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Veröffentlicht am 03.08.2022 20:26

Eine zweite Chance

Mit viel Liebe haben Ute Stabnow (rechts) und ihre Kollegen der Projektschmiede die Waren sortiert und präsentiert. Unterstützt wird das Team von der Sozialpädagogin Franziska Koch. (Foto: Simone Hedler)
Mit viel Liebe haben Ute Stabnow (rechts) und ihre Kollegen der Projektschmiede die Waren sortiert und präsentiert. Unterstützt wird das Team von der Sozialpädagogin Franziska Koch. (Foto: Simone Hedler)
Mit viel Liebe haben Ute Stabnow (rechts) und ihre Kollegen der Projektschmiede die Waren sortiert und präsentiert. Unterstützt wird das Team von der Sozialpädagogin Franziska Koch. (Foto: Simone Hedler)

„Wir finden für jeden Mitarbeiter eine passende Tätigkeit. Das kann auch bedeuten, dass wir eine ganz neue Aufgabe definieren.“ Das ist laut Franziska Koch das Ziel der Projektschmiede. Menschen, die sich in der Arbeitswelt schwer tun, sollen hier wieder eine Perspektive erhalten.

Als sozialpädagogische Kraft betreut und unterstützt Franziska Koch die Mitarbeiter der diakonischen Einrichtung. Seit Anfang des Jahres ist diese – nachdem die bisherigen Vorstände altersbedingt aufgehört hatten – Teil des Wertstoffzentrums Veitsbronn. Der vorherige Trägerverein wurde in diesem Zuge zum Förderverein umgewandelt.

Seitdem hat sich einiges in dem sozialen Kaufhaus verändert: „Wir haben die zwei Räume kundenorientierter gestaltet“, berichtet Franziska Koch. In der einen Halle finden Besucher eine große Auswahl an Geschirr, Kleidung, Spielen und Büchern. In der zweiten Halle sind die Möbel untergebracht: Schränke, Sitzgruppen und – neu im Angebot – Betten, Matratzen und elektronische Haushaltsgeräte.

Nach wie vor können Menschen in der Projektschmiede ihre gebrauchten Waren abgeben, die dann zu kleinem Preis weiterverkauft werden. „Die Nachhaltigkeit ist Teil des Konzeptes des Wertstoffzentrums“, sagt dessen kaufmännischer Leiter Leonhard Schneider.

Und noch etwas sei gleich geblieben: Die Projektschmiede sei ein Sprungbrett für den ersten Arbeitsmarkt. „Wir wurden von der Stadt mit offenen Armen empfangen“, berichtet Schneider vom Start im Februar. Erfahrungen bringt der neue Träger ausreichend mit: Er betreibt an weiteren fünf Standorten in Mittelfranken ähnliche Einrichtungen. „Dadurch sind wir gut vernetzt mit Landratsamt und Jobcenter.“ Auch die Mitarbeiter konnten übernommen werden. Derzeit biete die Projektschmiede 17 Menschen durch geförderte Maßnahmen eine berufliche Perspektive, so Schneider.

Eine der wichtigsten Aufgaben sei es anfangs gewesen, Vertrauen aufzubauen, erzählt Franziska Koch. „Dafür haben wir unzählige Gespräche geführt, um jedem ein gutes Gefühl und eine passende Aufgabe zu geben.“ Manche Mitarbeiter haben mit Suchtproblemen zu kämpfen, andere mit psychischen Krankheiten oder finanziellen Nöten, erzählt Koch. Jeder von ihnen hat eine zweite Chance verdient, findet sie.

Für diese zweite Chance steht sie im intensiven Kontakt mit dem Jobcenter, lotet schon bei Vorstellungsgesprächen aus, wo sie den jeweiligen Bewerber einsetzen kann. Ob er seinen Arbeitsplatz in einer vernünftigen Zeit erreichen kann, bei Bedarf mit öffentlichen Verkehrsmitteln, klärt sie zum Beispiel. Außerdem: Welche Art von Aufgaben kann er erfüllen, welche konkreten Probleme gilt es zu berücksichtigen? Kann jemand schlecht stehen oder sitzen, hat er eine Sozialphobie, oder gibt es Sprachprobleme? Manche können nicht lesen und schreiben.

Franziska Koch findet für alles eine Lösung. Die Projektschmiede sei wie eine große Familie, meint Franziska Koch, und mit einem Augenzwinkern: „Und ich bin die Hofmutti.“ Dazu gehört, bei Behördengängen zu unterstützen oder in Familienangelegenheiten zu beraten. Auch erzieherische Maßnahmen seien ab und zu notwendig: „Manche haben nie Grenzen erfahren. Das lernen sie eben jetzt bei uns.“ Mit einer Mitarbeiterin hat sie geübt, wie man richtig putzt, mit einem anderen Kundengespräche trainiert.

Manchmal jedoch reicht diese Unterstützung nicht aus. Dann kümmert sich Franziska Koch um weitergehende Hilfe – zum Beispiel, wenn Drogen oder hohe Schulden im Spiel sind. Leider seien die gesetzlichen Regelungen kompliziert: „Oft jonglieren wir hin und her, um die passenden Maßnahmen zu kombinieren.“

Dazu komme ein enormer Bürokratieaufwand. „Die Maßnahmen sind unterschiedlich befristet, müssen regelmäßig neu beantragt werden“, erzählt Koch, und alles müsse genau dokumentiert werden.

Der Lohn dieses Aufwandes? „Viele kommen wieder auf die richtige Spur“, meint Franziska Koch. Durch Coaching, eine geregelte Tagesstruktur und eine feste Aufgabe finden sie wieder in das Arbeitsleben zurück.

Für die Projektschmiede hat sie zwei Wünsche: „Mehr Kunden“, lautet der erste. „Rund 60 am Tag haben wir, doppelt so viele wären gut.“ Das Team arbeitet daran, die Einrichtung bekannter zu machen: mit Flyern, Kleidercontainern und dem Ausbau des Netzwerkes. Der zweite Wunsch: „Wir suchen für den Standort Rothenburg eine sozialpädagogische Kraft.“ Denn Koch selbst betreut mehrere Standorte und ist nur ein bis zwei Tage pro Woche vor Ort.

Die Projektschmiede (Industriestraße 7, Rothenburg) ist von Montag bis Samstag von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

Simone Hedler

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