Misteln auf dem Vormarsch: Forschung zum Befall von Kiefern | FLZ.de

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Veröffentlicht am 03.04.2024 06:32

Misteln auf dem Vormarsch: Forschung zum Befall von Kiefern

Kiefern sterben am Rand eines Waldes ab, sie bekommen einen roten Stamm und die Nadeln welken. (Foto: Daniel Löb/dpa)
Kiefern sterben am Rand eines Waldes ab, sie bekommen einen roten Stamm und die Nadeln welken. (Foto: Daniel Löb/dpa)
Kiefern sterben am Rand eines Waldes ab, sie bekommen einen roten Stamm und die Nadeln welken. (Foto: Daniel Löb/dpa)

Misteln befallen zunehmend Kiefern in Bayerns Wäldern. Fachleuten bereitet das Sorgen, denn die Halbschmarotzer schwächen die von der Klimaerwärmung gestressten Nadelbäume zusätzlich. „In Zeiten, wo es trocken ist, wird es doppelt schwierig für den Baum“, erläutert Hans-Joachim Klemmt von der bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising. An mehreren Stellen in Nordbayern wollen die Fachleute nun untersuchen, wie es den befallenen Kiefern geht und ob sich Ausbreitungsmuster bei den Misteln erkennen lassen.

Kiefern sind hauptsächlich im Norden des Freistaats verbreitet. 2007 sei erstmals bei der Waldzustandserhebung auch der Befall mit Misteln dokumentiert worden, sagt Klemmt. Damals seien nur 1,7 Prozent der Probebäume befallen gewesen. Mittlerweile seien es schon fast 40 Prozent.

Die Zunahme führen die LWF-Fachleute auf die Klimaerwärmung zurück. „Die Lebensbedingungen für die Misteln werden besser. Die strengeren Fröste im Winter fallen aus“, sagt Klemmt. Zudem veränderten Vögel ihr Zugverhalten. Da diese die Misteln von Baum zu Baum verbreiteten, könnte das eine Rolle bei dem zunehmenden Mistel-Befall spielen.

Die Mistel (Viscum album) ist vielen Menschen vor allem als Weihnachtsschmuck, als Glücksbringer oder Heilpflanze bekannt. Hierzulande sind Klemmt zufolge drei Arten heimisch: die Kiefernmistel, die Tannenmistel und die Laubbaummistel. Misteln entziehen dem Wirtsbaum Wasser und Nährstoffe.

Vögel naschen nach Angaben des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) gerne von den weißen Beeren, die so klebrig sind, dass Teile am Schnabel hängen bleiben. Wetzen diese dann ihren Schnabel an einem Baum oder hinterlassen dort ihren Kot, bleiben Mistelsamen an der Rinde kleben.

Die immergrünen kugelförmigen Mistel-Büschel fallen vor allem im Winter auf, wenn Laubbäume kahl sind. Deshalb lässt sich der Mistelbefall besonders gut an Stadtbäumen, in Parks oder auf Obstwiesen beobachten. Der Nabu ruft deshalb jedes Jahr im Winter dazu auf, Misteln in Baumkronen über eine Homepage zu melden. Demnach wurden Misteln am häufigsten in Pappeln und Apfelbäumen beobachtet. Diese Daten seien aber nicht repräsentativ, teilte ein Nabu-Sprecher mit.

Berlin erfasst seit den 1980er-Jahren den Mistelbefall von Laubbäumen wie Ahorn, Birke, Linde oder Pappel an ausgewählten Standorten im Südwesten der Stadt - und stellte seither ebenfalls einen deutlichen Anstieg bei den besiedelten Bäumen fest. Bei einem Versuch bei Sumpfeichen in einem Park untersuchten Fachleute, ob die Bäume wieder kräftiger werden, wenn Misteln an der Astoberfläche entfernt werden. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass das der Fall sein kann, aber dass dies auch von Standort und weiteren Pflegemaßnahmen abhängt.

Großflächig im Wald oder in weitläufigen Parks ist der Mistelschnitt jedoch nicht umsetzbar. Im Münchner Schlosspark Nymphenburg haben Fachleute deshalb die alten Linden in einem Pilotprojekt mit Sensoren ausgestattet, um herauszufinden, wie und wann sie die mit Misteln befallenen Linden am besten zurückschneiden.

Bei dem Forschungsprojekt in Nordbayern will die LWF an sechs verschiedenen Stellen verschiedene Proben von Kiefern nehmen, unter anderem von den Nadeln und kleinen Zweigen in der Krone, die eine spezielle Drohne mit Greifarm abschneidet. Außerdem sollen die Misteln von Bäumen untersucht werden, die bei Forstarbeiten im April im Nürnberger Reichswald gefällt werden.

Klemmt geht davon aus, dass erste Ergebnisse Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden können. „Es ist nur ein kleines Projekt.“ Aus seiner Sicht macht es deshalb Sinn, es künftig auszuweiten und Bundesländer mit vielen Kiefern wie Brandenburg und Nachbarländer wie Österreich zu beteiligen.

© dpa-infocom, dpa:240403-99-545183/2


Von dpa
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