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Veröffentlicht am 20.12.2022 04:18

Digitale Anlageberater: Wann ein Robo-Advisor sinnvoll ist

Geldanlage auf eigene Faust? Das sieht oft schwieriger aus, als es eigentlich ist. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Geldanlage auf eigene Faust? Das sieht oft schwieriger aus, als es eigentlich ist. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Geldanlage auf eigene Faust? Das sieht oft schwieriger aus, als es eigentlich ist. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Sie wollen ihr Geld anlegen, aber wissen nicht, wie genau? Sie haben keine Zeit oder Lust, selbst nach den richtigen Anlageprodukten zu suchen? Und Sie wollen sich nicht um Ihr Depot kümmern, wenn es einmal aufgesetzt ist? Dann sollten Sie sich Robo-Advisors anschauen.

Das sind Systeme, die sich automatisch um Ihr Geld kümmern. Der jeweilige Anbieter kassiert dafür eine Gebühr.

Wie funktioniert so ein Robo-Advisor genau?

Ein Robo-Advisor ist ein digitaler Anlageberater, der Ihr Geld am Kapitalmarkt investiert. Dazu fragt das System zunächst Ihr Vermögen und Ihre Risikobereitschaft ab. Anhand der Antworten ermittelt es, zu welchen Anteilen das Geld auf verschiedene Anlageklassen aufgeteilt wird - üblicherweise Anleihen und Aktien, aber auch Rohstoffe.

Tendenziell gilt: Je mehr Anleihen, umso sicherer das Portfolio. Je größer der Aktienanteil, desto risikoreicher die Geldanlage.

Wenn die Anlegerin oder der Anleger einverstanden sind, eröffnet der Robo-Advisor ein Wertpapier-Depot und investiert das Geld. Er behält das Portfolio im Blick und passt es je nach Börsenlage an.

Aktive Robos schichten das Geld anhand bestimmter Annahmen über den Markt häufiger um. Passive Robos sorgen lediglich dafür, dass die Aufteilung auf Anleihen und Aktien immer wiederhergestellt wird.

Was können die Robo-Advisors?

Die Zeitschrift „Finanztest“ hat sich die gängigen Robo-Advisors auf dem Markt zuletzt im Jahr 2021 angeschaut. Ergebnis: Vier Anbieter waren „gut“, elf „befriedigend“, aber auch acht „mangelhaft“. „Gute“ Teilnoten erhielten die Robos oft für ihre Infos zu Produkt und Kosten, die jährlichen Kosten selbst kamen dagegen meist nicht über ein „befriedigend“ hinaus. Sprich: Viele Anbieter waren zu teuer.

Die Robos taten aber das, was sie sollten. Die Tester ließen sich für verschiedene Anlegertypen eine passende Geldanlage vorschlagen. Ergebnis: „Die meisten Portfolios waren nicht zu bestanden.“

„Finanztest“-Projektleiter Yann Stoffel ist Experte für die digitalen Anlagehelfer. Seit dem letzten Test habe sich auf dem Robo-Markt nicht allzu viel geändert, sagt er. Es gebe einige neue Anbieter, bestehende hätten etwa Kosten gesenkt oder ihre AGB angepasst.

Oft passe das Portfolio gut zum Risikoprofil des Anlegers, so Stoffel. „Es kann aber auch zu risikoreich oder zu konservativ sein.“ Das kommt darauf an, wie genau Sie die Fragen beantworten. Wobei die richtige Risikoeinschätzung generell schwierig ist: Der Bankberater oder Freund und Bekannte schneiden nicht unbedingt besser ab.

Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hebt positiv hervor, dass die allermeisten Robos ETF benutzen, um das Geld der Kunden zu investieren. Das sei vielfach besser als die Angebote der Banken, wo oft Indexpolicen, Anlagezertifikate oder teure, aktiv verwaltete Mischfonds verkauft würden - wegen der Provisionen.

Es kommt allerdings auch darauf an, mit welchen ETF die Robos arbeiten. „Die meisten bieten kein breit gestreutes Investment“, bemängelt Nauhauser. Das heißt, sie investieren eher nicht in den gesamten Aktienmarkt, was das Risiko vermindert, sondern setzen auf bestimmte Regionen, Branchen oder sonstige Spezialthemen.

Was leisten Robo-Advisors nicht?

Die Systeme sorgen weder dafür, dass Sie überdurchschnittlich viel Geld verdienen, noch schützen sie vor Börsencrashs.

„Die Robo-Anbieter haften dafür, dass sie das Geld so anlegen, wie sie es dem Anleger vorher schriftlich versprochen haben“, erklärt Yann Stoffel. „Aber sie versprechen keine bestimmte Rendite.“ Damit gibt es also keine Garantie, besser abzuschneiden als der Markt.

„Es existieren keine Anlagestrategien, die verlässlich eine Überrendite erzielen“, bestätigt Niels Nauhauser. Das schafften weder aktiv gemanagte Fonds noch Robo-Advisors.

Die automatisierte Geldanlage via Robo bietet auch keinerlei Schutz vor Kursverlusten. „Sie können die Marktrisiken nicht ausschalten“, sagt Nauhauser. „Wenn sie das Risiko ausschalten würden, dann auch die Rendite.“ Denn beides hängt untrennbar zusammen.

Was kosten mich die digitalen Anlagehelfer?

Die Kosten der Robos setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: den Gebühren für die Anlageprodukte, also etwa die ETF, und den Gebühren der Robo-Anbieter selbst, die sie für ihren Service kassieren.

Die Gebühren für einen ETF auf den breit gestreuten MSCI-World-Index liegen Nauhauser zufolge bei rund 0,2 Prozent. Bei den Robo-Advisors fallen zusätzliche Kosten von zwischen rund 0,7 und 1 Prozent der Anlagesumme pro Jahr an. Diese Extrakosten schmälern die Rendite.

Faustregel: Bei mehr als einem Prozent Gesamtkosten pro Jahr werde es deutlich zu teuer, urteilt Yann Stoffel. Das ist schnell erreicht.

Für wen eignen sich die Robo-Advisors?

Die automatisierten Systeme sparen Zeit und Nerven. „Wer sich nicht selbst um die Geldanlage kümmern will, kann die Advisors nutzen, verzichtet dafür aber auf Rendite“, sagt Niels Nauhauser.

„Anlegerinnen und Anleger sollten aber schon eine Vorstellung davon haben, was sie suchen“, sagt Yann Stoffel. Nur so könnten sie verschiedene Robos vergleichen und eine Auswahl treffen.

Der Experte weiß aus Leserzuschriften, dass viele Privatanleger ein falsches Bild von Robos haben: „Einmal aufgesetzt, können Sie die Geldanlage nicht mehr beeinflussen. Sie können nicht selbst Themen beimischen. Und sie können auch nicht sagen: Jetzt ist Crash, gehe bitte aus Aktien raus und kaufe dafür Rentenpapiere.“

Für alle, die selbst am Portfolio herumschrauben wollen, ist ein Robo nichts, lautet Stoffels Fazit. „Ein Robo ist für alle, die das Steuer wirklich aus der Hand geben wollen.“ Und das kann Vorteile haben.

Es gebe viele Anleger, die zwar theoretisch wissen, wie sie ihr Geld selbst anlegen können, aber dennoch davor zurückschreckten, sagt Stoffel. „Mit einem Klick eigenhändig 20.000 Euro in einen ETF investieren, das fällt vielen nicht leicht.“

Das gleiche gilt fürs Umschichten des Portfolios. „Hier kann der Robo einen davor bewahren, dumme Entscheidungen zu treffen“, sagt Stoffel - wie in einem Crash aus Angst alle Aktien mit Verlust zu verkaufen. Denn früher oder später erholen sich die Kurse meist wieder.

Kann ich mich auch selbst um die Geldanlage kümmern?

Ja, und dazu rät auch Verbraucherschützer Nauhauser. „Eine solide Anlagestrategie mit ETF ist nicht so kompliziert, wie uns das die Finanzbranche weismachen will“, sagt der Finanzexperte.

Aus den Erkenntnissen der Forschung ergebe sich ein einfaches Rezept: breit streuen zu minimalen Kosten, etwa mit einem ETF-Sparplan auf einen weltweiten Index wie den MSCI-World oder den FTSE All World. Kaufen und liegen lassen. „Mehr ist es nicht“, sagt Nauhauser.

Fazit des Verbraucherschützers: „Wenn man weiß, dass und wie viel man in den Aktienmarkt investieren will, kann man das günstiger ohne Robo-Advisor umsetzen und einfach einen oder zwei ETF kaufen.“

© dpa-infocom, dpa:221219-99-955635/3

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