Nach Mord in Weiltingen: Staatsanwaltschaft will alle Akten | FLZ.de

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Veröffentlicht am 13.10.2022 18:10

Nach Mord in Weiltingen: Staatsanwaltschaft will alle Akten

Gaby Hofmeier, die Leiterin der Ansbacher Staatsanwaltschaft, will alles tun, um die Vorgeschichte des Mordes aufzuklären.  (Archivbild: Jim Albright)
Gaby Hofmeier, die Leiterin der Ansbacher Staatsanwaltschaft, will alles tun, um die Vorgeschichte des Mordes aufzuklären. (Archivbild: Jim Albright)
Gaby Hofmeier, die Leiterin der Ansbacher Staatsanwaltschaft, will alles tun, um die Vorgeschichte des Mordes aufzuklären. (Archivbild: Jim Albright)

Der Täter ist tot, gerichtet von eigener Hand. Die Ansbacher Staatsanwaltschaft könnte damit das Verfahren zu dem Mord von Weiltingen (Landkreis Ansbach) schnell einstellen. Ihre Leiterin Gaby Hofmeier will genau das Gegenteil. „Wir sehen die Brisanz dieser Tat und möchten das gesamte Umfeld aufklären“, sagte sie gegenüber der Fränkischen Landeszeitung.

Die Fakten stehen seit der Obduktion des Opfers fest: Am Montag um 10.45 Uhr tötete ein 55-Jähriger mit elf Schüssen aus nächster Nähe seinen Nachbarn. Danach fuhr er in einen Wald und erschoss sich in seinem Auto. „Wenn in einem so kleinen Ort am helllichten Tag ein Mann auf so eine Weise getötet wird, wollen wir alles tun, um möglichst viel über die gesamte Vorgeschichte zu erfahren“, so die Leitende Oberstaatsanwältin.

Täter und Opfer lebten seit mehreren Jahren nebeneinander in der Frankenhofener Straße im Ortszentrum. Sie lagen im Dauerstreit. Von 2019 bis 2022 stehen mehr als 30 polizeilich relevante Sachverhalte in den Akten. Dabei ging es laut Polizei fast immer um zum Teil gegenseitige Anzeigen, zum Beispiel wegen Ruhestörungen, Beleidigungen oder Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Es wird immer klarer, dass dies längst nicht alles ist, was zwischen den Männern passierte.

Seit der Tat am Montag gaben weitere Betroffene gegenüber der Polizei an, dass sie von dem selbstständigen Schreiner und Zimmerer beleidigt oder bedroht wurden. Viele Erzählungen, viele Gerüchte. Von einem Angriff mit Pfeil und Bogen auf einen anderen Nachbarn im Jahr 2020 ist die Rede, doch niemand hat diesen jemals angezeigt. Aus den Akten ist dagegen aus dem Vorjahr eine schwere Beleidigung seiner Ehefrau ersichtlich. Wegen der Liebe zu ihr war der Mann vor einigen Jahren in den 1400-Einwohner-Ort zwischen Dinkelsbühl und Wassertrüdingen gezogen.

Ein Jahr vor den Schüssen: Recht zur Waffe bestätigt

Die Ehe scheiterte, es kam zu einem offenbar erbitterten Trennungsstreit, im Juli 2021 rückte die Polizei zur Vernehmung an. Die Frau hatte bei der Dinkelsbühler Inspektion massive Beleidigungen angezeigt. Der Handwerksmeister wurde vernommen, danach meldeten ihn die Polizisten dem Ansbacher Landratsamt. Denn der Beschuldigte war Jäger und durfte deshalb eine Pistole und zwei Gewehre besitzen. Das Landratsamt prüfte und sah im Herbst 2021 keine Grundlage, um dem Jäger den Waffenschein zu entziehen. Zu wenig lag nachweisbar gegen ihn vor; er hatte keine Vorstrafen, so die Begründung.

In einer am Donnerstag verbreiteten Mail an mehrere Medien wird diese Entscheidung hart kritisiert. Sie stammt von einem Mann, der behauptet, er würde für die Angehörigen des Opfers sprechen. Der fünffache Familienvater sei gestorben, weil das Landratsamt dem Täter nicht den Waffenschein entzogen hat, lautet der Vorwurf. Angeblich soll es schon vor Monaten Morddrohungen des Täters gegen sein späteres Opfer, aber auch dessen Kinder gegeben haben.

Eine Behauptung mehr, die bisher ungesichert ist. Ebenso wie diejenige, dass der Handwerksmeister verurteilt worden sein soll, seinem Nachbarn eine fünfstellige Summe als Schadenersatz zu zahlen. Wofür, weiß derzeit niemand. Im Jahr 2019 soll es zu einem Verkehrsunfall zwischen den beiden gekommen sein. Manche glauben, dass könnte kein Zufall, sondern ein versteckter erster Anschlag gewesen sein.

Oberstaatsanwältin Hofmeier will Klarheit schaffen. „Wir ziehen alle Akten heran, in denen einer von beiden aufgetaucht ist.“ Dabei ist es egal, in welcher Rolle der 33-Jährige und der 55-Jährige agierten, ob sie selbst Anzeige erstatteten oder von anderen beschuldigt wurden. Die Staatsanwaltschaft wird nicht nur Vorgänge aus dem Bereich von Ordnungswidrigkeiten oder möglichen Straftaten auswerten, sondern auch Zivilverfahren, kündigte ihre Leiterin an.

Bürgermeister zum Nachbarschaftsstreit: „Alle sind entsetzt“

Weiltingens Bürgermeister Christoph Schmidt spricht von einem großen Schock. „Alle sind entsetzt.“ Er habe Kontakt zur Familie und ihr die Hilfe der Gemeinde angeboten. Den Täter habe er wie viele andere im Ort auch als schwierigen Menschen erlebt, so der Bürgermeister. „Natürlich habe ich den anhaltenden Nachbarschaftsstreit mitbekommen.“ Seine Versuche, auf den Handwerker einzuwirken, hätten keine Wirkung gehabt. „Er hat es nicht akzeptiert, wenn jemand eine andere Meinung hatte als er.“

Im Ort sei unmittelbar vor der Tat damit gerechnet worden, dass der Mann bald wegzieht, fasst Weiltingens Bürgermeister die Situation vor der Tat zusammen. Vor rund vier Wochen habe er das Haus verkauft, in dem er wohnte und seine Werkstatt betrieb. Nachdem sich der Handwerker häufig negativ über den Ort und seine Bewohner äußerte, hat Christoph Schmidt wie andere Bürger nach dem Hausverkauf mit einem Ortswechsel des 55-Jährigen gerechnet. „Ich habe mich gewundert, dass er noch da war.“ Mit dem Wegzug hätte der Nachbarschaftsstreit endlich aufgehört, so der Bürgermeister. Umso tragischer sei der gewaltsame Tod des 33-Jährigen am Montag.

Manfred Blendinger


Manfred Blendinger
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