Drogen-Baron aus Dinkelsbühl packt vor Gericht aus | FLZ.de

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Veröffentlicht am 25.01.2023 17:05

Drogen-Baron aus Dinkelsbühl packt vor Gericht aus

Kiloweise Kräutermischungen verschicken lassen: Den Angeklagten, hier mit seinem Verteidiger Michael Haizmann, erwartet vor dem Landgericht Ansbach eine langjährige Haftstrafe. (Foto: Florian Pöhlmann)
Kiloweise Kräutermischungen verschicken lassen: Den Angeklagten, hier mit seinem Verteidiger Michael Haizmann, erwartet vor dem Landgericht Ansbach eine langjährige Haftstrafe. (Foto: Florian Pöhlmann)
Kiloweise Kräutermischungen verschicken lassen: Den Angeklagten, hier mit seinem Verteidiger Michael Haizmann, erwartet vor dem Landgericht Ansbach eine langjährige Haftstrafe. (Foto: Florian Pöhlmann)

Zunächst betrieb er von Dinkelsbühl aus ganz legal einen schwunghaften Handel mit Kräutermischungen. Als das nach einer Gesetzesnovelle unter Strafe gestellt wurde, verlegte er das Geschäftszentrum kurzerhand unter die Sonne ins Ausland. Nun steht der 43-jährige Kopf einer bundesweit agierenden Drogen-Gang vor Gericht.

Vorgeworfen wird ihm in der Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Ansbach bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Alex M. (Name geändert) hatte bereits um das Jahr 2000 sein Geld im Internet über den Vertrieb von Handys verdient, als weitere Einnahmequelle diente ab 2012 der Verkauf von Cannabimimetika-Zubereitungen - besser bekannt als Kräutermischungen.

Dabei handelt es sich aber keineswegs um rein pflanzliche Produkte, vielmehr wird die Mischung von Kräutern oder Gewürzen mit einer chemischen Substanz besprüht. Deren Inhaltsstoffe haben Ähnlichkeit mit Tetrahydrocannabinol (THC) – dem bewusstseinsverändernden Bestandteil von Cannabis.

Seit Juli 2016 ist der Umgang mit Kräutermischungen mit psychoaktiven Stoffen per Gesetz verboten. Es war zu Todesfällen gekommen, weil die Drogenlabore die chemischen Beimischungen immer wieder veränderten und es Konsumenten in der Folge unmöglich war, die Wirkung einzuschätzen.

Geschäfte von Spanien und Thailand aus weitergeführt

Alex M. dürfte das alles wohl bekannt gewesen sein. Bereits 2015 hatte sich der Angeklagte aus Deutschland abgesetzt, den Vertrieb seiner Waren im Internet auf den Stationen Teneriffa und Thailand noch vorangetrieben und die Organisationsstrukturen perfektioniert. Zahlreiche Menschen, die teilweise bereits vor Gericht standen und verurteilt wurden, waren für ihn tätig.

Kuriere holten Geld ab und verteilten es bei den Angestellten, die pro Monat mit bis zu 4000 Euro plus Provisionen entlohnt wurden. PC-Spezialisten pflegten die Internetseite und schützten sie vor Hacker-Angriffen, der Kunden-Support kümmerte sich um Anfragen, Strohmänner eröffneten Geschäftskonten bei unterschiedlichen Banken, und Umverpacker besorgten dann den Versand der Ware – auch über Post-Filialen in Ansbach und Dinkelsbühl.

Perfekte Geschäftsstrukturen etabliert

„Die Struktur lief teilweise selbstständig als Geschäftsbetrieb“, erklärte Michael Haizmann, Anwalt des Angeklagten, nach einer Verständigung zwischen Verteidigung und Staatsanwältin Kerstin Wind zu Beginn des Prozesses.

Demnach wird sich die zu erwartende Strafe im Rahmen zwischen „mindestens zehn und nicht über zwölf Jahren“ bewegen, wie der Vorsitzende Richter Claus Körner bekanntgab. „Die Anklage ist im Großen und Ganzen richtig“, bestätigte Haizmann im Namen seines Mandanten und verdeutlichte dessen Rolle: „Er war Supervisor und hat den Vertrieb in Händen gehabt.“

7,9 Millionen Euro sollen eingezogen werden

Auch den kiloweisen Erwerb der synthetischen Mischungen räumte der Angeklagte vollumfänglich ein. Das Geschäft erschien ihm in finanzieller Hinsicht sehr einträglich: „Im Schnitt verdiente er 20.000 Euro monatlich“, gab der Verteidiger zu Protokoll. Wie viel in diesem Bereich zu verdienen war, mag eine Zahl verdeutlichen: Die Staatsanwältin beantragte 7,9 Millionen Euro als Wertersatz vom Angeklagten einzuziehen.

Deutlich darüber lag die Zahl, die der ermittelnde Beamte im Rahmen der Beweisaufnahme nannte. „Der Verkaufswert lag bei 10,1 Millionen Euro“, skizzierte der Ermittler die Größenordnungen.

Erstmals war die Polizei im März 2017 auf den Handel aufmerksam geworden, als eine Paketsendung mit 83 Kilo Kräutermischungen abgefangen wurde. Die chemischen Zusätze kamen aus den Niederlanden: Allein die Hälfte eines abgefangenen Pakets hätte laut dem Chef-Ermittler ausgereicht, „um ganz München zu versorgen“. Der Prozess wird am 1. Februar fortgesetzt.


Florian Pöhlmann
Florian Pöhlmann

Nach der journalistischen Grundausbildung beim Fernsehen rief 1999 die große weite Welt des Sports, die ich in Nürnberg in nahezu allen Facetten kennenlernen und in verantwortlicher Position gestalten durfte. Erst der verlockende Ruf aus Ansbach und die Aussicht, im fortgeschrittenen Alter Neues zu wagen, sorgten ab 2021 für einen Neustart in der Lokalredaktion.

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