Pflegestelle in Steinach/Ens: Unterschlupf für ungewollte Meerschweinchen | FLZ.de

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Veröffentlicht am 09.09.2022 00:00

Pflegestelle in Steinach/Ens: Unterschlupf für ungewollte Meerschweinchen

Meerschweinchen Sally hat eine schicke Frisur. Sie darf ihren Lebensabend bei Annemarie Ganzer in der Pflegestelle verbringen. (Foto: Anna Franck)
Meerschweinchen Sally hat eine schicke Frisur. Sie darf ihren Lebensabend bei Annemarie Ganzer in der Pflegestelle verbringen. (Foto: Anna Franck)
Meerschweinchen Sally hat eine schicke Frisur. Sie darf ihren Lebensabend bei Annemarie Ganzer in der Pflegestelle verbringen. (Foto: Anna Franck)

Leise pfeift es im Gehege. Große Kulleraugen prüfen die Lage. Alles sicher? Scheinbar, denn schon schnappt sich ein erstes, dann ein zweites Meerschweinchen eine der im Wasser schwimmenden Gurkenscheiben. Eine willkommene Erfrischung bei heißen Temperaturen.

Drapiert hat sie Annemarie Ganzer, die in Steinach/Ens eine Pflegestelle für Meerschweinchen betreibt. Ihr erstes Tier hat die Lehrerin als Achtjährige aufgenommen – damals noch in einem Käfig, wie man ihn aus der Zoohandlung kennt, im Kinderzimmer.

Artgerecht sei das nicht gewesen, weiß die jetzt 31-Jährige. Meerschweinchen sind in dem Käfig schon lange nicht mehr untergebracht, stattdessen steht er in ihrem Garten – um zu zeigen, wie es eben nicht geht.

Fester Platz in Annemarie Ganzers Leben

Schon von Kindesbeinen an nehmen die Tiere einen festen Platz in ihrem Leben ein. Ab 2014 habe sie Tiere von Kolleginnen übernommen, beispielsweise aufgrund einer bei ihnen aufgetretenen Allergie. Ihre Unterbringungsmöglichkeiten hätten sich mit der Zeit vergrößert, so dass sie teils auch im Internet inserierte, um Meerschweinchen ein Zuhause zu bieten.

Später stieß sie auf den mittlerweile 85 Mitglieder umfassenden Verein „Aktiv für Meerschweinchen“ (www.aktivfuermeerschweinchen.de) mit Sitz in Regensburg, brachte sich dort ein und richtete 2019 offiziell ihre Pflegestelle ein, um ihr Engagement professioneller zu betreiben, aber auch, um auf medizinische Expertise und finanzielle Unterstützung zurückgreifen zu können – denn ein krankes Meerschweinchen könne einiges kosten. Um Spenden zu sammeln, veranstaltet der Verein regelmäßig einen Flohmarkt über die Plattform Facebook.

In ihrem Garten gestaltete sie über die Jahre ein wahres Paradies für die Vierbeiner – inklusive prächtigem Auslauf und unzähligen Versteckmöglichkeiten. Zwischen 25 und 30 Tiere finden hier Platz. Neben solchen, die auf Vermittlung warten, kommen auch alte oder kranke Meerschweinchen bei Annemarie Ganzer unter, die in ihrer Obhut den Lebensabend verbringen.

Vorbesitzer werden Paten für die Tiere

Wenn jemand beispielsweise die Haltung nicht mehr bewerkstelligen kann, dann werden Meerschweinchen bei der 31-Jährigen abgegeben. Teils würden die Vorbesitzer sogar Patenschaften übernehmen. Doch auch dramatische Fälle gebe es, erinnert sich Ganzer an eine ältere Frau aus der Nürnberger Ecke, die regelrecht Tiere sammelte.

Kommen neue Meerschweinchen dazu, werden sie zuerst vier Wochen separat untergebracht, um herauszufinden, ob mit ihnen alles in Ordnung ist. Wenn etwas nicht stimmt, „verstecken die das sehr gerne“, erklärt die Vegetarierin, die Wert auf ein bewusstes Leben legt. Ein wichtiges Inzidenz sei das Gewicht.

Ohne die Vermittlung gehe es nicht, sagt die Lehrerin. Die Gruppe, die bei ihr in Haremshaltung lebt, müsse harmonisch bleiben. Abgegeben werden ausschließlich kastrierte Tiere. Dabei legen sie und die anderen Vereinsmitglieder großen Wert auf vorherige Aufklärung. Auch eine Schutzgebühr gebe es. Und: „An Weihnachten wird nicht vermittelt“, die Tiere sollen nicht als Geschenk unterm Tannenbaum landen.

Nicht allein im Stall

Geprüft werde vor der Vermittlung auch, ob ausreichend Platz zur Verfügung steht, erklärt Ganzer. „Da sind wir sehr streng“, damit es „annähernd artgerecht“ sei. Auch dürfe ein Meerschweinchen niemals allein gehalten werden.

Sie sind klein, flauschig und knuffig, aber trotzdem „keine Kuscheltiere“, sondern Fluchttiere, stellt die 31-Jährige klar, die immer wieder in verwunderte Gesichter blickt, wenn sie erklärt, dass sie die Tiere nicht regelmäßig auf den Arm nimmt, um sie zu streicheln. Trotzdem baue sich freilich zu manchen ihrer Schützlinge eine besondere Beziehung auf.

Annemarie Ganzers Ziel: mehr Meerschweinchen-Begeisterte finden. Unterstützung erfährt sie von ihrer Mutter und ihrem Mann. Dankbar zeigt sie sich dafür, wenn Steinacher ihre Gemüseabfälle in eine an der Hofeinfahrt platzierte Box werfen – für Meerschweinchen ideal zum Fressen, denn gerade im Sommer sei die Verpflegung teuer.

Übrigens: Auch Wildtiere hat Ganzer schon aufgezogen, zum Beispiel ein Eichhörnchen, aber auch einen Siebenschläfer. Nur als man ihr einmal eine Maus brachte, zog sie eine Grenze, erzählt die 31-Jährige lachend.


Anna Franck
Anna Franck

Redakteurin in Bad Windsheim

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