Amy Gutmann in der Heimat ihres Vaters | FLZ.de

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Veröffentlicht am 17.02.2022 22:04

Amy Gutmann in der Heimat ihres Vaters

Im Dezember stellte sich Amy Gutmann im amerikanischen Senat einer Anhörung zu ihrer Ernennung. Jetzt ist klar, dass die 72-Jährige als Botschafterin nach Deutschland geht. Dort wartet eine herzliche Einladung aus Feuchtwangen auf sie. Foto: imago images/ZUMA Wire
Im Dezember stellte sich Amy Gutmann im amerikanischen Senat einer Anhörung zu ihrer Ernennung. Jetzt ist klar, dass die 72-Jährige als Botschafterin nach Deutschland geht. Dort wartet eine herzliche Einladung aus Feuchtwangen auf sie. Foto: imago images/ZUMA Wire
Im Dezember stellte sich Amy Gutmann im amerikanischen Senat einer Anhörung zu ihrer Ernennung. Jetzt ist klar, dass die 72-Jährige als Botschafterin nach Deutschland geht. Dort wartet eine herzliche Einladung aus Feuchtwangen auf sie. Foto: imago images/ZUMA Wire

Viele ihrer Angehörigen wurden von den Nazis ermordet, einigen gelang rechtzeitig die Flucht. Ihr Vater Kurt Gutmann, aufgewachsen in Feuchtwangen, verließ Deutschland im Jahr 1934. Jetzt kehrt Amy Gutmann als Botschafterin der Vereinigten Staaten in das Heimatland ihres Vaters zurück.

„Wir freuen uns riesig. Ganz Feuchtwangen hat darauf gehofft“, kommentierte gestern dritter Bürgermeister Herbert Lindörfer die Entscheidung. US-Präsident Joe Biden hatte die renommierte Politikwissenschaftlerin schon vor einem halben Jahr nominiert. Im US-Senat verhinderten die Republikaner seitdem ihre Bestätigung. Erst am Dienstag fand sich für sie eine Mehrheit mit 54 zu 42 Stimmen. Vier Senatoren nahmen nicht an der Abstimmung teil.
In den vergangenen 18 Jahren stand Amy Gutmann an der Spitze der University of Pennsylvania. Diese außergewöhnliche lange Amtszeit an einer der bedeutendsten Hochschulen Amerikas wäre im Juni dieses Jahres zu Ende gegangen. Sie findet nun ein vorzeitiges Ende für den Umzug nach Berlin.
Damit schließt sich für die 72-Jährige ein Kreis, der in Feuchtwangen begonnen hatte. Kurt Gutmann wuchs hier als jüngstes von fünf Kindern in einer orthodox-jüdischen Familie auf. Nach dem Schulabschluss zog er nach Nürnberg, kurz darauf nach Frankfurt. Als Student erlebte er, wie die Judenverfolgung der Nationalsozialisten und ihrer vielen Unterstützer immer lebensbedrohlicher wurde. Er wollte nach Amerika emigrieren, bekam dort aber kein Asyl. Deshalb ging er nach Indien.
Anschließend holte er seine vier Geschwister und weitere Verwandte nach Bombay. Dort baute er eine Metallfabrikation auf und musste mit seiner Familie hilflos den Massenmord an Juden in Europa mit ansehen. In den Konzentrationslagern wurden auch Menschen ermordet, mit denen er in Feuchtwangen aufgewachsen war.
1948 konnte Kurt Gutmann sein ursprüngliches Ziel New York als Urlauber besuchen. In einem Hotel verliebte er sich, zwei Wochen später war Hochzeit. Kurt und Beatrice Gutmann lebten danach in einem Vorort von New York, wo im November 1949 ihr einziges Kind zur Welt kam.
Für Amy Gutmann blieb ihr Vater ein lebenslanges Vorbild. „Er hat mich am meisten beeinflusst“, sagte sie in einem Interview. „Ohne seine Kombination von Mut und Weitsicht würde es mich nicht geben. Er sah kommen, was unter Hitler geschehen würde, und hat es mit aller Kraft geschafft, sich und seine Familie nach Indien zu bringen.“

„Ein Besuch wäre eine ganz große Ehre“

Nach einem Studium in Harvard und an der London School of Economics startete Amy Gutmann nicht nur eine Karriere als Wissenschaftlerin, sondern setzte als Universitätspräsidentin wichtige Neuerungen für die Förderung von Jugendlichen aus ärmeren Verhältnissen durch.
„Ein Besuch von ihr wäre für die Stadt Feuchtwangen eine ganz große Ehre“, sagte Herbert Lindörfer, der gestern Bürgermeister Patrick Ruh an der Spitze der Stadt vertrat. „Wir gratulieren Amy Gutmann sehr herzlich zu ihrer Ernennung als Botschafterin und hoffen, dass sie unsere Einladung annehmen kann.“
Ein Besuch von ihr wäre nicht nur eine Erinnerung an ihre Familie, sondern auch eine Anerkennung der vielfältigen Arbeit, mit der die Stadt an das jüdische Feuchtwangen erinnert, so Lindörfer. Die Stadt nahm mit mehreren Projekten an den bundesweiten Feiern „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ teil.

Manfred Blendinger

Der Artikel erschien erstmals am 10. Februar 2022 in der FLZ

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