Mit moderner Technik sollen Stromausfälle künftig deutlich schneller behoben werden. Derzeit dauere es durchschnittlich 54 Minuten, bis die Versorgung wieder steht, sagte der Geschäftsführer Technik des Netzbetreibers Netze BW, Martin Konermann, der Deutschen Presse-Agentur. „Das soll unter einer Sekunde gehen.“
Das Zauberwort lautet auch hier Digitalisierung: Derzeit müssen Monteure bei einem Defekt noch die verschiedenen Umspannstationen abfahren und schauen, zwischen welchen das Problem besteht - und dann die Schalter entsprechend umlegen. Digitale Möglichkeiten der Sensorik (zum Messen) und der Aktorik (zum Ausführen) sollen das künftig voll automatisch und in Windeseile ermöglichen. „Selbstheilende“ Netze, nennt Netze BW das. Die Monteure könnten dann in Ruhe die genaue Fehlerstelle suchen und reparieren, sagte Konermann.
Etwa alle zwei bis drei Jahre erlebt man Konermanns Angaben zufolge statistisch einen Stromausfall - etwa in Folge von einem Baggerunfall, Unwettern oder Verschleiß. Passiere es nachts, kriege man manchmal gar nichts mit, räumte Konermann ein. Steht die Versorgung wirklich wieder binnen einer Stunde, taue auch noch kein Gefrierfach ab. „Gerade aber die Industrie kann da schon echte Probleme bekommen“, machte er deutlich.
Ab Juni will die EnBW-Tochter Netze BW daher einen Feldversuch im Allgäu im Versorgungsgebiet rund um das Umspannwerk Leutkirch durchführen, bei dem eine automatisierte Teilwiederversorgung erprobt wird. Die Erkenntnisse sollen dann auf andere Regionen übertragen werden. In Italien gebe es ähnliche Versuche, sagte Konermann.
„Wir erfinden uns hier ein Stück weit neu“, sagte Dirk Güsewell, EnBW-Vorstand Systemkritische Infrastruktur. „Dafür gibt es keine Blaupause.“ Und es gleiche einer Operation am offenen Herzen, weil das parallel zum laufenden Betrieb geschehe.
Mit Blick auf die Energiewende seien solche intelligenten Lösungen wichtig, damit die Netze mit der wachsenden Komplexität mithalten können. Sowohl auf Seiten der Erzeuger als auch der Verbraucher ändere sich einiges, etwa durch mehr Einsatz von Photovoltaik und Wallboxen. Die Netze fungierten wie eine Brücke zwischen diesen Pfeilern, sagte Güsewell. „Wir gehen davon aus, dass 90 Prozent der Umspannwerke und 60 Prozent der Leitungen im Verteilnetz ausgebaut und erweitert werden müssen.“ Ein Kraftakt, für den Kosten in Milliardenhöhe erforderlich sein werden.
Konermann machte deutlich, dass aus einem Netz mit rund 500 Großkraftwerken im Hochspannungsbereich in Deutschland ein Netz aus rund 7,5 Millionen wetterabhängigen kleineren Anlagen werde, die im niedrigeren Spannungsbereich einspeisen. Dies erfordere ohnehin digitale Lösungen. „Da wollen wir auch im Störungsfall schneller werden.“
Rund 80 Prozent der Auswirkungen gehen seinen Worten zufolge auf Störungen im Mittelspannungsnetz zurück, mit dem Strom in die Regionen verteilt wird. Daher setzt hier der zunächst auf zwei Jahre angesetzte Feldversuch von Netze BW an. Für den restlichen Transport zum Endverbraucher ist das Niederspannungsnetz verantwortlich.
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