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Veröffentlicht am 08.07.2022 18:14

Über den Wipfeln des Birkenfelser Forstes

Mitten im Birkenfelser Forst wurde ein Bürgerwindpark als Gemeinschaftsprojekt der kommunalen Allianz NorA verwirklicht. Der Spatenstich erfolgte im Mai 2015. (Foto: Andrea Walke)
Mitten im Birkenfelser Forst wurde ein Bürgerwindpark als Gemeinschaftsprojekt der kommunalen Allianz NorA verwirklicht. Der Spatenstich erfolgte im Mai 2015. (Foto: Andrea Walke)
Mitten im Birkenfelser Forst wurde ein Bürgerwindpark als Gemeinschaftsprojekt der kommunalen Allianz NorA verwirklicht. Der Spatenstich erfolgte im Mai 2015. (Foto: Andrea Walke)

Einen spektakulären Aussichtspunkt hat eine Gruppe Höhenbegeisterter rund um Flachslandens Bürgermeister Hans Henninger erklommen. An einem Spätsommertag genossen sie die Aussicht von einem der vier Windräder im Bürgerwindpark Birkenfels.

Seit fünf Jahren produziert der NorA-Bürgerwindpark saubere Energie. Henninger hat den Ausblick vom Windrad als „Höhepunkt“ im Ferienprogramm angeboten. Weil der Aufstieg aber nicht ungefährlich ist und die Gurte festsitzen müssen, ist das Angebot erst für ältere Jugendliche geeignet. In den Genuss kommen Jan Westernacher und Moritz Reeg gemeinsam mit der künftigen Jugendbeauftragten der Gemeinde, Martina Albert.

Rund 5,5 bis sechs Millionen Kilowattstunden Energie produziert das Windrad im Jahr, die Nabe befindet sich auf einer Höhe von 140 Metern. „Das ist nichts für Weicheier“, erklärt Bürgermeister Hans Henninger zur Begrüßung. Bevor es nach oben geht, werden alle mit Klettergurten und Helmen ausgestattet. Reinhold Zeilinger, Geschäftsführer des Windparks, weist in die Benutzung ein.

Das Windrad von innen

„Ich denk’, man kann weit sehen“, freut sich der 15-jährige Moritz Reeg. Auch Jan Westernacher hofft auf einen tollen Ausblick. Außerdem interessiert ihn, „wie so ein Windrad von innen aufgebaut ist“.

Je drei Personen passen in den kleinen Aufzug. Innen ist es eng, beim Anfahren ruckelt es leicht. Vom Metallkorb aus kann man das Innere des Windrads betrachten. Die untere Verschalung ist aus Beton, schwarze Seile verspannen den Turm. „Sonst könnte er kippen“, erklärt Zeilinger. Die oberen 40 Meter bestehen aus Metallsegmenten, die im Wind nachgeben. „Das ist wie beim Getreidekorn.“

Etwa sieben Minuten dauert die gemächliche Fahrt mit der motorbetriebenen Aufstiegshilfe. Das letzte Stück erfordert dann Kondition. „Wir müssen ungefähr 20 Meter mit der Leiter hoch“, verkündet Zeilinger. Damit sie nicht fallen können, wenn sie abrutschen oder gar ohnmächtig werden, müssen sich die Teilnehmer dort selbst sichern. Gleiches gilt, wenn passiert, was eigentlich nicht passieren soll und der Aufzug steckenbleibt. Dann muss der restliche Weg – hinauf oder hinab – auf der Leiter bewältigt werden. Auch Abseilen geht im Notfall.

Die Anlage schaltet bei starkem Wind ab

Etwa einmal im Jahr besteigt Zeilinger alle vier Windräder. Anhand einer Checkliste überprüft er, ob sie ordnungsgemäß funktionieren und ob Wartungen anstehen. Ob er selbst schon mit dem Aufzug steckengeblieben sei? „Ein paar Mal“, antwortet er leichthin und lacht. „Ich bin schon mal runtergelaufen.“ Etwa zehn Minuten länger als mit dem Aufzug brauchte er.

Mehrere Sicherheitssysteme garantieren den reibungslosen Betrieb der Windräder. „Wenn der Wind zu stark ist, schaltet die Anlage ab“, ebenso bei vereisten Rotorblättern. Ein Wasserstandsmelder signalisiert eindringendes Wasser. „Die Anlagen werden aus der Ferne überwacht“, erzählt der Geschäftsführer. Wenn eine Wartung ansteht oder Zeilinger Besucher hinaufführt, schaltet er den Strom ab, dann stehen die Rotorblätter still.

Nach dem Aufstieg über die Leiter kommt man in der Gondel an – und hat es fast geschafft. Moritz Reeg findet, dass es eigentlich gar nicht so anstrengend war. „Aber von ganz unten bis oben würde ich es nicht machen“, räumt er ein.

Eine Luke für die Wartung

Zeilinger präsentiert die Nabe, welche die Verbindung zu den Rotorblättern herstellt. Als Nächstes öffnet er die Wartungsluke, durch die schwere Ersatzteile mittels eines kleinen Krans hinaufgehievt werden können. Die Besucher dürfen einen Blick hinaus riskieren. Wer nach unten auf ein Meer aus Bäumen schaut, sollte schwindelfrei sein.

Anschließend geht es endlich ins Freie, auf die Decke der Gondel. „Wenn wir dort oben stehen, ist das erste: Anschnallen“, mahnt Reinhold Zeilinger eindringlich. Mit einem Karabiner haken sich die Besucher ein. Dann dürfen sie die Aussicht genießen. Und die ist atemberaubend: Über Wald und Felder, Ortschaften und Biogasanlagen gleitet der Blick. Am Horizont drehen sich weitere Windräder, winzig wirken sie von hier aus. Die Sicht reicht bis Nürnberg an diesem klaren Tag. Hans Henninger stellt zufrieden fest: „So ein Bürgermeister-Job – das hat auch was Geiles, wenn man es schafft, so einen Windpark zu bauen.“

Andrea Walke

Dieser Artikel erschien erstmals am 11. September 2021 in der FLZ.


Andrea Walke
Andrea Walke

... ist Redakteurin in der Lokalredaktion Ansbach und seit Dezember 2012 bei der FLZ. Sie fühlt sich in Rathäusern genauso wohl wie in Gerichtssälen und trifft am liebsten Menschen, die eine interessante Geschichte zu erzählen haben. Seit 2017 betreut sie redaktionell die Aktion "FLZ-Leser helfen".

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