Veröffentlicht am 25.05.2023 07:05

Musikkomödie sorgt in Dinkelsbühl für Partystimmung

„Born to be wild“: Zum guten Schluss kommt der Rocker im Spießer zum Vorschein. Eine Szene mit Knut Fleischmann (vorne) und Ensemblemitgliedern. (Foto: Hans von Draminski)
„Born to be wild“: Zum guten Schluss kommt der Rocker im Spießer zum Vorschein. Eine Szene mit Knut Fleischmann (vorne) und Ensemblemitgliedern. (Foto: Hans von Draminski)
„Born to be wild“: Zum guten Schluss kommt der Rocker im Spießer zum Vorschein. Eine Szene mit Knut Fleischmann (vorne) und Ensemblemitgliedern. (Foto: Hans von Draminski)
„Born to be wild“: Zum guten Schluss kommt der Rocker im Spießer zum Vorschein. Eine Szene mit Knut Fleischmann (vorne) und Ensemblemitgliedern. (Foto: Hans von Draminski)

Wer abends lieber auf große Überraschungen verzichtet, aber gern ein bisschen mitklatscht und mitsingt, für den hat das Landestheater Dinkelsbühl das richtige Sommerstück parat: „Komm, gib mir deine Hand“. Am Dienstag war Premiere, eine bejubelte natürlich. Geht bei Peter Cahns Inszenierung gar nicht anders.

Hilke Bultmann lässt in ihrem Stück zwei Welten aufeinanderprallen: die spießigen Eltern und den aufmüpfigen Nachwuchs der späten 60er Jahre. Die krachen nicht brutal ineinander, sondern so, dass der Schlagwort-Abtausch munter Extra-Lacher produziert. Die revolutionären Worthülsen der Zeit haben einen hohen Wiedererkennungswert, genauso wie die altdeutschen Sprüche Marke „Solange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst“.

Historisch unterfütterte Hit-Revue

Intendant Peter Cahn hat als Regisseur schon oft auf der Freilichtbühne die Seelenlagen und Lebenslügen vergangener Jahrzehnte reanimiert. Er hat die historisch unterfütterte Hit-Revue in Dinkelsbühl als festes Sommerformat etabliert – und perfektioniert. Das Publikum weiß, was es erwartet und bekommt es.

Die Handlung dreht sich dieses Mal um einen Kleinstadt-Musikclub, der schon bessere Tage gesehen hat. In ihm treffen Jung und Alt aufeinander. Der Generationenkonflikt, der sich um 1968 Bahn bricht, konzentriert sich hier komödiantisch – Liebesgeschichten und Beziehungskrisen inklusive.

Das alles ist vorhersehbar, taugt aber als Vehikel für viele alte Hits. Musik von Steppenwolf, den Beatles, den Rolling Stones oder Elvis Presley reibt sich an Peggy March, Hildegard Knef, Udo Jürgens und Alexandra. Und irgendwie macht alles Spaß, der Schlager-Schmalz genauso wie das Rebellen-Pathos, das ja auch längst historisch ist. Souverän tariert Cahn Nostalgie mit Ironie aus. Das Timing stimmt, das Tempo auch. Die Typenhaftigkeit der Figuren lässt er von seinem Ensemble gut kalkuliert überzeichnen.

Musiknummer zünden

Andreas Harwath, der Musikchef, hat wieder ganze Arbeit geleistet. Die Musiknummern verfehlen ihre Wirkung nicht. Das neunköpfige Ensemble singt gut bis prächtig. Weil ein paar Schauspieler auch Instrumente beherrschen, entsteht sogar der Eindruck einer mitreißenden Live-Band. Was raffiniert überspielt, dass es eben keine vollgültige Band gibt. Die meisten Songs laufen als Halb-Playback. Steril wirkt das hier nie. Schnell kommt Partystimmung auf.

Ausbruch aus engen Verhältnissen

Angela Eberlein als Diseuse, Diana Barth als spätemanzipierende Frau Müller und Janina Dötterl als Friseuse voller Aufstiegsträume bieten starke Gesangsnummern. Claudia Roth und Robert Schmelcher als Geschwister üben den Ausbruch aus engen Verhältnissen.

Mario Brutschin ist ein dogmatisch klarer APO-Revoluzzer. Andreas Peteratzinger entwickelt fast proustsche Noblesse als Club-Besitzer. Knut Fleischmann glänzt als Familiendespot in Buchhaltergrau (Kostüme: Elvira Freind). Und Marcel Kaiser bringt als berlinernder Frankie hippeligen Schwung in den Laden, greift beherzt zur Gitarre, singt Donovan und Bob Dylan. Das hat rauen Charme.


Thomas Wirth
Thomas Wirth

Redakteur im Ressort „Kultur“

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