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Veröffentlicht am 24.09.2022 09:01

Fast autark: Familie Bauer lebt in einem Sonnenenergiehaus

Gerhard und Helga Bauer haben in den 1990er-Jahren in Leutershausen ein nach baubiologischen Kriterien errichtetes Sonnenenergiehaus errichtet. Ihre vierköpfige Familie hat den geringsten Energieverbrauch im Ort.  (Foto  : Kristina Schmidl)
Gerhard und Helga Bauer haben in den 1990er-Jahren in Leutershausen ein nach baubiologischen Kriterien errichtetes Sonnenenergiehaus errichtet. Ihre vierköpfige Familie hat den geringsten Energieverbrauch im Ort. (Foto : Kristina Schmidl)
Gerhard und Helga Bauer haben in den 1990er-Jahren in Leutershausen ein nach baubiologischen Kriterien errichtetes Sonnenenergiehaus errichtet. Ihre vierköpfige Familie hat den geringsten Energieverbrauch im Ort. (Foto : Kristina Schmidl)

Als sich Gerhard und Helga Bauer 1995 ihren Traum von einem ökologisch ausgerichteten und nach baubiologischen Kriterien erstellten Sonnenenergiehaus erfüllt haben, wurden sie oft belächelt. Doch das hat sich komplett geändert. Insbesondere seit der Energiekrise. Denn Bauers sind in Sachen Energie weitgehend autark.

Die Hauptmotivation für ihr baubiologisch errichtetes Sonnenhaus liegt im christlich geprägten Weltbild von Helga und Gerhard Bauer. „Wir wollten ein Eigenheim bauen, ohne die Natur dabei auszubeuten und der Schöpfung zu schaden“, sagt Gerhard Bauer. Weitere Ziele waren, dass es in dem Haus auch möglich ist, auf einer Ebene zu leben, für den Fall, dass das Thema Barrierefreiheit eines Tages relevant werden sollte, und dass das Haus langfristig möglichst wenig Kosten verursacht.

Bereits bei der Auswahl des Bauplatzes und bei der Planung des Gebäudes legte das Paar Wert darauf, dass es zur Sonne ausgerichtet ist. „Wir haben auf Kühlrippen wie Erker verzichtet und einen quadratischen Grundriss gewählt, um so ein optimales Verhältnis von Wohnraum zur Oberfläche zu erzielen“, erläutert der 63-Jährige. Warme Räume wie Wohn- und Esszimmer, Küche und Kinderzimmer, liegen im Süden, kalte Räume wie Speisekammer und Technikraum im Norden.

Im Sommer brodeln die Kochtöpfe im Garten

Als Baustoffe verwendeten Bauers schwerpunktmäßig in der Region hergestellte und ökologisch verträgliche Materialien. „Denn irgendwann wird ein Haus ja auch wieder abgerissen und wir wollen nicht, dass dann Schadstoffe zurückbleiben“, erklärt Gerhard Bauer.

Das zweischalige Mauerwerk im Erdgeschoss ist einen halben Meter dick und besteht aus Tonziegeln. Gemauert, verputzt und gestrichen wurde ausschließlich mit Kalk. Das Obergeschoss wurde in Holzständerbauweise aus einheimischen Fichten, Kiefern und Lärchen errichtet. Für die Dämmung von Wänden, Decken und Dach verwendeten Bauers Hanf, Flachs, Schafwolle und Holzweichfaserplatten.

Ausgemauert worden sind die im Holzfachwerk errichteten Zwischenwände und Dachschrägen ausschließlich mit Lehm. Böden, Decken, Türen, Fenster und Treppen wurden aus Massivholz gefertigt, das zum Teil sogar aus dem eigenen Wald stammt. Hölzer und Tonfliesen im Nassbereich wurden mit natürlichen Ölen und Wachsen behandelt.

Hinsichtlich der Wärmegewinnung setzen Bauers auf Altbewährtes: Ein Grundofen, den die Familie, zu der auch die beiden Söhne Simon (25) und David (22) zählen, mit eigenem Holz befeuert, wärmt das gesamte Haus. „Wir schüren den Ofen auch im kältesten Winter nur einmal täglich für höchstens eineinhalb Stunden. Dabei speichert der Ofen Wärme, die er über 24 Stunden verteilt abgibt“, sagt Gerhard Bauer.

Der Holzverbrauch ist dadurch gering. Eine gut gefüllte Holzkarre reicht eine ganze Woche lang. Pro Jahr reichen der Familie sieben Ster Holz aus, um das Haus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche warm zu halten“, erzählt der 63-Jährige.

Auch zum Kochen

In der Heizperiode nutzen Bauers den Grundofen auch zum Kochen. Bei einem Stromausfall, können sie also trotzdem heizen und kochen. Seit 2008 kochen Bauers in den Sommermonaten im Garten auf einem Sonnenofen, den Gerhard Bauer im Rahmen eines CVJM-Jungscharprojekts mit Kindern aus größtenteils recyceltem Material gebaut hat.

Er ist in Form einer Kiste leistungsfähig und groß genug, um für bis zu 20 Personen zu kochen. Eine Granitplatte in einer Holzkiste, die auf Scharnieren mit dem Stand der Sonne gedreht werden kann, dient als Kochplatte. Sie heizt sich dank Isolierung und einem Sonnenspiegel auf bis zu 120 Grad auf und bietet vier Töpfen Platz.

Eine Solaranlage mit Heizungsunterstützung erzeugt das Warmwasser und beheizt in der Übergangszeit die Wohnräume.

Regenwasser zum Händewaschen

In drei Zisternen mit insgesamt 20 Kubikmetern Volumen fangen Bauers Regenwasser auf, das sie im Haus – etwa zur Toilettenspülung, zum Wäschewaschen und Putzen –nutzen, und draußen zum Gießen des Gemüsegartens.

Strom generiert Familie Bauer über Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Mit der Gesamtleistung von jährlich 7,2 Kilowatt-Peak (KWp) werden 7000 Kilowattstunden pro Jahr ins Netz eingespeist.

Der Stromverbrauch wird durch abschaltbare Steckdosen und die Vermeidung von stillen Verbrauchern im Stand-by-Betrieb gedrosselt. „Der Energieverbrauch in unserem Vier-Personen-Haushalt ist mit 1000 Kilowattstunden im Jahr trotz elektrisch beheizter Sauna extrem niedrig“, ordnet Gerhard Bauer ein.

2009 erhielten er und seine Frau für ihr Hauskonzept den westmittelfränkischen Energiepreis. Doch das Paar rüstet trotzdem immer weiter nach, um noch mehr im Einklang mit der Schöpfung zu leben. Kurze Strecken werden mit dem Fahrrad zurückgelegt, weitere möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem E-Auto. Betankt wird es mit Strom aus einer PV-Anlage auf dem Carport.

„Durch verschiedene Maßnahmen ist der Bezug aus dem Stromnetz auf unter 200 kWh im Jahr gesunken. „Wir sind also zu 95 Prozent energieautark“, sagt Gerhard Bauer.

Handwerklich geschickt

Er ist Maschinenbautechniker in Altersteilzeit, auf einem Bauernhof aufgewachsen und deshalb handwerklich sehr geschickt. Daher konnte er beim Hausbau vieles in Eigenleistung umsetzen. „Würde man alles machen lassen, wäre es schon deutlich teurer, ein solches Haus zu bauen als ein konventionelles“, gibt er zu. „Aber langfristig spart man sich auch viel Geld.“ Insbesondere, wenn man, wie er, auf einfache Gebäudetechnik setzt, die nur selten repariert werden muss.

Im Sommer spielt sich das Leben zum Großteil im Garten ab, wo der Familienvater Gemüse, Salat, Obst und Beeren anbaut – zum Eigenbedarf oder um es zu verschenken. „Ich koche saisonal und kaufe in der warmen Jahreszeit so gut wie kein Gemüse hinzu“, sagt Helga Bauer.

In solch einem besonderen Haus mit Garten zu leben, „das macht Spaß“, findet Gerhard Bauer. Das Sonnenhauskonzept hat sich für ihn seit 28 Jahren bewährt. Und gerne gibt er das Wissen, dass er sich im Laufe der Zeit beim Bauen und Nachrüsten angeeignet hat, auch weiter – etwa in Vorträgen.


Kristina Schmidl
Kristina Schmidl
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