Renditejäger: Der Ansbacher Erfolgstrainer Hasselmeier im Porträt | FLZ.de

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Veröffentlicht am 15.06.2022 10:21

Renditejäger: Der Ansbacher Erfolgstrainer Hasselmeier im Porträt

Die rituelle Bierdusche nach dem Aufstieg. (Foto: Martin Rügner)
Die rituelle Bierdusche nach dem Aufstieg. (Foto: Martin Rügner)
Die rituelle Bierdusche nach dem Aufstieg. (Foto: Martin Rügner)

Der Zahlenmensch Christoph Hasselmeier hat Umfeld und Team der SpVgg Ansbach nach seinem Willen geformt und den Verein mit dem Aufstieg in die Fußball-Regionalliga zum größten Erfolg seit zwei Jahrzehnten geführt.

Das Foul war heftig. Matej Kyndl von der SpVgg Bayern Hof hätte dafür Rot sehen können, was der SpVgg Ansbach einige Minuten Überzahl in der Grünen Au verschafft hätte. Später wurde über diese Szene diskutiert und SpVgg-Trainer Christoph Hasselmeier meinte, er sei sehr froh, dass Kyndl nicht Rot gesehen habe. Hasselmeier dachte weiter als andere. Wie immer.

Der Hofer Leistungsträger wäre bei einer Roten Karte für das Spiel gegen die DJK Vilzing gesperrt gewesen. Was die Ansbacher in diesem nicht einfachen Auswärtsspiel für ein paar Minuten entlastet hätte, hätte die Hofer im Spiel gegen den großen Ansbacher Titelrivalen geschwächt. Das war Hasselmeier sofort bewusst. Es würde einen nicht wundern, könnte er den Spielplan der Bayernliga auswendig aufsagen.

Hasselmeier ist ein Banker und ein Zahlenmensch. Er schaut sich die Paarungen an, rechnet hoch und sagt voraus. Der Verein steht dann und dann an der Tabellenspitze. Soundsoviel Siege sind noch nötig, soundsoviel Niederlagen erlaubt. Ein Leitsatz von ihm lautet, dass die Anzahl der Gegentore immer kleiner sein sollte als die der absolvierten Spiele. Hat geklappt: 32 Gegentore nur bei 34 Bayernliga-Spielen.

Nun lässt sich eine Saison nicht vorausberechnen wie eine Zinstreppe fürs Festgeld, aber einen Plan zu haben ist Hasselmeier wichtig. Er hat sehr genaue Vorstellungen davon, wie seine Elf gegen den jeweiligen Gegner auftreten soll. Spieler loben seine Vorbereitung, die Infos, mit denen er sie auf den nächsten Gegner einstellt.

Stephan Beckenbauer, seinen Trainer in der Jugend beim FC Bayern München, hat Hasselmeier einmal als Vorbild genannt, weil der es verstanden habe, „das Team von Spiel zu Spiel zu einem Ziel zu führen“. Auch Jürgen Klopp gefällt ihm, wegen dessen „mitreißender Art der Führung, sehr authentisch und aufrichtig“. Einer fürs Hirn und einer fürs Herz.

Als Teenager brach Hasselmeier vom kleinen Sachsen einst zu den großen Bayern auf, die in dem Mittelfeldspieler mit dem starken linken Fuß Potenzial für eine Profikarriere sahen. So weit ist es nicht gekommen. Aber die Zeit in München wirkt nach – allein schon, weil das „Ex-Bayernspieler“ ein Qualitätskriterium für jeden Fußballer ist.

Neulich ist ein Zeugwart der Bayern-Nachwuchskicker nach Jahrzehnten im Dienst in sehr hohem Alter gestorben. Hasselmeier bekommt so etwas immer noch mit. Nach den Bayern ging er zur SpVgg Greuther Fürth und dann wieder zurück zur SpVgg Ansbach.

Mehr als zehn Jahre lang ist Hasselmeier nun schon ununterbrochen Teil der SpVgg-Mannschaft. Sein Debüt in der Ersten war im September 2010 in der Landesliga Mitte, Auswärtsspiel bei der SpVgg Hankofen-Hailing, Endstand 1:1. Hasselmeier spielte im Mittelfeld und wurde nach 54 Minuten gegen Bastian Herzner ausgewechselt.

Der Ansbacher Trainer war damals Max Junger und sehr interessiert an der Rückholaktion des ehemaligen Jugendspielers. „Er hatte damals schon einen weiten Horizont und war ein Leadertyp“, sagt Junger heute.
Hasselmeier wurde schnell Leistungsträger, jung schon Kapitän und stieg mit den Ansbachern zweimal in die Bayernliga auf. Im Frühherbst 2019 wurde er Nachfolger von Trainer Robert Kovacic, der ihm kurz zuvor noch die Kapitänsbinde weggenommen hatte. Eine der vielen Entscheidungen, mit denen sich der Kroate, was man damals schon ahnte, keinen Gefallen getan hatte.

Den Trainerjob nahm Hasselmeier zunächst nur übergangsweise an. „Mannschaft klasse eingestellt, hochmotivierte Spieler, dominant.“ So lobte Trainer Michael Hutzler den Gegner nach einer 2:5-Niederlage mit Eintracht Bamberg in Ansbach, das im September 2019 soeben das Bayernliga-Trainer-Debüt von Hasselmeier erlebt hatte. Ähnliches sagten seither noch viele Gästetrainer, wenn sie im SpVgg-Sportheim zum Spiel sprechen sollten.

Aus der Übergangslösung wurde ein Dauerlösung – zum Glück für den Verein. Mit Hasselmeier bekam der Club einen Trainer, der etwas wollte und zwar nach oben. Hasselmeier kann sehr überzeugend sein, wenn er etwas will. Höflich, aber bestimmt. Er schrieb ein Konzept, veränderte Abläufe im Verein, die Arbeitsorganisation, nannte Namen von Spielern, die bitte zu verpflichten seien.

Selbst spielte der ehemalige Leistungsträger immer weniger. Dabei ist er ja erst 31. Spielertrainer in der Bayernliga, das sei grundsätzlich schwierig, findet Hasselmeier, der schwere Knieverletzungen hinter sich hat. Sein letzter Einsatz in der Liga endete mit einer Gelb-Roten Karte und einer Niederlage. Danach stellte er sich nicht mehr auf. Die zehn Siege in Serie in der Liga anschließend schaffte das Team ohne ihn.

„Ich bin kein Trainer für die Plätze sechs bis acht“, sagte Hasselmeier gerne. Für Mittelmaß in der Bayernliga war ihm der Aufwand zu groß. Ein Banker will Rendite. Die bekommt er jetzt. Unter seiner Führung hat der Verein den größten Erfolg der letzten 20 Jahre erreicht. Ein Platz in der Ehrengalerie der SpVgg ist ihm sicher.

Es ist nicht so, dass Hasselmeier wie Banken, die aus Nichts immer neue Milliarden schöpfen, wie durch Zauberhand einen Aufsteiger geformt hat. Die Grundlage war durch die gute Jugendarbeit der vergangenen Jahre schon da. Das nutzte der Trainer und durfte das Team nach seinem Gusto verstärken. Er bekam unter anderem den Ex-Profi Eric Weeger und andere höherklassig erfahrene Akteure dazu, außerdem mit Michael Griebel einen versierten Co-Trainer.

Sein Verdienst besteht darin, unter der Vielzahl von Möglichkeiten, die dieser 20 Spieler umfassender Kader bot, viel mehr richtige als falsche Entscheidungen getroffen zu haben. Hasselmeier hat eine Einheit geformt, die von Spiel zu Spiel zu ihrem Ziel marschiert ist.

Alexander Keck

Dieser Artikel wurde am 28. Mai 2022 erstmals in der FLZ veröffentlicht.

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