Die Migräne klopft an: Was hinter der Aura steckt | FLZ.de

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Veröffentlicht am 31.03.2023 04:48

Die Migräne klopft an: Was hinter der Aura steckt

Erstmal Augen zu! Die Aura vor einem Migräneanfall macht sich oft durch flimmernde Zacken im Gesichtsfeld bemerkbar. (Foto: Oliver Killig/dpa-Zentralbild/dpa-tmn)
Erstmal Augen zu! Die Aura vor einem Migräneanfall macht sich oft durch flimmernde Zacken im Gesichtsfeld bemerkbar. (Foto: Oliver Killig/dpa-Zentralbild/dpa-tmn)
Erstmal Augen zu! Die Aura vor einem Migräneanfall macht sich oft durch flimmernde Zacken im Gesichtsfeld bemerkbar. (Foto: Oliver Killig/dpa-Zentralbild/dpa-tmn)

So wie die Morgenröte langsam den Tag beginnen lässt, so kündigt die Aura eine Migräne-Attacke an. Deswegen ist Aurora - die Göttin der Morgenröte - auch die Namenspatin dieses Phänomens.

„Auren entwickeln sich im typischen Fall über 20 bis 30 Minuten etwa eine Stunde vor Beginn der Migräne-Kopfschmerzphase“, sagt Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Dann klingt die Aura wieder ab, der Schmerz setzt ein. Nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft sind 15 bis 25 Prozent der Patientinnen und Patienten betroffen.

Durch welche Anzeichen macht sich eine Aura bemerkbar?

Typisch sind Sehstörungen, oft sind es sogenannte einseitige Gesichtsfeldausfälle. Das heißt: „Im linken oder rechten Teil können zunehmende Flimmer-Erscheinungen auftreten“, sagt Neurologe und Schmerztherapeut Göbel. Betroffene sehen oft Zickzacklinien, die sich immer mehr ausbreiten oder farbige Randzacken ausbilden.

Teilweise gibt es auch Flecken, in denen man nichts sehen kann. Lesen zum Beispiel fällt dann schwer. Betroffene können aber auch den Eindruck haben, nur durch einen Schleier oder durch Schlieren hindurch sehen zu können.

„Grundsätzlich kann vor dem Beginn der Migräneattacke jedes Krankheitszeichen auftreten, das durch eine gestörte elektrische Erregbarkeit der Hirnrinde ausgelöst werden kann“, sagt Hartmut Göbel. Die Hirnrinde ist der äußere Bereich des Gehirns.

Das kann Schwindel sein, Müdigkeit oder ein Kribbeln, etwa in den Händen. Manche Betroffene suchen vergeblich nach Worten oder können sich nicht mehr konzentrieren. Auch epileptische Anfälle oder Bewusstlosigkeit können auftreten.

Was passiert bei einer Aura im Gehirn?

Der Grund für eine Migräne und damit für Auren ist, dass die Patientinnen und Patienten eine angeborene Besonderheit der Reizverarbeitung im Gehirn haben. „Ihr Nervensystem steht ständig unter „Hochspannung““, sagt Hartmut Göbel.

Ihre Gehirne nehmen dadurch Reize früher und schneller auf und verarbeiten sie rascher. Strömen zu viele Eindrücke ein - zu schnell, zu plötzlich -, werden die Nervenzellen stark aktiviert. Dabei kann die Energieversorgung in ihnen zusammenbrechen.

Das bedeutet: Die Steuerung der Nervenfunktionen entgleist. „Und da die Sehrinde des Gehirns besonders viel Energie benötigt, kommt es zu Sehstörungen, der typischen visuellen Aura“, sagt Hartmut Göbel.

Was kann ich tun, wenn ich eine Aura erlebe?

Den Verlauf einer Aura beeinflussen kann man kaum, sagt Charly Gaul, Neurologe am Kopfschmerzzentrum Frankfurt. „Tritt eine Migräneattacke zum ersten Mal auf, ist stark ausgeprägt oder beinhaltet untypische Symptome, ist ein Besuch in der Notaufnahme im Zweifel sinnvoll, um andere Erkrankungen nicht zu übersehen.“

Bei Betroffenen, die ihre Auren kennen, stelle sich diese Frage aber selten. „Letztlich zwingt eine ausgeprägte Aura die Betroffenen eher dazu, ihre Aktivitäten wie Autofahren zu unterbrechen. Stattdessen muss man warten, bis die Symptome wieder abklingen.“

Um eine Aura leichter zu überstehen, muss der Patient oder die Patientin lernen, mit Migräne-Attacken umzugehen. „Häufig sorgen sich Patienten, es könne eine Hirnerkrankung dahinterstecken oder sich ein Schlaganfall ankündigen“, sagt Charly Gaul. „Die beste Strategie hier ist, sich über die Aura zu informieren.“

Insgesamt ist das Risiko für vaskuläre Erkrankungen wie einen Schlaganfall oder Herzinfarkt leicht erhöht. Die Ursache ist unklar. „Das Risiko besteht jedoch nicht im Moment der Aura selbst“, betont Gaul. „Es ist insgesamt erhöht. Möglicherweise spielen genetische Faktoren eine Rolle.“ Deshalb empfiehlt er einen gesunden Lebensstil, der das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt.

Gibt es Medikamente gegen die Aura?

„Zur akuten Behandlung sind keine Medikamente oder Hausmittel verfügbar“, sagt Charly Gaul. Aber: Es gibt Medikamente, die Patientinnen und Patienten vorbeugend einnehmen können, um die Migränehäufigkeit - und damit auch die der Auren - zu verringern.

Und was ist mit Triptanen - einer Gruppe von Wirkstoffen, die Migräne akut lindern können? Oft heißt es, man solle sie erst nehmen, wenn die Aura abklingt.

„Ursprünglich dachte man, dass sich ihr Wirkmechanismus über eine Gefäßverengung im Gehirn ableitet“, erklärt Gaul. Deswegen steht im Beipackzettel, dass Triptane nicht während der Aura eingenommen werden sollten. „Tatsächlich wirken diese Medikamente jedoch vor allem auf die Ausschüttung von Botenstoffen. Die damit verbundenen Veränderungen der Gefäßweite sind eher eine mittelbare Folge.“

Einige Studien weisen laut Gaul allerdings darauf hin, dass Triptane während der Aura eingenommen möglicherweise nicht optimal auf die Migräneattacke wirken. „Ganz geklärt sind diese Fragen aber nicht.“

Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass das Medikament erst aufgenommen werden muss, bevor es seine Wirkung entfaltet. „Und bis dahin ist die Aura häufig bereits vorüber.“ Im Zweifel ist es immer besser, bei Fragen wie diesen den Rat des Arztes oder der Ärztin einzuholen.

Erste Checkliste: Migräne mit Aura oder Schlaganfall?

Nicht immer einfach ist die Unterscheidung zwischen einer Aura und einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA). Sie gilt als Vorbote eines Schlaganfalls. „Und Fehler sind sehr schädlich“, sagt Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. So könne die Fehldiagnose einer TIA als Migräne mit Aura zu einem vermeidbaren Schlaganfall führen.

Für eine sichere Diagnose muss der Patient mindestens zwei Episoden aufweisen, die spezielle Kriterien erfüllen. „Mit nur einer Episode ist es schwierig zu entscheiden“, sagt Hartmut Göbel. Und ohnehin: Eine Diagnose kann nur ein Arzt oder eine Ärztin stellen.

Wichtig: Besteht Verdacht auf einen Schlaganfall, ist das ein Fall für den Notruf 112. Denn die erste Zeit nach einem Schlaganfall entscheidet über das Ausmaß der Zellschäden im Gehirn, heißt es von der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.

Die Checkliste:

Wenn mindestens zwei der folgenden Punkte erfüllt sind, spricht das eher für einen Schlaganfall:

1. Alle Symptome treten innerhalb von unter einer Minute mit maximaler Intensität auf und breiten sich nicht allmählich aus. 2. Es bestehen mehrere Symptome, die gleichzeitig auftreten. 3. Alle Symptome sind Defizite wie Sehverlust, Taubheit, Lähmungen. Es bestehen keine sogenannten positiven Symptome wie Zickzacklinien, Kribbeln oder Farbsehen. 4. Die Symptome werden nicht von Kopfschmerz begleitet, es folgt ihnen innerhalb einer Stunde auch kein Kopfschmerz nach.

Eher für eine Migräne-Aura sprechen diese Punkte:

1. Die Symptome treten langsam über 15 bis 30 Minuten zunehmend auf. 2. Wenn mehrere Symptome auftreten, treten sie sukzessive, also eines nach den anderen, auf. 3. Es bestehen sogenannte positive Symptome wie Zickzacklinien, Kribbeln, Farbsehen. 4. Nach spätestens einer Stunde folgen diesen Symptomen Kopfschmerzen.

© dpa-infocom, dpa:230330-99-150789/3


Von dpa
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