Wer heute zu Hause arbeiten kann, hat Glück. Für Pendler und Reisende hingegen wird es ein anstrengender Tag: Nahezu der gesamte öffentliche Verkehr steht aufgrund eines Warnstreiks der Gewerkschaften Verdi und EVG weitgehend still. Der Fern- und Regionalverkehr auf der Schiene sind ebenso betroffen wie der öffentliche Nahverkehr in mehreren Bundesländern sowie fast alle Flughäfen. Was Reisende wissen sollten und wie weiter geht:
Die Eisenbahn-und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat insgesamt rund 230.000 Beschäftigte bei rund 50 Eisenbahn-Unternehmen zum Arbeitskampf aufgerufen. Der Eisenbahnverkehr in Deutschland kommt daher nahezu vollständig zum Erliegen. Die Deutsche Bahn stellt den Fernverkehr ein. Auch die meisten Regional- und S-Bahnen fallen aus - unabhängig für welches Unternehmen sie unterwegs sind.
Im Organisationsbereich von Verdi liegt der öffentliche Nahverkehr. Busse, Straßen- und U-Bahnen in den Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und in weiten Teilen Bayerns sollten heute in den Depots bleiben.
Bestreikt werden von Verdi auch in großem Umfang die deutschen Flughäfen - laut Flughafenverband ADV können etwa 380.000 Geschäfts- und Privatreisende nicht abheben. Etwa am größten Airport in Frankfurt kommt der Passagierverkehr zum Erliegen. Am Flughafen München gibt es sogar am Sonntag und Montag keinen regulären Flugbetrieb.
Eingeschränkt werden soll auch die Schifffahrt. Am Hamburger Hafen etwa sollen große Schiffe nicht einlaufen können. Zudem ist die Autobahngesellschaft betroffen, die für den sicheren Betrieb auf den bundeseigenen Fernstraßen zuständig ist.
Auf den Straßen dürfte es sehr voll werden, zumal in den Städten, in denen auch der Nahverkehr bestreikt wird. Zunächst war befürchtet worden, dass sogar Tunnel gesperrt werden müssten, weil diese nicht mehr überwacht werden könnten. Die Autobahngesellschaft wies diese Befürchtung zurück und verwies auf geplante Notdienstvereinbarungen.
In der Nacht auf Montag um 00.00 Uhr ging es los - 24 Stunden soll der Ausstand andauern. EVG-Chef Martin Burkert hatte Reisenden zuvor ausdrücklich empfohlen, am Sonntag rechtzeitig am Ziel zu sein. Auf offener Strecke sollten Reisende aber nicht stranden.
Vielerorts werden die Auswirkungen des Warnstreiks auch morgen noch zu spüren sein. Im Fernverkehr der Deutschen Bahn etwa wird es dauern, bis die ICE- und IC-Züge wieder dort sind, wo sie gebraucht werden. Es sei daher vor allem im Tagesanlauf weiter mit Zugausfällen zu rechnen, teilte die Bahn mit. Auch an den Flughäfen sind Auswirkungen noch am Dienstag möglich.
Der große gemeinsame Streiktag ist eine länger geplante, aber zunächst einmalige Aktion der beteiligten Gewerkschaften. Verdi will mit dem Warnstreik pünktlich zum Start der dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst heute in Potsdam den Druck auf die Kommunen und den Bund erhöhen. Wenn sich beide Seiten nun in Potsdam einigen, könnte die Eisenbahngewerkschaft EVG mögliche weitere Bahnstreiks ohnehin nicht mehr im Schulterschluss mit Verdi machen. Aber angesichts der konfrontativen Situation sind weitere Ausstände auch im öffentlichen Dienst längst nicht vom Tisch.
Die EVG kämpft mit rund 50 Eisenbahn-Unternehmen um mehr Geld - besonders im Blick: die Deutsche Bahn. Bei den Eisenbahnen beginnt die zweite Verhandlungsrunde kommende Woche. Mit der Deutschen Bahn will die EVG in diesem Rahmen Ende April wieder zusammen kommen. Zeit für weitere Bahn-Warnstreiks ist also vorhanden.
EVG-Chef Martin Burkert schließt Warnstreiks zu Ostern grundsätzlich nicht aus. Gleichwohl gab die Gewerkschaft zuletzt zu verstehen, sie habe die Interessen von Osterreisenden im Blick.
Das Recht zur Bildung von Gewerkschaften ist im Grundgesetz festgeschrieben, Arbeitskämpfe sind rechtlich geschützt. Auch die Bundesregierung verwies auf das Grundrecht auf Streik. Warnstreiks im öffentlichen Dienst und bei der Bahn sind also nach dem Ende der Friedenspflicht rechtens - Kritik gibt es aber daran, dass die Gewerkschaften beide verschränken. Die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge, sagt: „Am Ende kann keiner mehr nachvollziehen, wegen welcher Tarifrunde wo genau gestreikt wird.“ Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter meint: „Großstreiks, die ein Land lahmlegen sollen, sind keine Warnstreiks.“
Die kommunale Topverhandlerin Welge ist jedenfalls „ein bisschen sauer“, wie sie sagt. Den Gewerkschaften wirft die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen vor, so zu tun, als seien keine Kompromisse denkbar. Dabei solle nun in Potsdam ein Ergebnis gefunden werden. Allerdings sind Gewerkschaften und Arbeitgeber weit voneinander entfernt: So wollen die Gewerkschaften für die 2,5 Millionen Beschäftigten der Kommunen und des Bundes wegen der hohen Inflation 10,5 Prozent mehr Einkommen über 12 Monate herausholen, mindestens 500 Euro mehr. Die Arbeitgeber wollen keinen Mindestbetrag - und bieten 5 Prozent mehr Lohn über 27 Monate.
Verdi-Chef Frank Werneke stellt auf Kundgebungen im ganzen Land seit Wochen Spekulationen über ein mögliches vorläufiges Scheitern an. Die möglichen Szenarien umfassen eine Einigung in Potsdam, ein Schlichtungsverfahren, eine Verabredung zu einer weiteren Runde oder auch Urabstimmung und Erzwingungsstreik.
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