ich würde gerne einen Soundtrack für einen Film machen. Das habe ich noch nie gemacht.“ Abgesehen davon wolle er einfach weiterhin Lieder schreiben - und zwar so lange, wie es noch geht. „Ich kann mir keinen besseren Job vorstellen“, sagt er.
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