„Lasset uns am Alten, so es gut ist, halten. Aber auf dem alten Grunde Neues wirken jede Stunde“, zitiert Michaela Erbel einen Spruch. Viel besser lässt sich ihr neues Projekt kaum beschreiben: das Kaffeehaus im Aischgrund. Dass ein Roman von Helmut Haberkamm denselben Titel trägt, ist kein Zufall.
Die legendäre Gunda Erbel leitete einst das „Rote Ross“. „Kumm, gemmer zu der Gunda!“, wurde in Dachsbach zum geflügelten Spruch. Das Rote Ross ist das älteste Gasthaus im Ort, für viele ein Stück Heimat. Seine Anfänge liegen im Dunkel der Geschichte, sechs Jahrhunderte durchmisst dieser Ort der Gastfreundlichkeit und Geselligkeit mit Leichtigkeit. Für Michaela Erbel ist es eine Verpflichtung, ihn wieder zu füllen – mit Leben, Geselligkeit und Kultur.
„Wir haben uns gesagt, wir renovieren es richtig, damit die Bevölkerung an diesem Ort teilhaben kann.“ Die Erbels haben angefangen, die Ölfarbe von den Wänden zu kratzen. Was aufblitzte, entzückte: viele Farbschichten, alte Techniken. „Wir wollten dann alles sehen.“ Ein einmaliges historisches Form- und Farbenspiel ziert nunmehr die Wände.
Aber das Rote Ross ist nicht mehr das Rote Ross, auch wenn der Name noch an der Fassade prangt. Es heißt nun „Kaffeehaus im Aischgrund“, Michaela Erbel hat sich in Dachsbachs Schulstraße einen Traum erfüllt.
Wer sich nun denkt, „Kaffeehaus im Aischgrund“, das kommt mir doch bekannt vor, der irrt keineswegs. Ein Haberkamm’scher Klassiker trägt diesen Titel. „Ja, der Helmut ist ein langjähriger Freund von uns“, sagt Erbel. Er gestaltete schon die Mundart-Bäckertüten der Bäckerei Erbel mit. Denn der Erhalt der fränkischen Kultur und Sprache liegt allen am Herzen. Arnd Erbel und Helmut Haberkamm – zwei waschechte Dachsbacher. Hinzu kommt mit Michaela Erbel aus Rannungen eine gebürtige Unterfränkin.
Als sie bei Haberkamm um Erlaubnis bat, den Titel für ihr Kaffeehaus zu übernehmen, war der Schriftsteller angetan. Denn auch wenn die Geschichte des Romans eigentlich in Peppenhöchstädt spielt und es das darin beschriebene Haus auch tatsächlich gibt, ist das Kaffeehaus an sich Fiktion. Denn ein solches hat der Aischgrund nicht zu bieten. Pardon: hatte der Aischgrund nicht zu bieten. Bis Samstag.
„Eigentlich haben wir mit der Bäckerei genug zu tun“, sagt Michaela Erbel. Aber da fließt etwas in der 60-Jährigen, eine gastronomische Ader. Ein Teil ihrer DNA: Ihr Großvater kennt sich mit Kaffeehäusern aus – in Amsterdam und Den Haag in den Niederlanden hat er solche geführt. Bis er im Zweiten Weltkrieg nach Rannungen heimkehrte. Und ihr Mann Arnd Erbel hat in Wien seinen Konditoren-Meister gemacht, seinen Zuckerbäcker, wie es dort heißt. Wiens Kaffeehäuser begeistern die Erbels, sollen aber kein Vorbild für die Dachsbacher Variante sein.
„Ich wollte schon immer ein Café haben.“ Ein lang gehegter Traum. „Als wir das Rote Ross gekauft haben, war unsere Intention: bloß kein Café“, sagt Erbel und lacht. Nach und nach reifte er, der Kaffeehaus-Gedanke. Die Erbels haben darauf hingearbeitet, die edle Vintage-Einrichtung Zug um Zug besorgt. Bei einer Gastro-Auflösung hier, bei einem Mühlenausverkauf da. „Es sind alles gebrauchte Gegenstände“, sagt Erbel. „Aber von hochwertigen Herstellern.“ Die edlen Glas-Leuchter, die zeitlosen Sessel, der güldene Spiegel.
Vorträge wird es geben, Lesungen, Kunstausstellungen und Kulinarik-Abende. Weingenüsse im lauschigen Hof bei Kerzenschein. Gourmet-Koch Franz Keller hat für ein Gastspiel schon zugesagt, Christoph Himmel von der Hamburger Speisegesellschaft ebenso. Auch Schäufele und Karpfen? Nein, sagt Michaela Erbel. „Wir wollen bewusst keine Konkurrenz zu Gasthäusern sein.“ Karpfen und Schäufele gibt’s schließlich anderswo schon zur Genüge.
Jeden Sonn- und Feiertag öffnet das Kaffeehaus im Aischgrund von 11 bis 17 Uhr. Wert legt Michaela Erbel auf hochwertige Produkte. Deshalb wird es auch keine 20 Kuchen und Torten zur Auswahl geben.
Am Samstag eröffnete das Kaffeehaus im Aischgrund offiziell. Haberkamm las – natürlich – aus seinem gleichnamigen Roman. Und eines wurde deutlich: Es ist eben nicht nur ein Café, sondern ein Kaffeehaus. Ein Ort der Geselligkeit, ein Ort der Begegnung, ein Ort der Kunst und Kultur. Ein Ort für alle Menschen. Erbel nimmt keine Reservierungen entgegen, „die Leute sollen kommen und zusammenrücken“. Nicht urfränkisch, jeder in seinem Eck. Sondern gesellig und voller Begegnungen. Also kumm, gemmer zu der Michaela.