Fast 94 Prozent der queeren jungen Menschen in Bayern sind einer Studie zufolge schon Opfer von Diskriminierungen geworden. „Die Ergebnisse sind zum Teil alarmierend“, sagte am Mittwoch Dominic Frohn, Professor an der Hochschule Fresenius in Köln, der die Untersuchung konzipiert und durchgeführt hat. Zentrale Erkenntnis sei, dass queere Jugendliche ein deutlich niedrigeres Niveau an Wohlbefinden und Resilienz aufwiesen als Gleichaltrige in der Allgemeinbevölkerung.
Das Forschungsprojekt „How are you“ der Hochschule Fresenius und des Instituts für Diversity- und Antidiskriminierungsforschung befragte im Auftrag des Bayerischen Jugendrings (BJR) rund 2000 Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren in Bayern. Ziel war es, die Lebensbedingungen von LGBTIQA*-Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Freistaat zu erforschen.
Die Abkürzung LSBTIQA* steht im Deutschen für lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell, queer und asexuell. Das Sternchen soll weitere Menschen in die Gemeinschaft einschließen.
Vor allem an der Schule hätten viele Befragte Diskriminierungen erlebt. Kora Hackl vom Jugendnetzwerk Lambda Bayern sorgt sich deshalb wegen der Diskussion um ein geplantes Verbot des Genderns. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte einen entsprechenden Vorstoß am Dienstag in seiner Regierungserklärung angekündigt. „Gerade in so einem Bereich gendersensible Sprache abzubauen oder zu verbieten, zeigt nur, wie wenig von der Regierung hier in Bayern an die Inklusion mitgedacht wird“, sagte Hackl.
Ähnlich sah es BJR-Präsident Philipp Seitz: Gendersensible Sprache drücke die gesellschaftliche Vielfalt aus und trage zu mehr Inklusion bei. Auch seitens der Politik gab es Reaktionen. Florian Siekmann, Sprecher für queeres Leben der Landtags-Grünen, forderte von der Staatsregierung einen Aktionsplan. „Bayern braucht schon im nächsten Jahr einen queeren Aktionsplan, statt einer weichgewaschenen Agenda irgendwann.“
Außerdem ergab die Studie Unterschiede zwischen Stadt und Land. Während knapp die Hälfte der Befragten angab, drei bis fünf Bezugspersonen zu haben, hatten junge Menschen in ländlichen Gebieten nach eigenen Angaben weniger Menschen, an die sie sich für Unterstützung wenden konnten. „Mit zunehmendem Alter gestalten die Menschen ihr Umfeld aktiver und können auch ihre Bezugspersonen aktiv auswählen“, betonte Frohn.
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