Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität an den Grenzen zu Tschechien und Polen angekündigt. „Um Schleuser zu stoppen, bereiten wir jetzt zusätzliche Kontrollen an unseren Grenzen zu Polen und Tschechien vor“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir verknüpfen unsere zusätzlichen Maßnahmen sehr eng mit der bereits stark intensivierten Schleierfahndung im gesamten Grenzgebiet.“
Mit ihren Amtskollegen in Tschechien und Polen sei sie in einem engen Kontakt, um „gut abgestimmte Maßnahmen zu treffen“. „Mein Ziel ist maximaler Ermittlungsdruck auf Schleuser und der Schutz der Menschen, die unter lebensgefährlichen Bedingungen, oft ohne Wasser und mit kaum Sauerstoff, über Grenzen geschmuggelt werden“, sagte Faeser.
Am Wochenende habe es Kontakte mit dem tschechischen Innenminister und auf hoher Beamtenebene auch mit der polnischen Seite gegeben, hieß es aus dem Ministerium. Faeser werde noch vor dem EU-Innenministertreffen an diesem Donnerstag auch mit ihrem polnischen Amtskollegen über das Thema beraten, so dass sehr schnell zusätzliche Maßnahmen getroffen werden könnten.
Die Zahl der Schleusungen und unerlaubten Einreisen über die deutsch-polnische Grenze in Brandenburg steigt weiter deutlich. In den vergangenen zwei Wochen seien 550 Menschen festgestellt worden, die illegal über die Grenze gebracht worden seien, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Im Durchschnitt seien das 50 aufgegriffene illegal Eingereiste pro Tag - nach durchschnittlich 35 im August. Acht Schleuser seien gefasst worden. „Die Zunahme der illegalen Schleusungen gerade über die deutsch-polnische Grenze sprengt gerade jeden Rahmen“, sagte Stübgen bei einem Besuch im Kreis Spree-Neiße.
Die meisten dieser Migranten stammen dem Innenressortchef zufolge aus Syrien, dahinter folgten Menschen aus der Türkei, kleinere Gruppen kämen aus Indien, Afghanistan und dem Irak. Seit Herbst 2015 gibt es vorübergehende Grenzkontrollen in Bayern an der Grenze zu Österreich. Sie werden vom Bundesinnenministerium bei der EU-Kommission angemeldet und jeweils verlängert. Für andere Grenzabschnitte hat Faeser solche Kontrollen, die in Brüssel mit einem Vorlauf von etwa einem Monat beantragt werden müssen, bislang für nicht sinnvoll erachtet.
Die Grünen halten ständige Kontrollen direkt an der Grenze und die von Unionspolitikern und der FDP ebenfalls vorgeschlagene Ausgabe von Sachleistungen an Asylbewerber dagegen nicht für geeignete Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Fluchtzuwanderung. Die Verteilung von Sachleistungen sei bereits erlaubt, sagte der Co-Vorsitzende Omid Nouripour in Berlin nach einer Sitzung des Parteivorstandes. Sie werde aber wegen des damit verbundenen großen Arbeitsaufwands für die Kommunen kaum praktiziert. Mobile Kontrollen seien auch wegen der Belastung für die Bundespolizei besser als stationäre Kontrollen an den deutschen Grenzen, fügte er hinzu.
In der Flüchtlingspolitik gebe es weder einfache noch schnelle Lösungen, betonte der Grünen-Politiker. Deshalb täten die Politiker der demokratischen Parteien gut daran, „auf Parolen zu verzichten“. Einige Äußerungen politischer Mitbewerber aus den vergangenen Tagen seien offensichtlich den Landtagswahlkämpfen in Hessen und Bayern geschuldet.
Aus Sicht der Grünen müssten die Kommunen schnell finanziell entlastet werden, damit sie die Unterbringung und Integration der Geflüchteten bewältigen könnten. Wichtig sei außerdem, dass möglichst schnell mit Herkunftsstaaten Abkommen über Migration- und Rückführung vereinbart würden. Auch müsse der „Integrationsmotor Arbeitsmarkt“ schneller angeworfen werden. Dafür sollten die Möglichkeiten genutzt werden, aus dem Asylverfahren in die Erwerbsmigration zu wechseln. „Spurwechsel - das ist das Gebot der Stunde“, sagte Nouripour.
Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Untergebracht und versorgt werden müssen zudem mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekräftigte unterdessen seine Kritik am grünen Koalitionspartner. Die Bundesregierung müsse beim Thema Migration ein gemeinsames Verständnis für die Realität im Land haben, sagte er nach Beratungen des FDP-Präsidiums. „Es wird nicht funktionieren, wenn ein Koalitionspartner die Dinge anders sieht oder durch Bedenken gesamteuropäische Lösungen aufhält.“
Djir-Sarai hatte am Wochenende gesagt: „Ob bei Reformen auf europäischer Ebene oder bei der Einstufung der sicheren Herkunftsländer: Die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen.“
Bund und Länder sind indes weiter uneins darüber, wie sie die Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge in Deutschland aufteilen. Zum Ausgang einer Videokonferenz einer Arbeitsgruppe gab es heute aus Teilnehmerkreisen unterschiedliche Bewertungen. Übereinstimmend hieß es aber, es herrsche weiterhin keine Einigkeit bei der Höhe der künftigen Beteiligungen des Bundes. Wie das aktuelle Angebot der Bundesregierung an die Länder für 2024 in den Verhandlungen grundsätzlich zu bewerten sei, wurde unterschiedlich gesehen.
Die Frage, wie viel Geld der Bund etwa für die Unterbringung dazugibt, ist angesichts steigender Flüchtlingszahlen seit Monaten umstritten und soll auch Thema eines Bund-Länder-Gipfels im November werden. Mitte Mai hatte der Bund den Ländern eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung für dieses Jahr zugesagt. Damit sollen sie dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Länder und Kommunen wollen hingegen für die Zukunft ein sogenanntes atmendes System, bei dem sich die Zahlungen dauerhaft an der tatsächlichen Zahl der Geflüchteten orientieren.
Wegen der aktuellen hitzigen Debatte über irreguläre Migration, der zugespitzten Situation in den Kommunen und den Landtagswahlkämpfen gilt eine Einigung zwischen Bund und Ländern derzeit als Kraftakt.
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