Zuerst erkennt man gar nichts, wenn man auf das Repro der laut Christoph Schmidt „unzweifelhaft ältesten Karte des südlichen Steigerwalds und des Ehegrunds“ schaut. Der Neustädter versah sie mit zahlreichen Erläuterungen und brachte sie neu heraus.
Es ist wie ein Suchspiel, doch dann entziffert man nach und nach einen Ortsnamen nach dem anderen. Die Burg Speckfeld liegt im Zentrum der Karte, an deren oberen Ende „Mittag“ steht. Hier ist also oben Süden – etwas ungewohnt. Im Osten („Aufgang“) bildet die Aisch mit „Neu-stat“, „birckfelt“ und „totna“ (Dottenheim) auf der einen und „schaurem“ und „hac“ (dem Virnsberger Haag bei Schauerheim) und Altheim („alim“) auf der anderen Flussseite – die Grenze zwischen dem Markgräflichen Land und dem detailliert dargestellten Jagdbezirk.
Schmidt weist in seinen Erläuterungen außerdem darauf hin, dass – anders als heute – noch alle -heim-Orte auf -e und -a enden – auch weigne, geckna, ippesa und pulna, die heutzutage umgangssprachlich ein -i am Schluss ziert.
Die meisten Dorfnamen sind leicht zu entschlüsseln, wie „Hampühel“, „baudenbach“, „langfelt“, „ulstat“ „Sugena“ oder „teitna“, es gibt aber auch ein paar, die weniger selbsterklärend oder schlicht unleserlich sind. Diebach zum Beispiel trägt auf der Karte den Namen „Hippacht“ – darauf schließt Schmidt jedenfalls von der Lage her. „Humertza“ heißt heute Humprechtsau, mundartlich „mumerädzah“ und liegt genau wie Herbolzheim („voleze“) nicht ganz geografisch korrekt.
Trotz dieser Beispiele, die nicht ganz an der richtigen Stelle gelandet sind: Alles in allem ist der historisch interessierte Neustädter Schmidt beeindruckt davon, wie genau die Karte mit den damaligen Mitteln die Wirklichkeit abbildet.
Wie erstellte man überhaupt eine Karte? Schmidt gibt eine Beschreibung von Paul Pfinzing aus Nürnberg wider. Er entwickelte in den Jahren vor 1598 eine Methode, die mit einem eigens entwickelten Marschkompass, mit einem Schrittzähler und einem Tachometer für sein Pferdefuhrwerk arbeitete. Die Vorlage für die Casteller Wildbannkarte wurde schon im Jahr 1497 angefertigt, bei ihrer Erneuerung im Jahr 1629 könnten diese Techniken aber schon zum Einsatz gekommen sein.
Hergestellt wurde die Karte, um die Jagdgebiete festzulegen, die dem Würzburger Bischof (und später den Häusern Castell und Hohenlohe-Speckfeld) vom deutschen Kaiser Heinrich II. im 11. Jahrhundert zugesichert worden waren. Heinrichs Frau, Kaiserin Kunigunde, hinterließ im Landkreis in zahlreichen Sagen ihre Spuren. Spätere Kaiser belehnten, wie Stephanie Nomayo in einem Band für die Schriftenreihe des Städtischen Museums Kitzingen schilderte, 1334 und 1358 das Geschlecht der Hohenlohe mit der höheren Jagd im südlichen Steigerwald und auf der Frankenhöhe.
Das erklärt auch die prominente Stellung der Burg „Speckfellt“ in der Karte. Die heutige Ruine liegt in der Gemarkung von Markt Einersheim. Die Speckfelds stammten von Uffenheim, starben aber schon um 1300 aus. Danach bewohnten die Hohenlohe die Burg. Der Letzte von ihnen vererbte 1412 wiederum die Herrschaft seinen Schwagern von Castell und von Limpurg.
Der „Jagens bezirck undt aigentlicher abrieß der ganß Castlisch und Limpurgischen Speckfeldischen wildfuhr“ blieb über Jahrhunderte hinweg mit kleinen Änderungen gültig. 1797 verkaufte Castell sein Nutzungsrecht am Speckfelder Wildbann an die Grafen von Rechteren-Limpurg-Speckfeld. Erst mit den modernen bayerischen Jagdgesetzen von 1848/50 wurden die Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden, wie sie die alten Wildbannbezirke darstellten, ersatzlos abgeschafft, schildert Nomayo weiter.
Sie erzählt auch – leider mehr aus dem Teil des Wildbezirks im benachbarten Landkreis Kitzingen – anschaulich davon, wie sich das Jagdrecht auswirkte: Dabei sind natürlich vor allem die Konflikte überliefert: Sei es, dass Bauern beklagten, dass das Wild ihre Felder abfrisst. Die Iphöfer hatten selbst das Recht zur Hasenjagd. In ihre zahlreichen, mit Kies bedeckten Fallen für die Nager fielen immer wieder auch Menschen. Sei es, dass sie selbst unerlaubterweise Wild erlegten, das unter das Jagdrecht ihrer Herren fiel. Oder sei es gar, dass der herrschaftlich beauftragte Oberjäger bei Streitereien seine Schusswaffe auch gegen die Bevölkerung vor Ort einsetzte.
Auch die Adelsgeschlechter untereinander verteidigten demnach verbittert ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Rechte. Bei einem Streit zwischen den Grafen von Castell und den Bischöfen von Würzburg ist es laut Stefanie Nomayo teilweise zu kriegsähnlichen Auseinandersetzungen und Aufmärschen mit bis zu 100 Musketieren und Spießgesellen auf beiden Seiten gekommen. So kann man wenigstens erahnen, welch große Bedeutung damals das Jagdrecht hatte.
Schmidt ergänzt auf der Rückseite der von ihm in Originalgröße herausgebrachten Karte eine kulturhistorische Panoramakarte des Ehegrundes, die Maler Manfred Hönig erstellt hat, samt Beschreibungen der kulturhistorischen Besonderheiten.
Bei Interesse ist die Karte in der Buchhandlung Schmidt in Neustadt erhältlich.