Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage | FLZ.de

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Veröffentlicht am 31.01.2024 05:17

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Ein durch einen russischen Drohnenangriff beschädigtes Wohnhochhaus in Charkiw. (Foto: Ukrinform/dpa)
Ein durch einen russischen Drohnenangriff beschädigtes Wohnhochhaus in Charkiw. (Foto: Ukrinform/dpa)
Ein durch einen russischen Drohnenangriff beschädigtes Wohnhochhaus in Charkiw. (Foto: Ukrinform/dpa)

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die wachsende Fertigung von Drohnen und Munition im eigenen Land als einen Weg in die Freiheit bezeichnet.

„Die heimische Produktion von Drohnen, Artilleriegeschossen und Militärfahrzeugen ist buchstäblich die Produktion unserer Freiheit, der Freiheit der Ukrainer und der Ukraine“, sagte der 46-Jährige in seiner Videobotschaft. Dabei gehe es auch um die wichtige Herstellung von Drohnen mit größerer Reichweite. Details nannte Selenskyj nicht.

„Unter den Bedingungen eines großangelegten Krieges ist Gewalt die einzige Basis für Freiheit“, sagte Selenskyj. Er hatte immer wieder erklärt, dass Russland, das den Krieg am 24. Februar 2022 begonnen hatte, auf dem Schlachtfeld besiegt werden müsse. Nur so kann aus Sicht Selenskyjs die russische Aggression dauerhaft gestoppt werden. Die Lage an der Front bezeichnete er erneut als schwierig.

Der ukrainische Staatschef bekräftigte einmal mehr auch in seiner Videobotschaft, dass eine Mitgliedschaft in der Nato für das Land „unveränderliche Priorität“ habe. Selenskyj empfing den früheren Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Kiew. Rasmussen dankte Selenskyj, dass er das Thema Ukraine international auf der Tagesordnung halte. Die Ukraine kämpfe nicht nur um ihre, sondern um die Freiheit aller, sagte Rasmussen.

Der Däne habe Pläne vorgestellt für eine neue internationale Taskforce zur euro-atlantischen Integration der Ukraine, berichtete Selenskyj. Details nannte er nicht. Als vollwertiges Nato-Mitglied werde das durch den Kampf gegen Russland erfahrene Land das Potenzial des Militärbündnisses erheblich verbessern, meinte er.

Russland nennt das Streben der Ukraine in die Nato als einen Grund für seinen Angriffskrieg. Der Machtapparat in Moskau sieht sich nach offiziellen Angaben bedroht in seiner Sicherheit, sollte das Nachbarland dem westlichen Militärbündnis beitreten. Kremlchef Wladimir Putin hatte immer wieder erklärt, eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine unter allen Umständen verhindern zu wollen. Absehbar ist die Aufnahme des Landes in die Allianz bisher nicht.

Verletzte nach russischen Drohnen- und Raketenangriffen

Bei nächtlichen russischen Angriffen mit Drohnen und Raketen sind nach offiziellen Angaben mindestens vier Menschen in der Ukraine verletzt worden. Durch Drohnenbeschuss im Landkreis Snihuriwka sei ein Feuer in einem Lagerraum und in einem Geschäft ausgebrochen sowie ein Mann schwer verletzt worden, teilte der Militärgouverneur der südukrainischen Region Mykolajiw, Vitalij Kim, auf seinem Telegram-Kanal mit. In der nordostukrainischen Region Charkiw sind laut Militärgouverneur Oleh Synjehubow drei Personen leicht verletzt worden.

Insgesamt habe Russland in der Nacht das Land mit 20 Drohnen und drei ballistischen Raketen vom Typ Iskander beschossen, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. 14 Drohnen seien über den Regionen Charkiw, Dnipropetrowsk, Kirowohrad, Mykolajiw und Saporischschja abgeschossen worden.

Machtkampf zwischen Selenskyj und seinem Armeechef

Derweil soll Selenskyj übereinstimmenden Medienberichten zufolge versucht haben, Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj zu entlassen. Auf Druck der USA und Großbritanniens sowie hochrangiger Militärs habe Selenskyj diese Entscheidung rückgängig machen müssen, berichtete die „Times“ am Dienstagabend. Der „Guardian“ meldete unter Berufung auf Oppositionsabgeordnete, der Präsident habe Saluschnyj am Montag zum Rücktritt aufgefordert, was dieser jedoch abgelehnt habe. Auch die „New York Times“ berichtete über Selenskyjs Plan, Saluschnyj zu feuern.

Seit Wochen gelten die Beziehungen zwischen Selenskyj und Saluschnyj angesichts der gescheiterten Gegenoffensive gegen die russischen Angreifer als gespannt. Der 50-jährige Saluschnyj wurde wenige Monate vor dem russischen Einmarsch vom Februar 2022 Oberbefehlshaber der Armee. Unter seinem Kommando hielten die ukrainischen Truppen der Invasion stand und eroberten sogar besetzte Gebiete zurück. Der General gilt als beliebt bei seinen Soldaten und in der Bevölkerung. Deshalb wurden ihm auch politische Ambitionen nachgesagt, die er aber dementierte.

Bereits am Montag hatte das ukrainische Verteidigungsministerium Berichten über eine Entlassung von Oberbefehlshaber Saluschnyj widersprochen. „Sehr geehrte Journalisten, wir antworten allen zugleich: Das stimmt nicht“, teilte das Ministerium auf Telegram mit.

Ölfabrik in St. Petersburg bei Drohnenangriff getroffen

Bei einem Drohnenangriff wurde Medienberichten zufolge eine Ölfabrik in der nordwestrussischen Millionenstadt St. Petersburg getroffen. „Nach der Explosion sind drei leere Zisternen in Brand geraten, die schnell gelöscht werden konnten“, berichtete das regionale Internetportal Fontanka. Zudem seien weitere Gebäude und Fahrzeuge beschädigt worden. Ein Überwachungsvideo einer nahegelegenen Busstation soll den Moment des Einschlags zeigen.

St. Petersburg liegt mehr als 1000 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Das russische Militär hat den Angriff bislang nicht kommentiert, berichtete allerdings zeitgleich über eine abgewehrte Drohnenattacke auf die benachbarte nordwestrussische Region Pskow.

Bundeswehr soll weitere 10.000 ukrainische Soldaten ausbilden

Deutschland will in diesem Jahr weitere 10.000 Soldaten aus der Ukraine ausbilden. Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller sagte in Brüssel, das Training solle wie im vergangenen Jahr im Rahmen der europäischen Ausbildungsmission EUMAM erfolgen. Für Deutschland sei klar, dass man weiter fest an der Seite der Ukraine stehe.

Über die EU-Mission wurden bislang rund 40.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten in der EU ausgebildet. Sie war im November 2022 von den Außenministern der Mitgliedstaaten beschlossen worden. Damals hatte es geheißen, es sollten erst einmal bis zu 15.000 ukrainische Soldaten in Deutschland, Polen und anderen EU-Ländern ausgebildet werden. Später wurde das Ziel dann auf 30.000 und dann auf 40.000 hochgeschraubt. Die Bundeswehr hat davon etwa 10.000 trainiert.

Ratspräsident warnt vor Scheitern des EU-Gipfels

EU-Ratspräsident Charles Michel hat kurz vor einem Sondergipfel zu milliardenschweren Finanzhilfen für die Ukraine eindringlich vor einem Scheitern der Verhandlungen gewarnt. „Eine Einigung sicherzustellen ist für unsere Glaubwürdigkeit von entscheidender Bedeutung“, schrieb der Belgier vor dem Spitzentreffen an diesem Donnerstag an die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten.

Es gehe dabei insbesondere auch um die Zusage, der Ukraine standhaft Unterstützung zu leisten. „Es liegt ganz an uns, eine Lösung zu finden und diese umzusetzen“, so Michel.

Scholz: Breitere europäische Unterstützung nötig

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die  europäischen Partner vor dem EU-Sondergipfel zu einer stärkeren militärischen Unterstützung der Ukraine aufgefordert. „Es kann nicht alleine an Deutschland hängen“, sagte der SPD-Politiker im Bundestag. 

Scholz erinnerte daran, dass Deutschland der größte Unterstützer nach den USA für die Ukraine sei und die Hälfte der Hilfe aus Europa leiste. „Und wenn wir diejenigen wären, die das überwiegend machen müssen, dann ist es nicht genug für die Ukraine. Wir wollen, dass mehr Länder sich aktiv beteiligen an der Unterstützung“, sagte der Kanzler.

Der Kanzler warnte vor einer Lage, in der Deutschland überfordert sein könnte. Weltweit  müsse alles dafür getan werden, dass dieser Zustand nicht eintrete, „denn es wäre Hybris, wenn wir glaubten, dass wir allein es richten können“, so Scholz. „So ist es nicht. Wir brauchen Gemeinsamkeit und Solidarität.“ 

© dpa-infocom, dpa:240131-99-815198/11


Von dpa
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