Wasserstoff-Erzeugung: Wagt Uffenheim ein Pionier-Projekt? | FLZ.de

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Veröffentlicht am 24.09.2022 19:03

Wasserstoff-Erzeugung: Wagt Uffenheim ein Pionier-Projekt?

Diese Infografik zeigt: Der Strom kommt von Wind und Sonne, in der Anlage entstehen Wasserstoff, Sauerstoff und Wärme. Der Wasserstoff kann wiederum für Energie, Industrie und Mobilität genutzt werden. (Foto: Siemens AG)
Diese Infografik zeigt: Der Strom kommt von Wind und Sonne, in der Anlage entstehen Wasserstoff, Sauerstoff und Wärme. Der Wasserstoff kann wiederum für Energie, Industrie und Mobilität genutzt werden. (Foto: Siemens AG)
Diese Infografik zeigt: Der Strom kommt von Wind und Sonne, in der Anlage entstehen Wasserstoff, Sauerstoff und Wärme. Der Wasserstoff kann wiederum für Energie, Industrie und Mobilität genutzt werden. (Foto: Siemens AG)

„Wasser ist die Kohle der Zukunft“, hatte Jules Verne bereits 1870 geschrieben. Wie Recht er damit hatte, wurde in der Uffenheimer September-Stadtratssitzung deutlich. „Wir haben überschüssigen Strom“, sagte Bürgermeister Wolfgang Lampe (SPD). Und der könnte genutzt werden, um grünen Wasserstoff zu erzeugen.

260 Prozent beträgt der Versorgungsgrad in Uffenheim mit erneuerbaren Energien. Bedeutet: Es wird 2,6 Mal so viel Energie regenerativ produziert wie verbraucht wird. Allerdings nur im Schnitt. Denn man müsse, erläuterte Lampe, auch immer wieder Strom von außen zukaufen, um Spitzen – etwa zur Bratenzeit an Weihnachten – abzudecken.

In der Region wird also viel erneuerbare Energie produziert – mit Wind und Sonne. Doch die Windräder stehen auch immer wieder still, hieß es im Stadtrat. Denn in Spitzenzeiten wird bisweilen mehr Strom erzeugt als verbraucht werden kann. Und genau dieser Zustand hat Bürgermeister Lampe ins Nachdenken und schließlich auf eine Idee gebracht: Der Stromüberschuss könnte doch künftig sinnvoll in einer Wasserstoff-Erzeugungsanlage genutzt werden. Deshalb hatte die Stadtverwaltung Dr. Rainer Saliger von der Siemens AG ins Ratsgremium eingeladen.

Siemens hatte jüngst mit einer grünen Wasserstoff-Erzeugungsanlage in Wunsiedel einen viel beachteten Erfolg gefeiert. Der könnte sich womöglich in Uffenheim wiederholen. Grüner Wasserstoff, erläuterte Stadtbaumeister Jürgen Hofmann eingangs, ist vielseitig einsetzbar. Er lässt sich „beliebig lange“ lagern, als Fahrzeugantrieb nutzen, an die Industrie verkaufen, mit bis zu zehn Prozent ins Gasnetz beimischen oder wieder in Strom verwandeln.

Ein echter Alleskönner

Zusammengefasst: Grüner Wasserstoff ist ein echter Alleskönner. Er gleicht die Nachteile der erneuerbaren Energien aus, befand Philipp Specht (CSU). Die Erzeugungspeaks lassen sich nutzen, um Wasserstoff zu produzieren, und gleichzeitig können Stromflauten ausgeglichen werden. Deshalb sei Wasserstoff auch für die Stadt Uffenheim ein „hochinteressantes Thema“, befand Lampe.

Netter Nebeneffekt: Bei der Elektrolyse, also dem Herstellungsprozess des Wasserstoffs, entstehen auch Wärme und Sauerstoff. Beides ließe sich für die Kläranlage hervorragend nutzen, betonte Hofmann. Die Wärme könnte für die Klärschlammtrocknung eingesetzt, der getrocknete Schlamm wiederum zu Pellets gepresst werden. Das Belebungsbecken braucht zudem Sauerstoff.

Klimaneutralität bis 2045 hat sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben. „Dafür brauchen wir sechs Mal so viele Windräder und Photovoltaik-Anlagen, sonst schaffen wir das nicht“, betonte Dr. Saliger. „Da müssen sich alle anstrengen.“ Und: „Wir müssen den Stromüberschuss zu Spitzenzeiten irgendwo parken.“ Mit grünem Wasserstoff und Batterien lasse sich das langfristig und umweltschonend erreichen.

Die Erzeugungsanlage würde auch nicht „24/7“, also rund um die Uhr laufen, betonte Saliger. Sondern eben dann, wenn überschüssiger Strom da ist und sich günstig einkaufen lässt. Denn nur so könne man Wasserstoff wirtschaftlich produzieren.

600 bis 1000 Tonnen Wasserstoff könnten jährlich erzeugt werden. Der Energiegehalt von einem Kilogramm Wasserstoff entspricht gut 39 Kilowattstunden – der dreifache Wert von Benzin – und lasse sich als „vermarktungsfähiges Produkt“ für fünf bis sieben Euro verkaufen. Der Nachteil: Ein Kilo Wasserstoff benötigt zur Herstellung etwa neun Liter Wasser.

Einstimmig gab der Uffenheimer Stadtrat die Machbarkeitsstudie in Auftrag, die etwa drei bis vier Monate dauern wird. Kostenpunkt: 40.000 Euro, die nur anfallen, wenn die Stadt das Projekt nicht fortführt, nachdem die Ergebnisse der Studie vorliegen. In diesem Schritt wird sondiert, ob sich ein solches Projekt in Uffenheim überhaupt wirtschaftlich umsetzen lässt. Wo der beste Standort wäre – Lampe kann sich die Anlage im Gewerbegebiet Langensteinach gut vorstellen, dort liefen einige Leitungen zusammen und es gebe Industrie als mögliche Abnehmerin. Wer die Anlage betreibt. Was überhaupt ein passendes Betriebsmodell wäre.

25 Millionen Euro lautet die Kostenschätzung

Und selbstverständlich auch, wer das Projekt finanziert? Denn Saliger schätzte die Kosten für die Wasserstoff-Erzeugungsanlage auf rund 25 Millionen Euro. Die Förderung dürfte nicht besonders gut sein: Der Siemensianer nannte 15 bis 20 Prozent.

Lampe: „Nach Phase I, der Machbarkeitsstudie, ist ein Haltepunkt. Dann muss der Stadtrat entscheiden, wie es weitergeht. Wir könnten dann auch aussteigen.“ Andreas Zander (Bürgerliste) erkundigte sich nach der Konkurrenzsituation. Saliger: „Ich kann mich über einen Mangel an Anfragen nicht beklagen. First come, first serve.“ Vize-Bürgermeister Hermann Schuch (FWG) sprach von einer „Riesenchance“, um Vorreiter in der Region zu werden. „Das erste Windrad war bei uns gestanden, wieso also beim Wasserstoff nicht wieder Pionier sein?“

Sollte das Projekt nach Phase I in Uffenheim weiterverfolgt werden, schätzt Saliger den Zeitplan wie folgt: Der Genehmigungsprozess, die Ausführungsplanung und die Beauftragung eines Generalunternehmers dürften zwölf bis 16 Monate dauern, die Projektumsetzung schätzt er auf zwölf bis 18 Monate. In wenigen Jahren könnte die Wasserstoff-Anlage also schon in Betrieb gehen. Doch nun hängt zunächst alles an der Machbarkeitsstudie.

Johannes Zimmermann

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