Die Flügel des Weißkopf-Fliegers Nr. 21 tragen | FLZ.de

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Veröffentlicht am 15.12.2022 22:40

Die Flügel des Weißkopf-Fliegers Nr. 21 tragen

An eine Fledermaus erinnert das Flugmodell Nr. 21, mit dem Gustav Weißkopf (rechts, mit seiner Tochter Rose und unbekannten Helfern) am 14. August 1901 in Bridgeport (Connecticut) der erste Motorflug der Geschichte geglückt sein soll. Technisch war das nach neuesten Erkenntnissen möglich. (Foto: Archiv)
An eine Fledermaus erinnert das Flugmodell Nr. 21, mit dem Gustav Weißkopf (rechts, mit seiner Tochter Rose und unbekannten Helfern) am 14. August 1901 in Bridgeport (Connecticut) der erste Motorflug der Geschichte geglückt sein soll. Technisch war das nach neuesten Erkenntnissen möglich. (Foto: Archiv)
An eine Fledermaus erinnert das Flugmodell Nr. 21, mit dem Gustav Weißkopf (rechts, mit seiner Tochter Rose und unbekannten Helfern) am 14. August 1901 in Bridgeport (Connecticut) der erste Motorflug der Geschichte geglückt sein soll. Technisch war das nach neuesten Erkenntnissen möglich. (Foto: Archiv)

„Die Nr. 21 war strukturmechanisch in der Lage, abzuheben, zu steigen, geradeaus zu fliegen, in die Kurve zu fliegen, zu sinken und zu landen.“ So lautet das Fazit einer neuen Masterarbeit an der Hochschule München. Bachelor Quirin Hoesch erbrachte mit aufwändigen Computer-Simulationen den Beweis, dass Gustav Weißkopfs Modell 21 flugtauglich war.

Zwar hat es vor 25 Jahren schon erfolgreiche Flugversuche mit einem Nachbau gegeben – doch deren Beweiskraft wurde in Fachkreisen teilweise angezweifelt. 1997 hob Pilot Horst Philipp nach umfangreichen Erprobungen in Manching mit der „21B“ ab – jener Replik, die unter Federführung des Ansbacher Ingenieurs Fritz Bruder entstand.

Die Erbauer hatten größten Wert darauf gelegt, auch bei der Wahl der Materialien so nah wie möglich ans Original zu kommen. Aber allein schon aus Sicherheitsgründen bedurfte es kleinerer Modifikationen. Und weil Weißkopfs Antriebsart bis heute Rätsel aufgibt, wurde mit modernen Motoren geflogen, deren Leistung freilich der entsprach, die der aus Leutershausen stammende Pionier einst vermerkt hatte.

900 Stunden flossen in die Masterarbeit

Indes fehlten Quirin Hoesch zufolge bis dato „dokumentierte rechnerische Untersuchungen der Struktur“ der Flügel mit einer Spannweite von 10,64 Metern und einer Fläche von 35 Quadratmetern. Für seine Abschlussarbeit machte er diese Forschungslücke zum Thema: Eine „strukturmechanische Analyse“ der Tragflächen.

Hoesch studiert bei Professor Dr.-Ing. Klemens Rother „Computational Engineering“ an der Hochschule München. Dabei geht es um die Modellierung und Simulation von technischen und physikalischen Systemen. Sie dient primär der rechnerunterstützten Produktentwicklung: Solange keine Prototypen für Tests verfügbar sind, können am Computer Eigenschaften ermittelt und Funktionsnachweise erbracht werden.

Draht und Bambus genau analysiert

Hoesch holte weit aus, wie er Im Dezember bei der öffentlichen Präsentation seiner Masterarbeit verdeutlichte. Rund 900 Stunden hat er seinem Professor zufolge investiert. Beispielsweise recherchierte er, welche Arten von Metallseilen zur Zeit des Wechsels vom 19. ins 20. Jahrhundert verfügbar waren. Sechs Varianten rechnete er durch, mit Klavier- und Eisendraht verschiedener Hersteller und in unterschiedlicher Stärke.

Auch den Baustoff, den Weißkopf für die Flügelholme verwendete – leichten und extrem stabilen Bambus der Sorte guadua angustifolia – brachte der Bachelor in unterschiedlichen Dimensionen in seine Simulationen ein.

Entscheidenden Einfluss auf das Profil und damit die Funktion der komplexen Tragflächen hat Hoesch zufolge die Vorspannung mittels Spanndrähten. Zu dieser Erkenntnis waren auch schon Pilot Philipp und sein Team gelangt, die vor dem erfolgreichen Flug 142 Schleppversuche mit dem auf einem Pkw-Anhänger fixierten Nachbau 21B absolviert hatten.

Basis für weitere Forschungsprojekte

Die Computerberechnungen des Studenten untermauern dies nun, ein Vierteljahrhundert später, mit Daten. Sie lassen für ihn nur einen Schluss zu: „Flügel und somit das Flugzeug Nr. 21 besaßen in der vorgestellten Konfiguration die mechanische Stabilität, vom Boden abzuheben und die resultierenden Lasten zu tragen.“

Für seinen Vortrag erhielt Hoesch von den rund 50 Zuhörern viel Lob – auch von Professor Rother, für den es „keinen Zweifel“ gibt, dass die Nr. 21 tatsächlich geflogen ist, wenngleich auch die neue Masterarbeit „nur ein weiteres Indiz“ sei.

Eine „wirklich sehr wichtige Arbeit“

Für den Landtagsabgeordneten Dr. Peter Bauer (Sachsen bei Ansbach) ist Hoeschs Arbeit „ein weiterer Baustein dafür, dass die Leistungen von Gustav Weißkopf endlich anerkannt und gewürdigt werden“. Hans-Günter Adelhard, der Vorsitzende der Flughistorischen Forschungsgemeinschaft Gustav Weißkopf (FFGW), sieht bestätigt, dass die Flügel „in der Lage und stabil genug waren, mehrere kurze Flüge auszuhalten“. Und Aerodynamik-Forscher Dr. Wolfgang Send, der bis zu seinem Ruhestand in Göttingen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) tätig war, sprach von einer „wirklich sehr wichtigen Arbeit“.

Sie könnte nun, wie alle Beteiligten deutlich machten, Basis für zahlreiche weitere spannende Forschungsthemen sein – bis hin zu einem Computermodell, mit dem man verschiedene Manöver virtuell fliegen kann. Im Anschluss an Hoeschs Vortrag wurden bereits erste Kontakte geknüpft.

Neben den flugtechnischen Themen bleibt indes eine weitere Frage von größtem Interesse: Die nach Weißkopfs Motoren.

In Weißkopfs mittelfränkischem Geburtsort Leutershausen entsteht derzeit mit einem Aufwand von rund elf Millionen Euro in einem der ältesten und prägnantesten Gebäude der Stadt, dem ehemaligen Landgericht, das Museum "Pioniere der Lüfte". Es soll im September 2023 eröffnet werden.


Wolfgang Grebenhof
Wolfgang Grebenhof

Redakteur in der Lokalredaktion Ansbach seit 1992. Schwerpunktmäßig zuständig für den Raum Leutershausen. Heimatverbunden und weltoffen, regional verwurzelt und global neugierig.

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