Die Befürworter konnten es kaum erwarten, viele Kritiker warnen vor einem historischen Fehler: Nach jahrzehntelangen Debatten hat der Bundestag eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland beschlossen. Die Gesetzespläne der Ampel-Koalition sehen keine komplette, sondern eine kontrollierte Freigabe mit diversen Regeln vor.
Wohl ab 1. April sollen Erwachsene damit dann die ersten erlaubten „Joints“ rauchen können. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzt darauf, Risiken zu begrenzen und den Schwarzmarkt zurückzudrängen - doch unumstritten ist das ganze Vorhaben nicht.
In der Drogenpolitik ist es eine Zäsur. Damit erkenne man endlich die Lebenswirklichkeit vieler Menschen an und sorge ganz praktisch für mehr Gesundheitsschutz, argumentierte der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD). Bisher steige der Konsum trotz des bestehenden Verbots von Erwerb und Besitz besonders auch unter jungen Menschen, heißt es im Gesetzentwurf. Cannabis vom Schwarzmarkt sei zudem häufig von Verunreinigungen und Beimengungen betroffen.
Lauterbach hebt aber auch die Botschaft hervor: „Es wird zwar legal, aber es gibt Probleme.“ Bisher wüssten viele Eltern nicht, wie schädlich der Konsum sei. Vor allem junge Erwachsene sollten auf erhöhte Gefahren hingewiesen werden.
Cannabis wird im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen. Der Umgang damit soll dann künftig zwar per Gesetz grundsätzlich verboten sein - aber mit drei festgelegten Ausnahmen für Personen ab 18 Jahren. Diese betreffen den Besitz bestimmter Mengen, den privaten Eigenanbau sowie Anbau und Weitergabe in speziellen Vereinen.
Generell nicht zu den verbotenen Tätigkeiten zählt gemäß den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen der Eigenkonsum, wie es im Gesetzentwurf heißt. Tabu bleiben sollen der Umgang mit Cannabis und der Konsum in den militärischen Bereichen der Bundeswehr.
Erlaubt werden soll der Besitz von bis zu 25 Gramm getrockneten Pflanzenmaterials zum Eigenkonsum, die man auch im öffentlichen Raum mit sich führen darf. In der privaten Wohnung soll man bis zu 50 Gramm aufbewahren können. Angebaut werden dürfen dort auch gleichzeitig drei Pflanzen. Was darüber hinausgeht, muss sofort vernichtet werden.
Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsum, nicht zur Weitergabe an andere. Samen, Pflanzen und geerntetes Haschisch und Marihuana müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden - etwa mit abschließbaren Schränken und Räumen.
Erlaubt werden sollen auch „Anbauvereinigungen“. Also so etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - an einem Tag höchstens 25 Gramm Cannabis je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der Rauschwirkung.
Die Clubs sind als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäude darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Anbauflächen und Lager müssen gesichert werden, für Transporte sollen Regeln gelten.
Um gemeinschaftlich angebautes Cannabis zu bekommen, muss man es persönlich vor Ort entgegennehmen, den Mitgliedsausweis und einen amtlichen Ausweis mit Foto vorlegen. Erlaubt ist nur Cannabis in Reinform, also als getrocknete Blüten und blütennahe Blätter (Marihuana) oder abgesondertes Harz (Haschisch). Verboten sind Mischungen mit Tabak, Nikotin oder Lebensmitteln. Die Verpackung muss neutral sein. Auf einem Infozettel müssen unter anderem das Gewicht in Gramm, die Sorte, der durchschnittliche THC-Gehalt in Prozent und Hinweise zu Risiken des Konsums aufgeführt werden.
Ein Kaufpreis darf nicht verlangt werden, finanzieren sollen sich die Vereinigungen durch ihre Mitgliedsbeiträge. Geregelt sind auch Dokumentationspflichten und amtliche Kontrollen.
Für Minderjährige bleiben Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis komplett verboten, wie das Gesundheitsministerium betont. Weitergaben an Kinder und Jugendliche sind strafbar. Der Konsum „in unmittelbarer Gegenwart“ von unter 18-Jährigen soll verboten sein, ebenso in Fußgängerzonen von 7.00 bis 20.00 Uhr.
Untersagt wird Kiffen auch auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in Sichtweite davon - also in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Zunächst waren 200 Meter angedacht.
Cannabis ist bisher die am häufigsten genutzte illegale Droge. Dazu, wie viel jährlich zu nicht-medizinischen Zwecken konsumiert wird, liegen laut Gesundheitsministerium aber noch keine validen Daten vor. Laut einer Studie für 2021 haben 4,5 Millionen Erwachsene nach eigenen Angaben in den zurückliegenden zwölf Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert - bei Männern 10,7 Prozent und bei Frauen 6,8 Prozent.
In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen war der Konsum demnach am stärksten verbreitet. Dabei bestehen Experten zufolge bis zum Alter von 25 Jahren wegen des noch anhaltenden Reifeprozesses des Gehirns besondere Risiken für psychische, physische und soziale Beeinträchtigungen.
Begleitend prüft das Verkehrsministerium gerade, wie ein THC-Grenzwert für Cannabis am Steuer gefasst werden könnte - ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. Bis Ende März sollen Expertenvorschläge vorliegen. Geregelt werden auch Sanktionen: Erwachsene, die bis zu 30 Gramm Cannabis dabeihaben oder bis zu 60 Gramm zu Hause, begehen eine Ordnungswidrigkeit. Wenn es noch mehr sind, macht man sich weiterhin strafbar.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es jedoch eine Amnestie von Verurteilungen für Fälle geben, die künftig erlaubt sind. Betroffene können dann beantragen, dass entsprechende Einträge im Bundeszentralregister getilgt werden. Relevant ist das etwa für Führungszeugnisse.
Nach dem Bundestagsbeschluss geht das Gesetz abschließend am 22. März in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es nicht. Prinzipiell könnte die Länderkammer aber den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und die Pläne so noch abbremsen. Für den Aufbau von Cannabis-Clubs dürfte dann Vorlauf nötig sein.
Eine geplante zweite Säule der Legalisierung hängt vorerst in der Warteschleife: Modellprojekte zur Abgabe von Cannabis in lizenzierten Geschäften, wie es auch im Koalitionsvertrag steht.
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