Stück für Stück schaufelt ein Bagger die oberste grüne Bodenschicht ab und lädt sie auf eine Art LKW mit Kettenantrieb. Was bleibt, ist eine weiträumige dunkelbraune Mondlandschaft im Göldenitzer Moor südöstlich von Rostock.
„Das wird noch gut anderthalb Jahre dauern, zwei, bis die ganze Fläche abgetragen ist“, sagt Christian Mann, Betriebsleiter der Rostocker Humus & Erden GmbH. Bis zur eigentlichen Ernte seien es dann noch einmal anderthalb Jahre. Gewachsen ist der Rohstoff noch viel langsamer, um den es hier geht: Torf.
Er ist rar, seine Nutzung setzt CO2 frei - es gäbe viele Gründe, aus dem Torf auszusteigen. Aber er hat auch viele Vorteile für den Garten- und Gemüsebau, die einen Ausstieg schwer machen.
Über Tausende Jahre sind in Mooren Pflanzenteile unter Wasser nicht vollständig zersetzt worden. Daraus ist Torf entstanden. Er ist keimarm und sein PH-Wert, seine sehr gute Wasser-Speicherfähigkeit und homogene Zusammensetzung machen ihn zum idealen Ausgangsstoff für Substrate für Pflanzen.
Im Gegensatz etwa zu Sand ist Torf nicht mineralisch, sondern besteht aus Biomasse und enthält Kohlenstoff. Wenn er trocknet, setzt er diesen in Form von Kohlenstoffdioxid frei - ein Treibhausgas.
Um das Klima zu schützen, wirbt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) deshalb mit einer Kampagne bei Gärtnern und Gärtnerinnen dafür, auf torffreie Pflanzenerde zurückzugreifen.
Laut Philip Testroet vom Industrieverband Garten (IVG) macht Torf bei den im deutschen Hobbybereich verkauften Substraten durchschnittlich einen Anteil von 43 Prozent aus. Der Rest entfalle mittlerweile auf Ersatzstoffe. Im Profibereich seien es 77 Prozent Torf. Es werde „an allen Ecken und Enden geforscht“, was Alternativen angeht. „Das kann Kokos sein, das können Holzfasern sein, Kompost oder Rindenhumus.“ Dennoch werde man mittelfristig nicht auf Torf verzichten können.
Das sieht auch Felix Grützmacher vom Naturschutzbund (Nabu) so. „Das ist nun mal leider so.“ Er verweist etwa auf den Gemüseanbau. Angesichts der benötigten Mengen stünden nicht ausreichend Alternativstoffe in guter Qualität zur Verfügung.
Um Torf-Alternativen und entsprechende Herausforderungen soll es am morgigen Donnerstag beim Deutschen Torf- und Humustag gehen, wenn sich im niedersächsischen Bad Zwischenahn die Substratindustrie trifft.
In Deutschland wird Torf laut BMEL vor allem in Niedersachsen abgebaut. 90 Prozent der Flächen befänden sich in dem Bundesland. Weitere Bundesländer mit Torfabbau seien Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg. Dazu werden schon seit langem keine intakten Moore mehr trockengelegt. Vielmehr werden schon entwässerte Flächen, die zuvor vor allem landwirtschaftlich genutzt wurden, abgebaut. Durch den Abbau und die Nutzung des Torfes beschleunigen sich allerdings die Treibhausgasemissionen.
Die Substratindustrie geht davon aus, dass wegen auslaufender Genehmigungen spätestens 2040 Schluss ist mit dem Abbau in Deutschland. Doch schon ab 2030 rechnet Testroet nur noch mit „homöopathischen Dosen“. Die Menge des in Deutschland gewonnenen Torfes halbiere sich alle fünf Jahre. Aktuell werde noch zwischen drei und vier Millionen Kubikmeter pro Jahr abgebaut.
Er warnt davor, dass künftig Importe fehlende hiesige Produktion ersetzen könnten. Aktuell komme die Hälfte des in Deutschland verwendeten Torfes aus dem Ausland. Gleichzeitig exportiere Deutschland Substrate etwa in den Mittelmeerraum, wo wiederum etwa Paprika, Tomaten oder Gurken für den deutschen Markt produziert würden.
Deutschland und die Niederlande seien zusammen die größten Substratproduzenten Europas und stünden zusammen für mehr als die Hälfte der europäischen Substratproduktion. Unser westlicher Nachbar habe aber keinen eigenen Torfabbau mehr und setze viel stärker etwa auf Kokos.
Auch Grützmacher vom Nabu sagt, „lieber Torfabbau in Deutschland als im Ausland“. Durch Importe verlagere man nur den CO2-Fußabdruck ins Ausland, zumal die Umweltstandards hierzulande höher seien. Generell spreche er sowieso lieber über Torfnutzung. Diese müsse sinken. Für Stiefmütterchen, die im Supermarkt an der Kasse stünden, oder ähnliche Wegwerfprodukte sei Torf zu schade. Auch in den heimischen Garten gehöre er nicht. Statt dort „immer alles passend zu machen, wie man es gerne hätte“, gelte es, eher zu schauen, welchen Boden man habe, und entsprechend anzubauen.
Grützmacher akzeptiere zwar, dass es für eine gewisse Zeit weiterhin nicht ohne Torf gehe, ihm fehlten aber eine Strategie und ein Zeitplan, was den Ausstieg angeht. Dabei müsste es seiner Meinung nach um steigende Beimischungsquoten für Torf-Alternativen gehen. Diese sollten nicht nur freiwillig, sondern per Ordnungsrecht vorgeschrieben werden. Mit den vorliegenden Maßnahmen etwa im Rahmen der Moorschutzstrategie der Bundesregierung würden die Pariser Klimaschutzziele nicht erreicht.
Nach Einschätzung des BMEL könnte die Einstellung der Torfnutzung in Deutschland jährlich gut zwei Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die Gesamtemissionen aus entwässerten Mooren in Deutschland liegt den Angaben zufolge bei etwa 54 Millionen Tonnen jährlich.
Im Gegensatz zu anderen Nutzungen entwässerter Moore - etwa für die Landwirtschaft - sind Torfabbaubetriebe gesetzlich zu einer anschließenden Renaturierung verpflichtet. Wie gut dies gelingt, ist laut Grützmacher sehr unterschiedlich. „Jedes Moor ist anders.“
Gut geklappt hat es zum Beispiel im Teufelsmoor wenige Kilometer nordöstlich des Göldenitzer Moors bei Rostock. Hier hat der Vorgängerbetrieb der Rostocker Humus & Erden GmbH bis zur Wende industriell Torf abgebaut. Danach wurde ein Schutzgebiet ausgewiesen. Bereits zuvor war auf Teilen die Restaurierung des Moores angelaufen. Diese wurde nach der Wende fortgesetzt also beispielsweise Flächen unter Wasser gesetzt und Entwässerungsgräben geschlossen.
Mittlerweile wächst das Moor wieder und bildet pro Jahr etwa einen Zentimeter neuen Torf. Statt über eine Mondlandschaft fliegt hier heutzutage der Hochmoor-Bläuling, ein seltener Schmetterling, über typische Moorpflanzen wie Torfmoos, Sonnentau und Besenheide.
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