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Veröffentlicht am 24.05.2023 04:47

Wie wir unsere Stimme gut pflegen

Wenn die Heiserkeit nicht gehen will, sollte man sie ärztlich abklären lassen. (Foto: Monique Wüstenhagen/dpa-tmn)
Wenn die Heiserkeit nicht gehen will, sollte man sie ärztlich abklären lassen. (Foto: Monique Wüstenhagen/dpa-tmn)
Wenn die Heiserkeit nicht gehen will, sollte man sie ärztlich abklären lassen. (Foto: Monique Wüstenhagen/dpa-tmn)

In vielen Berufen ist man darauf angewiesen, dass die Stimme funktioniert. Für Deutschland gilt: „Jeder Zweite hat hier einen Kommunikationsberuf.“ Das sagt die Sprechwissenschaftlerin Prof. Ulla Beushausen.

Dazu zählt der Callcenter-Mitarbeiter, aber auch die Lehrerin, der Erzieher, die Juristin oder der Pfarrer. „In der Reihenfolge sind diese und andere Berufsgruppen besonders durch eine Stimmstörung bedroht“, sagt Ulla Beushausen, die an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim tätig ist.

Ihnen allen kann passieren, dass ihr Stimmklang dauerhaft beeinträchtigt und ihre Stimme weniger belastbar wird. Und dass sie deswegen ihren Beruf vielleicht nicht mehr voll ausüben können. „Ihre Stimme pflegen sollten also all diejenigen, die viel sprechen müssen und auf ihre Stimme angewiesen sind“, sagt Ulla Beushausen.

Sprechen und singen in der Kindheit trainiert die Stimme

Aber wie macht man das? „Am besten schon von Kindheit an, denn unser gesamter Organismus ist auf Dauerleistung ausgelegt“, sagt Prof. Bernhard Richter vom Freiburger Institut für Musikermedizin. Heißt: Wir sollten unserer Stimme regelmäßig benutzen. „Tun wir das von Kindesbeinen an, ist unsere Stimme wunderbar geölt und gepflegt“, sagt er.

Richter schließt dabei explizit das Singen mit ein. „Das Beste, was Sie tun können, ist mit ihren Kindern von Beginn an Wiegen- und Kinderlieder zu singen“, sagt Richter, der auch Autor („Die Stimme“) ist.

In einer Studie hat er zusammen mit Kollegen die Probanden danach gefragt, ob sie im Chor singen. „Die kleine Gruppe, die das tatsächlich gemacht hat, hatte die signifikant besser ausgebildete Stimme.“ Singen hat damit protektive Effekte, stärkt und schützt die Stimme also.

Viel trinken ist auch für die Stimme wichtig

Damit die Stimme allerdings gut funktionieren kann, braucht sie genug Feuchtigkeit. Häufig werden Hausmittel empfohlen wie Lutschtabletten oder Gurgelmittel, um die Befeuchtung zu verbessern. Damit könne man seine Stimme jedoch nur bedingt pflegen, sagt Richter. „Das Wichtigste ist definitiv die Flüssigkeitszufuhr, da diese Mittel nur dann wirken können, wenn man ausreichend getrunken hat.“

Zuckerfreie Bonbons zu lutschen, kann aber durchaus helfen. „Der Schluckvorgang beim Lutschen entspannt die äußere Kehlkopfmuskulatur“, sagt Ulla Beushausen.

Stichwort Kehlkopf: Er ist die Verbindung zwischen Rachen und Luftröhre und für unsere Stimme zentral. Denn in ihm liegen die Stimmlippen. Mithilfe der Stimmbänder und der Kehlkopfmuskeln lassen sie sich zum Beispiel öffnen oder anspannen. Dadurch entstehen Töne, die wir durch die Bewegungen von Zunge und Lippen zu Worten formen können.

Die Stimme nicht überlasten - sondern gezielt trainieren

Wichtig zu wissen ist: Die Stimme hat auch ihre Grenzen. Überschreitet man sie, drohen Schäden. Die Leistungsfähigkeit der Stimme sollte also zu dem passen, was im Alltag von ihr gefordert wird. „Jeder Stimmenbenutzer, der das beruflich macht, sollte sich deswegen um eine Stimmbildung kümmern“, sagt Bernhard Richter. Das könne man genauso erlernen wie Tanzen.

Dabei lernt man auch, was man beim Sprechen vermeiden sollte. Laut Beushausen sind das zum Beispiel exzessives Räuspern, lautes Schreien mit falscher Technik, Nuscheln, Pressen beim Singen und Sprechen im Störschall, also zum Beispiel gegen Baulärm. „All das kann den muskulären Apparat des Kehlkopfes zu sehr anstrengen“, sagt sie.

Eine Überanstrengung der Muskeln ist die Ursache für die meisten Stimmprobleme. Hat man seine Stimme zu sehr beansprucht oder falsch genutzt, sendet sie erste Anzeichen. „Das können Stimmklangveränderungen wie Heiserkeit, Rauigkeit und Missempfindungen sein wie auch Schmerz, Brennen und Engegefühl im Hals“, sagt Ulla Beushausen.

Später kommt eine körperliche Abgeschlagenheit nach langen Sprechphasen dazu und schließlich Stimmermüdung bis hin zum Wegbleiben der Stimme. Ein typisches Beispiel dafür: der Clubbesuch am Samstag und die anschließende Heiserkeit, die erst am Wochenanfang wieder verschwindet.

Stimme versagt? Das kann verschiedene Gründe haben

Und wenn die Stimme auf einmal ganz weg ist? „Zuerst muss man verstehen, warum die Stimme nicht da ist“, sagt Bernhard Richter. „Bin ich aufgeregt? Habe ich einen Infekt? Ist die Stimme akut überlastet?“ Nach der Ursache richtet sich, was am besten zu tun ist.

Bei einer Erkältung seien meistens Viren schuld. „Dann braucht man einfach Geduld.“ Wenn der Grund eine Überlastung ist, sollte man dem vorbeugen und zum Beispiel seinen Vortrag vorher üben, so Richter. Damit vor Publikum die Stimme später nicht aus Nervosität wegbleibt.

Dauern die Stimmbeschwerden länger als sechs Wochen an, empfiehlt Beushausen, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Ein HNO-Arzt oder eine Phoniaterin kann mithilfe eines Geräts in den Kehlkopf hineinsehen und das Aussehen und Schwingungsverhalten der Stimmlippen beurteilen. „Außerdem werden auch akustische Analysen der Stimme durchgeführt und der Grad der Heiserkeit bestimmt.“

Zudem sei auch die subjektive Einschätzung wichtig, wie hoch beispielsweise der Leidensdruck des Patienten oder der Patientin ist. „Der Arzt wird dann eine logopädische Behandlung verordnen“, sagt Beushausen. Das kann eine Stimmtherapie sein.

Stimmtherapeuten wie Beushausen „vermitteln dann eine ökonomische Stimmtechnik, um die Patienten zu ermächtigen, die Überlastung im Stimmapparat selbst zu regulieren“. Dabei spielen Atmung, Körperhaltung und -spannung sowie die Artikulation eine Rolle.

© dpa-infocom, dpa:230523-99-799071/2


Von dpa
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