Weil er im März 2022 seine Nachbarin vergewaltigt hat, ist ein 27-Jähriger am Freitag vom Ansbacher Landgericht zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Zu Gunsten des Angeklagten wurde gewertet, dass er gestand. Er betonte: „Ich bereue zutiefst, was ich getan habe, und entschuldige mich ausdrücklich.“
Laut Urteil hat der 27-Jährige seine Nachbarin in seiner Wohnung in Ansbach mit Gewalt zum oralen und vaginalen Geschlechtsverkehr gezwungen. Dabei fügte er ihr erhebliche Schmerzen und Verletzungen zu.
Als die junge Frau Anfang Mai Anzeige erstattete, gab sie an, dass sie sich heftig gewehrt und Todesangst gehabt hatte, weil sie zeitweise keine Luft mehr bekam, erinnerte sich eine Polizeibeamtin am ersten Verfahrenstag im Zeugenstand. „Ich habe um mein Leben gestrampelt“, so habe sie sich ausgedrückt.
Auf Anregung von Verteidiger Dr. Jahn-Rüdiger Albert hatte das Gericht am ersten Verhandlungstag eine Verständigung vorgeschlagen. Im Fall eines umfassenden Geständnisses und einer sofortigen Schmerzensgeldzahlung von 5000 Euro werde dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen sechseinhalb und siebeneinhalb Jahren in Aussicht gestellt, sagte der Vorsitzende Richter Claus Körner. Staatsanwältin Elke Beyer und der Angeklagte signalisierten Zustimmung. Durch eine Verständigung soll ein Prozess verkürzt und in diesem Fall der Geschädigten die Aussage erspart werden. Das Schmerzensgeld übergab der Angeklagte in bar an die Anwältin der Nebenklage, Karin Meyer-Weber.
Richter Körner verlas eine psychologische Stellungnahme, aus der hervorgeht, dass die 24-Jährige seit der Tat an einer posttraumatischen Belastungsstörung, an Panikattacken und an depressiven Einbrüchen leidet. Sie habe Alpträume, könne nicht mehr schlafen und hege Selbstmordgedanken, erzählte ihre beste Freundin als Zeugin. Außerdem habe sie sich komplett verändert. Von einer lebenslustigen jungen Frau, die viel lachte, sei sie zu „jemandem mit leerem Blick, der nur noch körperlich anwesend ist“ geworden. Die 24-Jährige ist seit drei Monaten krankgeschrieben. „Sie ist antriebslos und fühlt sich vom Alltagsleben überfordert“, so die Freundin weiter. Sie isoliere sich und gehe kaum mehr aus dem Haus.
Staatsanwältin Elke Beyer lastete dem Angeklagten schwer an, dass er das Vertrauen seiner Nachbarin ausnutzte. Die Tat hatte sich nach einem Discobesuch am frühen Morgen ereignet. Die junge Frau hatte ihren Wohnungsschlüssel im Auto einer Freundin vergessen, die früher gegangen war. Da bot ihr der Nachbar – ein Bekannter – an, sie bei sich übernachten zu lassen.
Bei der Polizei gab die junge Frau an, zunächst Bedenken gehabt zu haben. Dann habe sie das Angebot doch angenommen, nachdem der Angeklagte ihr versichert habe, er werde nicht übergriffig. In seiner Wohnung zwang er sie jedoch mit Gewalt zu sexuellen Handlungen, obwohl sie deutlich zu verstehen gab, dass sie das nicht wollte. Sie weinte und wehrte sich nach Leibeskräften. Erst nach zweistündigen Martyrium gelang ihr die Flucht über die Terrasse.
Die Staatsanwältin plädierte dafür, den Angeklagten der Vergewaltigung und Körperverletzung schuldig zu sprechen. Sie beantragte siebeneinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Der Angeklagte sei in vielen einzelnen erniedrigenden Teilakten brutal vorgegangen, das habe beim Opfer tiefe Kerben geschlagen.
Nebenklageanwältin Karin Meyer-Weber zeigte sich erleichtert, dass ihrer Mandantin durch das Geständnis eine Aussage vor Gericht erspart blieb. „Nun kann sie endlich ihre Therapie beginnen.“ Dennoch befürchte sie, dass die junge Frau arbeitsunfähig bleibt. „Das ist allein das Verschulden des Angeklagten.“ Verteidiger Jahn-Rüdiger Albert beantragte für seinen Mandanten, dass die Freiheitsstrafe sechseinhalb Jahre nicht überschreiten soll.
Am zweiten Verhandlungstag trat das Gericht erneut in die Beweisaufnahme ein, weil sich bei der Beratung der Richter noch Fragen ergeben hatten. Es wurden zwei weitere Zeugen vernommen – Freunde des Angeklagten, die beim Discobesuch ebenfalls dabei waren. Ziel war, herauszufinden, wie betrunken der 27-Jährige zum Tatzeitpunkt war. Denn die Alkoholisierung hätte Einfluss auf seine Schuldfähigkeit haben können. Verteidiger Albert betonte, es gehe darum, ein rechtssicheres Urteil zu bekommen. Kein Zeuge beschrieb jedoch größere alkoholbedingte Einschränkungen. Der Angeklagte habe sich noch unter Kontrolle gehabt.
Nach nochmaliger Rücksprache mit ihrer Mandantin teilte die Nebenklageanwältin mit, diese betrachte das Schmerzensgeld zwar als gewissen Ausgleich. „Eine richtige Genugtuung wäre es aber nur, wenn sie wüsste, dass er nie wieder in ihre Nähe kommt.“
Die Absicht seines Mandanten sei nicht, sich in Zukunft in der Nähe seines Opfers oder überhaupt in der gleichen Stadt aufzuhalten, entgegnete der Verteidiger. „Bezüglich des Alkohols ist auf jeden Fall von einer Enthemmung auszugehen“, ergänzte er sein Plädoyer. Diese Auffassung teilten Staatsanwältin und Nebenklageanwältin nicht.
Das Gericht sprach den Angeklagten der Vergewaltigung und der Körperverletzung schuldig. Er wurde zu sechs Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Zur Alkoholisierung stellte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung fest: „Es mag eine alkoholische Beeinträchtigung gegeben haben“ – aber keine, die zu einer erheblichen Einschränkung geführt habe. Mit Blick auf die Geschädigte äußerte Körner die Hoffnung, dass sie das Erlebte therapeutisch aufarbeiten kann. „Sie ist eine junge Frau, und da sollte man die Flinte nicht ins Korn werfen.“
Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.
Kristina Schmidl und Andrea Walke