Einsamkeit und Geldnot: „Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben“ | FLZ.de

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Veröffentlicht am 16.11.2023 15:49

Einsamkeit und Geldnot: „Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben“

Ein 52-Jähriger hat quälende Zeiten hinter sich. Endlich hat er eine Wohnung - und doch ist es dort einsam. (Symbolbild: Christian Charisius/dpa)
Ein 52-Jähriger hat quälende Zeiten hinter sich. Endlich hat er eine Wohnung - und doch ist es dort einsam. (Symbolbild: Christian Charisius/dpa)
Ein 52-Jähriger hat quälende Zeiten hinter sich. Endlich hat er eine Wohnung - und doch ist es dort einsam. (Symbolbild: Christian Charisius/dpa)

Sein Kater gibt ihm Halt – vor allem, wenn die dunklen Gedanken kommen. Erst seit fünf Wochen ist Felix bei Kurt G. (Name geändert) zu Hause, doch schon sind die beiden ein echtes Team. Nach zwei Suizid-Versuchen und einer Odyssee durch psychiatrische Kliniken und Obdachlosen-Unterkünfte hat der 52-Jährige einen Job und eine Wohnung gefunden.

Doch was auf den ersten Blick nach geregeltem Alltag aussieht, ist für Kurt G. quälende Anstrengung. „Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben“, sagt er.

Die Schwierigkeiten begannen damit, dass sich seine Tochter, die er seit 1999 allein großzog, mit 15 Jahren von ihm abwandte und sich islamistischen Kreisen anschloss. „Die hat dann sogar Kopftuch getragen“, erzählt er. Inzwischen habe sie sich dem Einfluss der Fanatiker zwar entzogen, erzählt G., doch Vater und Tochter haben derzeit keinen Kontakt. Ein DNA-Test hat vor einiger Zeit zudem ergeben, dass es sich gar nicht um seine leibliche Tochter handelt.

Doch die Trennung und das vergebliche „Anlaufen gegen die Behörden“, etwas gegen das Abdriften des Teenagers zu unternehmen, haben tiefe Spuren in der Psyche von Kurt G. hinterlassen. Im Jahr 2015 versuchte er erstmals, sich das Leben zu nehmen. Es folgten eine Reha in einer Klinik und ein weiterer Suizidversuch. Aufenthalte in anderen Kliniken und Obdachlosen-Asylen schlossen sich an. Schließlich landete er im betreuten Wohnen der Diakonie.

In Privatinsolvenz mit Minijob

Im August 2019 fand er einen Minijob in einer Tankstelle, den er nach wie vor zuverlässig ausübt. Im Juli 2020 konnte er endlich eine bezahlbare Wohnung beziehen, die er mit gebrauchten Möbeln ausstattete und die er nach wie vor bewohnt.

Doch nicht nur immer wiederkehrende Depressionen, eine Diabetes-Erkrankung und ein zufällig diagnostizierter Schlaganfall Anfang des Jahres machen ihm zu schaffen. Weil er während der jahrelangen psychischen Ausnahmesituation den Überblick über seine Finanzen verlor, drücken ihn rund 100.000 Euro Schulden. Seit 2022 befindet er sich in Privatinsolvenz.

Sein Minijob bringt ihm monatlich 520 Euro, dazu kommt eine kleine Rente. Davon gehen die Miete und weitere Fixkosten ab. Außerdem kassiert die Insolvenzverwalterin 110 Euro, weil er durch den Minijob über der Pfändungsgrenze liegt. Insgesamt bleiben ihm etwa 600 Euro monatlich zum Leben. Zum Glück ist er ein leidenschaftlicher Koch, der auf Vorräte aus seinem Tiefkühlschrank zurückgreifen kann, wenn es mal wieder finanziell eng wird.

Manchmal braucht es jemanden zum Reden

Kurt G. bedrückt vor allem, dass er kaum soziale Kontakte hat, obwohl er jetzt schon vier Jahre in seinem Wohnort lebt. Die Straffälligenhilfe – die nicht nur Ex-Häftlinge betreut – unterstützt den 52-Jährigen bei der Alltagsbewältigung, manchmal braucht es aber auch einfach nur ein Gegenüber zum Reden. Ob er noch immer Selbstmord-Gedanken hat? „Wenn’s arg schlimm ist, würde ich mir professionelle Hilfe holen“, sagt er. Und jetzt ist ja auch Kater Felix da. Der ist von der Tiernothilfe gekommen, sein Vorbesitzer konnte das Tier nicht mehr halten. Den Kratzbaum gab’s vom Tierheim, das Katzenklo und Futter für zwei Monate steuerte die Tiernothilfe bei.

Mit einer Spende aus der Aktion „FLZ-Leser helfen“ möchte Kurt G. seine Wohnung etwas wohnlicher gestalten. Die Möbel, ohnehin oft gebraucht gekauft oder gar gespendet, sind zum Teil arg in die Jahre gekommen. Die Eckbank in der Küche ist total abgewetzt, auch der eine oder andere Küchenschrank müsste erneuert werden. Im Schlafzimmer steht ein Bett, das ständig zusammenzubrechen droht, weil stabilisierende Teile fehlen und die Matratze ist uralt und völlig durchgelegen.

Hinweis der Redaktion: Wenn Sie selbst das Empfinden haben, sich in einer ausweglosen Situation zu befinden, oder wenn Sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren Sie bitte den Krisendienst unter der Telefonnummer 0800/6553000 bzw. die Ökumenische Telefonseelsorge unter 0800/1110111 oder 0800/1110222. Online finde Sie Unterstützung unter online.telefonseelsorge.de

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Winfried Vennemann
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