FLZ-Leser helfen: Ein Leben für die kleine Tochter | FLZ.de

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Veröffentlicht am 24.02.2023 14:28

FLZ-Leser helfen: Ein Leben für die kleine Tochter

Mutter und Tochter Hand in Hand. Der kleine Engel an ihrem Armband soll die Fünfjährige beschützen. (Foto: Andrea Walke)
Mutter und Tochter Hand in Hand. Der kleine Engel an ihrem Armband soll die Fünfjährige beschützen. (Foto: Andrea Walke)
Mutter und Tochter Hand in Hand. Der kleine Engel an ihrem Armband soll die Fünfjährige beschützen. (Foto: Andrea Walke)

Die kleine Lisa T. (alle Namen geändert) hat eine seltene Krankheit und ist mit schweren Behinderungen zur Welt gekommen. Von ihren Eltern wird die heute Fünfjährige liebevoll gepflegt. Um das Mädchen überhaupt noch transportieren zu können, braucht die Familie ein Fahrzeug mit behindertengerechten Umbauten.

Im Januar ist Lisa fünf Jahre alt geworden – ein Alter, in dem andere Kinder die Welt entdecken, jeden Tag Neues lernen, in den Kindergarten gehen, Freundschaften schließen. All das ist für Lisa unmöglich. „Die Schwangerschaft war ganz normal. Wir wussten nicht, dass sie so schwer krank ist“, erzählt Lisas Mutter Susanne T. Erst nach der Geburt, als das Baby nicht trank und die Sauerstoffsättigung nach unten ging, war klar, dass etwas nicht stimmt. Der Säugling kam auf die neonatologische Intensivstation für Neugeborene.

Am Abend habe der Chefarzt gesagt: „Es kann sein, dass sie die Nacht nicht überlebt“, erinnert sich die 42-jährige Mutter. „Sie wussten nicht, was sie hat und was sie hätten machen können.“ Etwa eine Woche blieb das Mädchen auf der Neonatologie, dann wurde es auf die normale Kinderstation verlegt. Anfangs musste Lisa künstlich beatmet werden. Sie konnte nicht selbstständig trinken und litt an einer Muskelhypotonie – die Muskelspannung fehlte. „Die Zeit war ganz schlimm für mich, weil ich genau wusste, dass es was Schlimmes ist“, blickt die Mutter zurück. Vater Matthias T. klammerte sich noch an die Hoffnung, dass es eine Entwicklungsverzögerung sein könnte.

Eine Odyssee von Arzt zu Arzt

Die ersten drei Monate wurde Lisa über eine Sonde ernährt. Für die Eltern begann eine Odyssee von Arzt zu Arzt, von Krankenhaus zu Krankenhaus. Organisch ist ihre Tochter eigentlich gesund, aber sie leidet an einer schweren Epilepsie, hat mehrmals täglich Anfälle. Etwa zwei Jahre dauerte es, bis eine Diagnose vorlag. Lisas Erkrankung ist so selten, dass sie nur eine Buchstaben-/Ziffernkombination im Namen trägt. Nur etwa zehn bis 20 Mal wurde sie bisher weltweit nachgewiesen, berichten die Eltern.

Gesichert ist, dass es sich nicht um eine Erbkrankheit handelt, sondern um eine Spontanmutation. In gewisser Weise war diese Information eine Erleichterung für das Paar und ausschlaggebend für die Entscheidung, noch ein zweites Kind zu bekommen. „Kein Mensch kann was dafür.“ Eine Therapie für Lisas Krankheit existiert nicht – sie bekommt aber drei verschiedene Epilepsiemedikamente und kann zu Hause betreut werden. „Es gibt Anfälle, die sind lebensgefährlich“, schildert Susanne T. Im schlimmsten Fall hört Lisa auf, zu atmen.

„Es ist eine lebensverkürzende Erkrankung”

Mit der Zeit lernten die Eltern, mit den täglichen Anfällen umzugehen. Dennoch müssen sie mit dem Gedanken leben, ihre Tochter nicht für immer bei sich zu haben. „Es ist eine lebensverkürzende Erkrankung“, stellt der 53-jährige Matthias T. fest. Eine Prognose gibt es nicht, dafür weiß man zu wenig über die Krankheit.

Der Gendefekt sorgt dafür, dass die Kommunikation zwischen Gehirn, Nerven und Muskeln gestört ist, erklärt der Vater. Deshalb kann Lisa auch nicht sehen. „Die Augen sind okay, aber die Verbindung funktioniert nicht“, ergänzt Susanne T. Das Mädchen muss ein Korsett und Orthesen an den Füßen tragen, ihren Kopf kann sie nicht selbstständig halten. Wegen der Hypotonie ist die Wirbelsäule verkrümmt, auch die Hüfte ist luxiert und müsste operiert werden. Erst rund zweieinhalb Jahre nach Lisas Geburt rangen sich die Eltern dazu durch, einen Pflegedienst in Anspruch zu nehmen. Dieser unterstützt sie stundenweise, auch Physiotherapeuten und eine Logopädin kommen ins Haus.

Vor knapp zehn Monaten bekam die Familie Zuwachs, Lisas Bruder Anton kam auf die Welt – völlig gesund. „Seit der Geburt von dem kleinen Racker sind wir ein bisschen am Anschlag“, bemerkt der Vater. Eine Untertreibung. Der 53-jährige Werbetexter ist in Elternzeit – anders wäre die Betreuung beider Kinder nicht zu stemmen. Seine Frau hat vor Lisas Geburt eine Krippe in der Kita geleitet. Einer Arbeit nachzugehen, ist für sie seitdem nicht mehr möglich.

Der kleine Bruder ist ein großes Glück

Auch wenn Susanne und Matthias T. an ihrer Belastungsgrenze angelangt sind, bedeutet ihr zweites Kind ein großes Glück für sie. Mit seinen Bedürfnissen bringt Anton Normalität in die Familie, die so etwas wie Alltag gar nicht kannte. Lisa haben die Eltern ganz langsam an ihren kleinen Bruder gewöhnt, denn auch Lärm und der damit verbundene Stress kann epileptische Anfälle auslösen. „Jetzt macht es ihr überhaupt nichts mehr aus. Sie weiß, der macht Krach und der gehört dazu.“

Die Eltern sind sicher, dass Lisa etwas wahrnimmt. Sie kann hören, und wenn sie draußen mit ihr spazieren gehen, genießt sie die Sonne. „Sie mag Wärme, und sie mag es, wenn man mit ihr im Buggy unterwegs ist. Das findet sie total schön“, weiß Susanne T. Auch ruhige Musik, Kuscheln und Massagen gefallen der Fünfjährigen. Für Lisas Arzttermine müssen die Eltern inzwischen Krankentransporte beantragen, weil sie nur ein normal großes Auto haben und die Kleine nicht so lange aufrecht sitzen kann. In einem Spezialfahrzeug könnte Lisa im Reha-Buggy, Rollstuhl oder liegend transportiert und bei längeren Fahrten gewickelt werden.

Das Fahrzeug muss umgebaut werden

Matthias T. hat einen Betrieb gefunden, der auf den behindertengerechten Umbau von Fahrzeugen spezialisiert ist. Aber ein Transporter samt Umbau ist teuer – rund 78.000 Euro muss die Familie, die vom Ersparten lebt, zusammenbekommen. Einige Stiftungen haben sich bereiterklärt, einen Teilbetrag zu übernehmen; der Verein „FLZ-Leser helfen“ hat ebenfalls eine Spende in Aussicht gestellt. Trotzdem fehlt noch eine gewaltige Summe.

Auch wenn sich ihr Leben seit Lisas Geburt drastisch verändert hat – ein Pflegeheim kommt für die Eltern nicht in Frage. „Wir können sie nicht in ein Heim geben“, sagt Matthias T. schlicht. „Das ist unsere Tochter.“


Andrea Walke
Andrea Walke

... ist Redakteurin in der Lokalredaktion Ansbach und seit Dezember 2012 bei der FLZ. Sie fühlt sich in Rathäusern genauso wohl wie in Gerichtssälen und trifft am liebsten Menschen, die eine interessante Geschichte zu erzählen haben. Seit 2017 betreut sie redaktionell die Aktion "FLZ-Leser helfen".

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