Veröffentlicht am 25.05.2023 12:55

NeustadtNacht 2023: Welche Bilanz der Kulturverein zieht

Die Jazzformation um Leo Gussner swingte im Jahr 2022 im Neustädter Gerichtsgarten – einem von vielen Besuchern favorisierten Veranstaltungsort der NeustadtNacht. (Archivfoto: Mirko Fryska)
Die Jazzformation um Leo Gussner swingte im Jahr 2022 im Neustädter Gerichtsgarten – einem von vielen Besuchern favorisierten Veranstaltungsort der NeustadtNacht. (Archivfoto: Mirko Fryska)
Die Jazzformation um Leo Gussner swingte im Jahr 2022 im Neustädter Gerichtsgarten – einem von vielen Besuchern favorisierten Veranstaltungsort der NeustadtNacht. (Archivfoto: Mirko Fryska)
Die Jazzformation um Leo Gussner swingte im Jahr 2022 im Neustädter Gerichtsgarten – einem von vielen Besuchern favorisierten Veranstaltungsort der NeustadtNacht. (Archivfoto: Mirko Fryska)

Wer kennt ihn nicht, den Hollywood-Western-Klassiker „Die glorreichen Sieben“? Im Original spielte der ewige Glatzkopf Yul Brunner einen der Revolverhelden, Knittergesicht Charles Bronson war dabei, ein anderer wurde verkörpert von Horst Buchholz. Auch Neustadt hat seine „glorreichen Sieben“ – mit Schusswaffen haben diese allerdings nichts am Hut.

Parallelen aber gibt es durchaus. Denn während im Film, der 1960 in die Kinos kam, die sieben ungleichen Pistoleros angetreten waren, um ein abgelegenes Dorf vor der Tyrannei zu retten, haben sich die sieben Neustädter vom örtlichen Kulturverein der Rettung, oder zumindest der Wiederbelebung, der Kultur in ihrer Heimatstadt verschrieben.

Die glorreichen Sieben sind vor allem Frauen

Einen entscheidenden Unterschied jedoch gibt es auch: Denn während es sich bei den Westernhelden um eine reine Männergesellschaft handelte, sind bei den Neustädter Glorreichen die Frauen in der Überzahl. Uta Unkel, Christine Haas, Susanne Dritina, Andrea Frank und Birgit Zeilinger werden ergänzt durch Andreas Herzog (in bestimmten Momenten Charles Bronson nicht unähnlich) und Holger Schick, dem bislang noch niemand eine Ähnlichkeit mit Yul Brunner unterstellt hat. Kann ja noch kommen.

Diese sieben sind aktuell in der Erholungsphase, denn hinter ihnen liegt die NeustadtNacht, die vor rund zwei Wochen wieder einmal stattgefunden hat. 13 Veranstaltungsorte, verschiedene Bands und Gruppen, Jazz und Rock, Chorgesang und Klassik, zwischendurch ein Poetry Slam und Lesungen – es war erneut ein pralles Programm. „Die NeustadtNacht hat eine sehr spezielle Atmosphäre“, sagt Birgit Zeilinger. „Ein etwas anderes Publikum, so etwas haben wir sonst nicht. “

Normalerweise beginnen die vormals erwähnten Sieben rund ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Termin mit der Organisation. „Welche Gruppen wollen wir, was gefällt uns, was können wir uns leisten – das sind die Fragen, die wir zuerst klären“, erzählt Zeilinger. Dann geht es an die Kontaktaufnahme, an das Werben von Anzeigenkunden und Sponsoren, an die Zusammenstellung des Programms. Social-Media-Auftritte müssen vorbereitet werden, Programme gedruckt, Veranstaltungsorte gebucht und technische Details geklärt werden.

Manchmal ist Kreativität gefragt

Nicht alles klappt immer perfekt, nichts geht reibungslos. „Beim Auftritt in der Rathaus-Ehrenhalle hat ein Musiker ständig den Takt mit dem Fuß mitgeklopft. Das geht bei der Akustik in diesem Raum natürlich gar nicht“, sagt Andreas Herzog. Was also tun? Das Stampfen verbieten und riskieren, dass der Virtuose aus dem Takt gerät. „Wir haben dann irgendwo einen großen Fußabstreifer gefunden und untergelegt“, sagt Herzog und grinst. Ja, Improvisationstalent ist wichtig.


Manchmal schäme ich mich dafür, welche Gagen wir bezahlen.

Birgit Zeilinger

Nein, die von der Redaktion geschätzten deutlich über 1000 Besucher sind es nicht gewesen, sagt Herzog. Leider. 600 sind gekommen – kein schlechter Schnitt und gerade so viele, dass man am Ende keine roten Zahlen geschrieben hat. Gewinn allerdings springt nicht heraus. Wie auch? „Gerade nach der schweren Corona-Zeit sind die Künstler sehr angewiesen darauf, wieder Geld zu verdienen und manchmal schäme ich mich, welche Gagen wir bezahlen“, sagt Birgit Zeilinger. Aber nachdem der Kulturverein Neustadt gerade mal rund 40 Mitglieder hat, die jeweils 24 Euro pro Jahr bezahlen und genau ein (!) Fördermitglied, das jährlich einen Hunderter springen lässt, kann man keine großen Sprünge machen.

Rund 50 Prozent der Kosten müssen über Einnahmen erlöst werden, bilanziert Andreas Herzog, Sponsoren tun ein Übriges. Und wenn ein Gewitterregen die Veranstaltung verhagelt, dann springt auch die Stadt mal ein. „Dann bekommen wir normalerweise einen Zuschuss, das muss dann halt der Stadtrat beschließen“, sagt Herzog.

Neustädter Bürgermeister macht die Einlasskontrolle

Ansonsten ist man nicht unglücklich darüber, dass die Stadt sich raushält. „Man hilft uns schon, die Zusammenarbeit läuft sehr gut“, sagt Zeilinger. Wünsche und Bitten werden in aller Regel prompt erfüllt – sei es bei der Stromversorgung oder bei der kostenfreien Zur-Verfügung-Stellung der Rathaushalle oder der Bühne im Torhaus. Und dass Bürgermeister Klaus Meier sich auch noch als Einlasskontrolleur zur Verfügung stellt, ist ein zusätzliches Plus. Mehr Bindung an die Stadtverwaltung will man gar nicht haben, denn zum einen „wird der Bürokratismus immer größer“, wie der pensionierte Beamte Herzog sagt und zum anderen „bleiben wir frei und können machen, was wir wollen“, so Zeilinger.

Apropos Einlasskontrolle, apropos Helfer. Rund 50 Personen sind im Einsatz, wenn die Nacht der Nächte über die Bühne geht. Techniker, Beleuchter, Kartenkontrolleure – es gibt viel zu tun. „Aber wenn man das Gefühl hat, dass etwas Gutes dabei rauskommt, dann macht man das auch gerne“, sagt Birgit Zeilinger.

Vor ein paar Jahren stand der Kulturverein schon dicht vor der Auflösung. Damals war von glorreichen Sieben keine Rede – gerade mal ein Trio war seinerzeit noch an Bord, erschöpft und ein bisschen frustriert. Dann startete man einen Aufruf, warb um neue Kulturenthusiasten und siehe da: „Rund zehn bis 15 sind gekommen“, erinnert sich Andreas Herzog. „Und ein paar sind auch geblieben“, ergänzt Birgit Zeilinger.

Weitere Mithelfer für den Kulturverein gesucht

Trotzdem: Man würde sich weiterhin über jeden Neuzugang freuen, denn den Satz „Das oder das könntet ihr doch auch mal machen“, haben sie zwar schon oft gehört, aber „für Ideen und Vorschläge sind wir ja dankbar, aber es müsste dann auch jemand da sein, der sich darum kümmert. So ein Zuruf allein genügt nicht.“ Also: Wenn ein Kulturfan diese Zeilen liest, ein wenig Zeit hat, und seine Ideen tatkräftig einbringen will, dann möge er sich melden. „Ein bisschen Organisationstalent und Liebe zur Musik wären als Voraussetzungen gut“, sagt Zeilinger. In Anlehnung an einen anderen Hollywood Klassiker könnte aus den glorreichen Sieben dann gerne auch das „Saubere Dutzend“ werden.


Ich wünsche mir doppelt so viele Besucher.

Andreas Herzog

Hätten Zeilinger und Herzog einen Wunsch frei, dann würden sie bei den kommenden Auflagen der NeustadtNacht auf „mindestens doppelt so viele Besucher“ hoffen. Dann hätte man ein bisschen mehr Geld auch für teurere Bands zur Verfügung und damit wiederum ließen sich noch mehr Musikfreunde in die sommernächtliche Stadt locken. Die eingangs angesprochene „spezielle Atmosphäre“ dieser besonderen Nacht, „die tut Neustadt einfach gut“, glaub Birgit Zeilinger. Kein Widerspruch.


Patrick Lauer
Patrick Lauer
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