Ebenso wenig wie Anfang 2022 vorauszusehen war, dass der Milchpreis von 42 auf 60 Cent zum Jahresende steigen wird, sind auch jetzt längerfristige Prognosen möglich. Zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle.
Wie Jürgen Geyer vom Verband der Milcherzeuger (VMB) und Johannes Hegenberger von der schwäbischen Großmolkerei „Zott“ auf der Jahresversammlung der Milcherzeugergemeinschaft (MEG) Nürnberg-West erklärten, sei es unmöglich, vorauszusagen, wie sich die weltpolitischen Einflüsse auswirken. Fest stehe jedenfalls, dass es vorerst eher abwärts gehen werde.
Geyer vom VMB mit Sitz in Kempten zeigte auf, welchen erheblichen Einfluss Krisen in der Weltwirtschaft auf die Milchauszahlungspreise für die fränkischen Landwirte hatten. So waren die Milchpreise 2001 im Zuge der BSE-Krise angestiegen. Auf das tiefste Niveau um 23 Cent pro Liter sanken sie während der Lehman-Bankenkrise 2008/09, der Annexion der Krim 2015 sowie dem Rückgang der chinesischen Importe 2016. Während nun im Zusammenhang mit der Energiekrise die Milchpreise bisher nicht gekannte Höhen erreichten. Zu einem möglicherweise sogar deutlichen Rückgang der Milchpreise könnte neben der Kaufzurückhaltung der Verbraucher auch beitragen, dass die gestiegenen Preise die Milcherzeugung anspornen. Ab dem Sommer könnte sich dann aber wieder eine Trendwende einstellen, wenn China auf dem Weltmarkt wieder mehr Milch nachfragt, meinte Jürgen Geyer.
Johannes Hegenberger wies darauf hin, dass die europäische Milchwirtschaft und auch andere Industrien erhebliche Wettbewerbsnachteile hätten. So seien die Gaspreise in den USA zeitweise neunmal so niedrig wie in Deutschland.
Die Verbraucher schränkten den Konsum sowohl von konventioneller Milch wie auch von Biomilch um zehn Prozent ein – das muss laut Geyer angesichts dessen, dass die deutschen Verbraucher zehn Prozent von ihrem Einkommen für die Nahrung ausgeben, in einem anderen Licht gesehen werden, als wenn in Kamerun die Menschen 50 Prozent ihres Einkommens für die Ernährung ausgeben müssen.
Die Verwerfungen auf den Märkten sind laut Jürgen Geyer auch daran zu erkennen, dass bei den Erzeugerpreisen zwischen Bio- und konventioneller Milch im Juli 2016 ein Unterschied von 22,3 Cent pro Liter bestand, der jetzt auf 3,5 Cent geschrumpft sei.
Wie aus den vom Vorsitzenden Michael Hechtel und Geschäftsführer Erich Popp vorgelegten Zahlen hervorging, setzt sich der Strukturwandel im Bereich der Milcherzeugergemeinschaft Nürnberg-West, die früher an die ehemalige Rangau-Käserei in Fürth lieferte, weiter fort. 2017 hatten 154 Landwirte 54,5 Millionen Kilo Milch geliefert. 2022 waren es noch 105 Lieferanten mit 43,4 Millionen Kilogramm. Ganz aktuell sind es nur noch 99 Milcherzeuger. Über die Details, um die vorgeschriebene Zertifizierung als Milchlieferant zu erhalten, informierte Marie Jason von der „MPR-milchZert GmbH“.