Veröffentlicht am 24.03.2023 16:31

Wenn’s staubt statt brennt: Fehlalarme beschäftigen die Feuerwehr

Rainer Weiskirchen (60) ist der Sprecher der Feuerwehr im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. . (Foto: Elke Wunderlich)
Rainer Weiskirchen (60) ist der Sprecher der Feuerwehr im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. . (Foto: Elke Wunderlich)
Rainer Weiskirchen (60) ist der Sprecher der Feuerwehr im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. . (Foto: Elke Wunderlich)
Rainer Weiskirchen (60) ist der Sprecher der Feuerwehr im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. . (Foto: Elke Wunderlich)

Sie retten Leben – ehrenamtlich: die Männer und Frauen der Feuerwehren. Wenn die Sirene heult, lassen sie alles stehen und liegen, eilen aus dem Haus und helfen. Aber was ist, wenn sich jemand einen Scherz erlaubt oder die Brandmeldeanlage defekt ist? Fehlalarme sind tückisch. Demotivieren sie die Freiwilligen? Jein, sagt Kreisfeuerwehrsprecher Rainer Weiskirchen.

Herr Weiskirchen, was versteht man in Feuerwehrkreisen unter einem Fehlalarm?

Unter diesem Begriff verbirgt sich ein Sammelsurium. Da gibt es zum einen den blinden Alarm. Das ist ein technischer Defekt in der Brandmeldeanlage oder im Rauchmelder. Das Gerät löst aus und niemand weiß, warum. Das hatten wir 2022 im Kreis 94 Mal – das bedeutet rund zwei Einsätze pro Woche. Hinzu kommen 17 Fälle, in denen Rauchmelder grundlos angeschlagen haben.

Aber das war noch nicht alles?

Nein, ganz und gar nicht. Häufig sind auch Täuschungsalarme. Das bedeutet, die Anlage sieht irgendwas, was tatsächlich ein Brand sein könnte, und löst aus. Die Ursache kann der Wasserkocherdampf sein, die Zuckerwattemaschine wie neulich in Emskirchen oder der Schweißer, der vergessen hat, die Anlage auszuschalten. Die Brandmeldeanlage sieht tendenziell das Richtige, kann aber noch nicht unterscheiden, ob Gefahr besteht. Das hatten wir 2022 tatsächlich 31 Mal.

Gibt es auch Bösartigkeit?

Ja, leider. Wir hatten vergangenes Jahr 30 Irrtümer, bei denen Passanten Rauch oder irgendetwas anderes gesehen haben, was sich vor Ort nicht bestätigt hat; elf weitere stellten sich als böswillig heraus.

Das klingt frustrierend.

Es ist einfach ärgerlich, wenn du feststellst, dass du aus Jux und Tollerei loseilst. Wir sind alle freiwillig und das ist nicht ganz ungefährlich. Wenn die Kameradinnen und Kameraden alarmiert werden, gehen sie tagsüber von ihrem Job weg. Sie haben nur ein Alarmstichwort, wissen aber nicht genau, was sie erwartet. Sie eilen ins Feuerwehrhaus, das ist immer ein Gefahrenpotenzial. Auch die Einsatzfahrt birgt Risiken.

Erinnern Sie sich noch an irgendwelche Absurditäten?

Was zunimmt, sind E-Calls bei neuen Autos. Die Software erkennt, wenn das Fahrzeug in einen Unfall verwickelt wird und ruft automatisch Hilfe, wenn der Fahrer nicht reagiert. Das kann im Notfall Leben retten, ist aber auch fehleranfällig. Acht Autos hatten uns 2022 alarmiert. Als wir ankamen, standen sie verlassen auf einem Parkplatz. Das sind die Fälle, wo wir durch die Gegend fahren, aber nichts ist.

Wenn Anrufer eine vermeintliche Rauchwolke sehen, die dann aber nur Staub ist. Wie verhalten sie sich dann richtig?

Es passiert, dass sich jemand irrt. Wir sind alles nur Menschen. Im trockenen Sommer 2022 hatten wir eine Handvoll Fehlalarme, weil Anrufer den Grubber auf dem Feld, der eine riesige Staubwolke hinter sich hergezogen hat, für einen Waldbrand gehalten haben. Auch ich habe solche Fälle gesehen, das sah spektakulär aus, wenn der Wind gepasst hat. Da musste ich auch dreimal hinschauen, ob es da nicht wirklich brennt. Das war der Wahnsinn.

Was sollten Melder in solchen Fällen tun?

Wenn sie erkennen, dass sie sich geirrt habe, würden wir das gerne frühzeitig wissen. Es wäre gut, wenn der Anrufer sich noch mal kurz in der Leitstelle meldet und sagt: „Sorry, ich habe mich geirrt.“ Dann ist der Druck raus und wir können Feuerwehren aus anderen Gemeinden, die vielleicht mitalarmiert wurden, wieder heimschicken. Das nimmt Stress und Adrenalin raus: Der Puls geht runter und alles wird ein bisschen lockerer.

Rückt die Feuerwehr in solchen Fällen dann gar nicht mehr aus?

Doch. Ein Feuerwehrauto fährt mindestens hin, um zu schauen, ob auch wirklich nichts ist. Aber das ist dann unser Bier und alle anderen können beruhigt sein. Wenn es nicht mutwillig passiert, wird dem Anrufer auch nichts passieren. Lieber einmal mehr anrufen.

In welchen Fällen werden die Nachbarfeuerwehren mitalarmiert?

Wenn es nach etwas Größerem aussieht. Sie müssen sich das so vorstellen: In der Leitstelle sitzt jemand in Ansbach in einem Raum ohne Fenster. Er muss das, was er vom Anrufer hört, in eine Alarmierung umsetzen. Das ist brutal schwierig. Wir haben selten ein Oberndorf, wo man auf dem Weg zum Feuerwehrhaus anhand der Rauchsäule schon sieht, was Sache ist.

Sollten Melder noch etwas beachtet?

Es wäre gut, wenn der Anrufer nicht sofort wieder auflegt. Die Leitstelle hat manchmal Nachfragen. Und auch für die Feuerwehr ist es immer super, wenn sich der Anrufer vor Ort zu erkennen gibt und beispielsweise den Einweiser macht. Das ist vor allem bei Wald- und Flächenbränden in der Prärie enorm hilfreich. Viele sagen, sie haben keine Zeit. Das ist traurig, weil wir wirklich schnell vor Ort sind.

Über zehn Prozent der gesamten Einsätze im Jahr 2022 waren Fehlalarme. Was macht das mit den freiwilligen Wehrleuten?

Es ist egal, der wievielte Brandmelde-Alarm es ist, die Feuerwehr wird in kompletter Mannschaftsstärke ausrücken. Ich will nicht anzweifeln, dass es bei 6000 Feuerwehrleuten den einen oder anderen mürbe macht. Die Frage ist, wie geht der jeweilige Kommandant damit um, wie kommuniziert er das seiner Mannschaft.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich erinnere mich da gerne an eine Aussage des Kreisbrandmeisters Jochen Hirsch. Er nannte die Feuerwehr Uffenheim als Beispiel – die haben im Industriegebiet Langensteinach riesige Hallen. Mindestens einmal im Jahr gibt es dort einen echten Auslösegrund, ab und an auch Fehlalarme, klar. Es ist wichtig, die Motivation in der Mannschaft hochzuhalten. In Uffenheim hat die Stadt eine Satzung, dass Brandmeldeanlagen-Einsatzfahrten entsprechend verrechnet werden. Ein Teil des Erlöses landet in der Mannschaftskasse. Dann können die Kameradinnen und Kameraden damit etwas Schönes unternehmen.


Johannes Zimmermann
Johannes Zimmermann
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