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Veröffentlicht am 29.07.2022 07:36
Haben viel vor: Eckart Böhmer, Intendant der Kaspar-Hauser-Festspiele, und Stephan Weber, Projektleiter des künftigen Kaspar-Hauser-Zentrums (rechts). (Foto: Winfried Vennemann)
Haben viel vor: Eckart Böhmer, Intendant der Kaspar-Hauser-Festspiele, und Stephan Weber, Projektleiter des künftigen Kaspar-Hauser-Zentrums (rechts). (Foto: Winfried Vennemann)
Haben viel vor: Eckart Böhmer, Intendant der Kaspar-Hauser-Festspiele, und Stephan Weber, Projektleiter des künftigen Kaspar-Hauser-Zentrums (rechts). (Foto: Winfried Vennemann)

Jetzt geht es endlich los. Nach langer Planungsphase, nach intensivem Kampf um Fördergelder soll im September 2021 der Umbau des leerstehenden Gebhardt-Hauses am Montgelasplatz beginnen. „Das Kind Europas – Kaspar-Hauser-Zentrum für heilende Pädagogik“ heißt das Projekt, das in der Mitte Ansbachs Wirklichkeit werden soll.

Noch ist alles wüst und leer. Das vierstöckige Haus, das eigentlich aus den Gebäuden Pfarrstraße 16, 18 und 20 besteht, ist seit dem Jahr 2006 verrammelt. Den Innenhof, der überdacht als Saal für Veranstaltungen und Feiern dienen soll, hat die Natur komplett überwuchert. Im Haus sind Löcher in den Boden gestemmt worden, von den Wänden bröckelt der Putz. Kaum vorstellbar, dass hier innerhalb von 18 Monaten ein lebendiges Seminarzentrum mit Hotel und Gastronomie entstehen soll.

Der Eigentümer, Architekt Hermann Pfeiffer (PS Planung & Service GmbH), wird das Haus, in dem bis zu seinem Tod 1833 Kaspar Hauser lebte, mit einem Millionenaufwand umbauen und an eine gemeinnützige GmbH vermieten. Hinter der GmbH stehen zwei Gesellschaften. Das Parzival-Zentrum, in dem man sich den „Kaspar-Hauser-Kindern“ unserer Zeit mit umfangreichen Bildungs-, Förderungs- und Therapieangeboten auf der Grundlage der Waldorfpädagogik widmet. Und die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners, die unter anderem mit nationalen und internationalen Freiwilligendiensten jungen Menschen Möglichkeiten zur Selbst-, Sinn- und Zielfindung bieten.

Geschäftsführer dieser GmbH ist Stephan Weber, der in diesen Tagen sein Projektbüro im Nachbarhaus Pfarrstraße 14 bezogen hat. Unterstützt wird er von Eckart Böhmer, dem Intendanten der Ansbacher Kaspar-Hauser-Festspiele.

Die beiden haben Großes vor auf den 1200 Quadratmetern Nutzfläche: Im Erdgeschoss, offen und mit Außenbestuhlung auf dem Montgelasplatz, soll das Restaurant „Stéphanie“ entstehen, benannt nach Stéphanie de Beauharnais, Kaspar Hausers mutmaßlicher Mutter und Adoptivtochter Napoleons. Hier sollen hochwertige Speisen in Bio-Qualität angeboten werden. Außerdem wird das Haus ein Hotel beherbergen, das den Namen Kaspar Hausers tragen wird.

Herzstück wird der Seminar-Bereich, in dem Weber jährlich bis zu 12.000 Teilnehmer begrüßen will: „Ich kann mir da zum Beispiel Seminare für die Lehrerausbildung vorstellen, aber auch Schulklassen.“ Es gehe darum, dem Menschen an sich auf die Spur zu kommen, sagt Eckart Böhmer. „Was macht uns aus? Gerade in der jetzigen Krisenzeit ist das von großer Bedeutung.“ Und Kaspar Hauser, an dem ein „Verbrechen am Seelenleben“ verübt worden sei, sei die ideale Identifikationsfigur.

Konsequenterweise wird das Haus auch eine „kleine Ambulanz“ für Notfall-Pädagogik beherbergen – Erste Hilfe für traumatisierte Kinder also. Außerdem soll es im Haus ein Kaspar-Hauser-Forschungsinstitut und ein Hauser-Archiv geben.

Ganz wichtig sind Stephan Weber die zwölf inklusiven Arbeitsplätze, die in Hotel und Gastronomie entstehen werden. Das seien nicht nur einfach Arbeitsplätze, hier wolle man „berufsbiografische Gestaltungskompetenz“ fördern. Also Menschen, die die Gesellschaft bereits aufgegeben habe, zurück ins Arbeitsleben führen.

In erster Linie aber soll „Das Kind Europas“ ein offenes Haus „für jede Generation und für jede Lebenswirklichkeit werden“, so Weber. „Die Menschen, die zu uns kommen, sollen ein Erlebnis haben“, sagt Eckart Böhmer. Das gilt auch für das einstige Zimmer Kaspar Hausers. „Das wird nicht museal, aber man kann Kaspar Hauser dort begegnen.“

Ach ja, das Geld. Rund 950.000 Euro habe er bereits an Stiftungszusagen eingesammelt, sagt Stephan Weber. Weitere 500.000 bis 600.000 Euro sollen es noch werden. „Da sind wir ganz einfallsreich“, verspricht Eckart Böhmer.

Winfried Vennemann

Der Artikel erschien erstmals am 19. Juni 2021 in der FLZ

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