Angesichts des hohen Ausstoßes von klimaschädlichen Treibhausgasen in der Industrie fordert die Umweltorganisation WWF ein stärkeres Eingreifen der Regierung. So solle staatliche Förderung nur noch in klimaschützende Maßnahmen fließen, insbesondere der Produktion von grünem Wasserstoff, sagte WWF-Klimachefin Viviane Raddatz am Dienstag in Berlin. Die Organisation veröffentlichte dazu eine Auswertung der Unternehmen, die in Deutschland am meisten Treibhausgase verursachen.
Unter den dreißig Industrieanlagen mit dem größten Ausstoß in Deutschland dominiert die Eisen- und Stahlerzeugung. Entsprechende Anlagen belegen nach der Untersuchung des Öko-Instituts im Auftrag von WWF Deutschland die Plätze 1 bis 13, gefolgt von einer Kalkanlage. „Der Industriesektor ist ein Schwergewicht beim CO2-Ausstoß und damit auch beim Klimaschutz“, so Raddatz. Hier brauche es dringend eine Umstellung, um Klima und Arbeitsplätze gleichermaßen zu schützen. Sie verlangte von der Bundesregierung „eine umfassende Strategie zum Klimaschutz in der Industrie“.
Insgesamt stieß Deutschland im vergangenen Jahr laut Expertenrat für Klimafragen 746 Millionen Tonnen Treibhausgase aus - hier handelt es sich um vorläufige Zahlen. Die Industrie lag als Quelle klimaschädlicher Gase dabei mit 164 Millionen Tonnen auf dem zweiten Rang hinter der Energiewirtschaft.
Die größten Treibhausgas-Verursacher stehen zu einem wichtigen Teil im Westen Deutschlands. Viele davon verzeichneten 2022 im Vergleich zum Vorjahr sinkende Emissionen, im Schnitt von 7 Prozent, was allerdings auch Folge der Energiekrise sein dürfte. Die fünf Spitzenplätze belegten demnach im vergangenen Jahr folgende Anlagen:
- Integriertes Hüttenwerk Duisburg von Thyssenkrupp mit 7,9 Millionen Tonnen an Treibhausgasen jährlich
- Hüttenwerke Glocke Duisburg von Krupp Mannesmann (HKM) mit 4,2 Millionen Tonnen
- Roheisenerzeugung Dillingen (Saarland) der Rogesa Roheisengesellschaft Saar mit 4,0 Millionen Tonnen
- Glocke Salzgitter von Salzgitter Flachstahl mit 3,7 Millionen Tonnen sowie
- Kraftwerk Hallendorf von Salzgitter Flachstahl mit 3,6 Millionen Tonnen.
Die Unternehmen verwiesen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa auf ihre Pläne für eine CO2-Minderung.
„Wir stehen als Betreiber des größten europäischen Stahlstandortes für 2,5 Prozent des deutschen CO2-Ausstoßes“, sagte ein Sprecher von Thyssenkrupp Steel (TKS). „Das müssen und wollen wir ändern.“ Dazu habe man vor Kurzem den Auftrag zum Bau einer wasserstoffbasierten Direktreduktionsanlage vergeben, der größten in Deutschland. „Damit können wir bereits 3,5 Millionen Tonnen unserer CO2-Emissionen einsparen.“ TKS ist auch der größte Gesellschafter der Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM), die in Duisburg unter anderem zwei Hochöfen betreibt. Man wolle die Pläne für eine Dekarbonisierung der HKM weiterentwickeln und konkretisieren, hieß es.
Die Stahl-Holding-Saar (SHS) als Muttergesellschaft der Rogesa erklärte, dass sie vorbehaltlich öffentlicher Förderungen künftig CO2-reduzierten Stahl produzieren wolle. Dazu sollen bis 2030 eine Direktreduktionsanlage und zwei Elektro-Lichtbogen-Öfen errichtet werden. Ab 2027 sollen 3,5 Millionen Tonnen grüner Stahl im Saarland produziert werden, bis 2030 sollen 55 Prozent CO2 eingespart werden. Damit übernehme die SHS mit ihren Töchtern Dillinger und Saarstahl eine „Vorreiterrolle“ in der Dekarbonisierung, hieß es. Bis 2045 sollten dann die komplette Hochofenproduktion ersetzt und 80 Prozent CO2 eingespart werden.
Der Vorstandsvorsitzende der Salzgitter AG, Gunnar Groebler, erklärte auf Anfrage, dass die Hüttenwerke seines Unternehmens zu den effizientesten der Welt gehörten. In der Tat werde viel CO2 freigesetzt, man bemühe sich um eine Minderung. In einem Projekt sei es gelungen, Stahl nahezu CO2-frei herzustellen, ab 2025/2026 solle die Technologie am Standort Salzgitter eingesetzt werden. Statt Kohle soll dann auch Wasserstoff als Energieträger genutzt werden. „Die Transformation ist gewaltig und braucht neben den immensen Investitionsmitteln auch Zugang zu grünem Strom und grünem Wasserstoff – beides ist heute nicht in ausreichender Menge vorhanden“, sagte Groebler weiter.
Es gibt unterschiedliche Erfassungsmethoden für den Ausstoß an Treibhausgasen nach Bereichen. Die Autoren der Untersuchung orientierten sich bei der Erfassung der jeweiligen Anlagen an der Methodik im EU-Emissionshandel, bei dem Emittenten Rechte zum Ausstoß klimaschädlicher Gase nachweisen müssen und damit handeln können. Damit erfassen die Autoren einen Teil der Industrie nicht, zum Beispiel mobile Maschinen der Bauwirtschaft. Den Schwerpunkt legt das Öko-Institut in seiner Auswertung auf industriellen Produktionsstätten, Industrie-Kraftwerke klammert es weitgehend aus.
Der WWF bemängelte, der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen im Industriebereich habe zwar seit 2010 Schwankungen unterlegen, es fehle jedoch ein strukturell bedingter Rückgang. Die Nutzung und Abscheidung von Kohlendioxid, die auch die Bundesregierung ins Auge fasst, müsse „die letzte Option“ sein, so Klimachefin Raddatz. Die Vermeidung von Emissionen müsse vorgehen. Sogenannte Klimaschutzverträge, mit denen die Regierung das finanzielle Risiko bei der Umstellung auf klimafreundliche neue Technologien abfedern will, begrüßte die Organisation.
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