Zwei Frauen, eine Mission: 25.000 Kilometer auf der Panamericana | FLZ.de

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Veröffentlicht am 14.05.2022 20:02

Zwei Frauen, eine Mission: 25.000 Kilometer auf der Panamericana

In Yucatán standen Anna Schmelzer, Van Berta und Anne Hopfengärtner (von links) unter Palmen. (Foto: PerspektiVan)
In Yucatán standen Anna Schmelzer, Van Berta und Anne Hopfengärtner (von links) unter Palmen. (Foto: PerspektiVan)
In Yucatán standen Anna Schmelzer, Van Berta und Anne Hopfengärtner (von links) unter Palmen. (Foto: PerspektiVan)

Sie haben ihre Bürostühle gegen den Fahrersitz im Camper getauscht, ihren Besitz von 57 Quadratmeter auf sechs reduziert: Die Neustädterin Anne Hopfengärtner und ihre Partnerin Anna Schmelzer erleben gerade das Abenteuer ihres Lebens und leben ihren Traum auf der Panamericana. Zwei Frauen, ein Van, 25.000 Kilometer.

Berta geht es nicht gut. Sie ist 24 Jahre alt, eigentlich zuverlässig, gemütlich, lang und schlank gewachsen. Doch heute hat sie Reifenschmerzen. Berta ist ein umgebauter Sprinter, ein Van. Die mexikanischen Bodenschwellen haben ihr zugesetzt. So ein Abenteuer ist eben nichts für schwache Aufhängungen. Aber die Abenteurerweisheit lehrt: „Nur die Dirt-Roads führen zu den schönsten Plätzen“, sagt Hopfengärtner. Und die bringen schon mal Van’sche Kalamitäten mit sich.

Für Hopfengärtner und Schmelzer beginnt die Ersatzteilsuche. Mitten in der mexikanischen Pampa, mit nur wenigen Spanisch-Kenntnissen, Hände und Füße müssen es richten. „Die Mexikaner sind nett und hilfsbereit“, lautet das Fazit. Und wenn es keine konventionelle Lösung gibt, werden sie eben kreativ. Mexikanisches Laissez-faire – ein Kulturschock? Vielleicht. Aber ein Abenteuer wäre kein Abenteuer, wenn alles glatt liefe.

Kilometer 13.000, irgendwo in Kalifornien. Heute haben Hopfengärtner und Schmelzer ein Online-Treffen mit unserer Redaktion. Das Internet: brüchig. Krrr. Krrr. „Hallo, hörst du uns?“ Und schon sind sie wieder weg. Authentisch. Denn wer über ein Abenteuer berichten will, muss dieses doch irgendwie nachspüren. Immerhin trennen uns in diesem Moment über 9000 Kilometer.

Ein Katzensprung, wenn man einen Blick auf die Route wirft, die das Duo noch vor sich hat. Ihr Weg: die Panamericana. 25.000 erlebnisgeschwängerte Kilometer – die längste Traumstraße der Welt, die Route 66 für Fortgeschrittene, die nicht nur geradeaus fahren wollen.

Doch jedem Zauber wohnt eine Prise Spießigkeit inne. Schuften, rackern, Überstunden. Wer etwas erleben will, braucht Geld. Wie viel kostet er, so ein Lebenstraum? Die „Sicherheitssumme“ sollte so viel betragen, dass man davon sechs Monate problemlos überleben kann, hat ihnen ein Podcast gelehrt.

Außerdem geht es ja auch gar nicht um finanziellen Reichtum, sondern vielmehr um „Reichtum an Erfahrungen“, sagt Anne Hopfengärtner. Und in dieser bislang nicht näher definierten Währung werden sie und Schmelzer nach ihrer Tour sicherlich Millionärinnen sein.

Ein paar tausend Erlebnis-Taler liegen da jedenfalls schon auf ihrem Konto – noch aus 2016, als die beiden mit Zug und Rucksack ihr Fernweh entdeckten. „Man ist frei, es macht einfach Spaß.“ „PerspektiVan“ nennen sie ihr neues Projekt – eine Mischung aus Perspektiven und Van. Was eine Reise eben so ausmacht.

Hopfengärtner kommt aus Neustadt, ist 1,67 Meter groß und mit 32 Jahren Fußballprofi im Ruhestand und master-ausgebildete Pädagogin. „Sie hinterfragt Grenzen in Köpfen. Sie diskutiert leidenschaftlich, warum nicht alle Menschen gleich behandelt werden“, beschreibt Anna Schmelzer ihre Partnerin. Anne Hopfengärtner ist während der Reise „Head of Driving and Parking“ – die Meisterin hinter dem Lenkrad. Sie kümmert sich um die Sicherheit, die technische Ausstattung und weiß genau, wie man im Hier und Jetzt lebt.

Die 1,65 Meter große Schmelzer kommt aus Niedersachsen, 33 Jahre alt, hat ebenfalls einen Pädagogik-Master und ist Ex-Spielerfrau. „Universeller Wissensdurst und kreativer Pragmatismus“ zeichnen sie aus, findet Hopfengärtner. Und klammheimlich träumt Schmelzer von einer besseren Welt. Sie ist aber nicht nur Friedenskämpferin, sondern kümmert sich um die spaßigen Aktivitäten, die Navigation und das Allerwichtigste: ums Essen.

Die dritte im Bunde ist eben Van-Dame Berta. Zwei Zimmer, Küche, Bad: „Das alles beherbergt unser Camper.“ Berta hat eine Schwäche für Design, liebt Echtholz, Schränke und ganzjährige Lkw-Reifen. „Berta hat ein ausgeprägtes Faible für den Camping-Pragmatismus“, sagt Hopfengärtner. 122 PS, 2874 Kubik Hubraum. Nicht unbedingt ein Trumpf im Trucker-Kartenspiel. Aber es zählen die wirklich inneren Werte.

Die Frauen haben Berta selbst aufgemotzt. Sechs Monate haben sie debattiert, was man braucht, für den Lebenstraum – und Berta so umgebaut, dass sie mit ihr autark leben können, mal abgesehen von zugekauften Lebensmitteln. Beste Sandbleche für Offroad-Strecken. Solarstrom vom Dach. Eingebaute Toilette. Ein Wasserfilter, der auch den härtesten Coli-Bakterien den Kampf ansagt. Und generell ein trautes Wohlfühl-Heim.

Aber wie bekommt man so eine schwäbische Diva von Deutschland nach Mexiko? Oktober 2021, Bremerhaven: Heute ist der große Tag – Berta wird per Fähre verschifft. „Der lustige Part der Verschiffung kam dann erst in Mexiko auf uns zu. Denn leider ist es in Veracruz nicht so einfach, sein Fahrzeug aus dem Hafen zu bekommen und nach Mexiko einzuführen“, sagt Schmelzer.

„Eigentlich wollten wir schon im Mai 2020 die längste Straße der Welt fahren. Es kam alles anders. Unsere Flüge und der Frachter für unser Wohnmobil wurden storniert. Dafür erkundeten wir Deutschland und verbrachten den Winter in Griechenland. Den Spätsommer 2021 trudelten wir durch Schweden. Seit November 2021 ist es nun endlich so weit: Wir können unseren lange gehegten Traum der Panamericana endlich verwirklichen!“ Was lange währt, wird eben endlich gut – fünf Euro ins Phrasenschwein.

Seitdem genießen Anna Schmelzer und Anne Hopfengärtner das Van-Life. Die Unabhängigkeit, die Wärme, der frische Wind. In ihrem Reiseblog perspektivan.de – der nun übrigens sogar für den „Campz Blogpreis 2022“ in der Kategorie „Vanlife und Camping“ nominiert ist – nehmen sie jeden mit auf ihr großes Abenteuer. Ein paar Euro verdienen sie außerdem als freie Autoren für Van-Magazine.

Sie berichten in ihrem Blog vom Lockdown auf dem griechischen Campingplatz, vom Abenteuer der Van-Verschiffung, über einen Geburtstag im Dschungel. Sie wandeln auf den Spuren der Mayas in Palenque, erkunden Yucatán, suchen Stellplätze in Tabasco. „Häufig haben wir auf Farmen übernachtet“, sagen sie. Denn nachts in der Prärie frei zu stehen, ist brandgefährlich.

In diesem Moment fahren oder schlafen Anne Hopfengärtner und Anna Schmelzer im Van, irgendwo in den USA. Noch bis November leben sie ihren Traum. Das vorläufige Ziel: Halifax an der kanadischen Ostküste. Dann verschiffen sie Berta zurück. Ob nach Deutschland, das wissen sie noch nicht so genau. Vielleicht auch irgendwo anders hin – für ein neues Abenteuer. Zwei Frauen, ein Van und zahllose Kilometer. „Die Freiheit mit Berta genießen.“

Johannes Zimmermann

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