Veröffentlicht am 22.03.2023 16:01

Im Fußball bilden Vereine immer mehr Spielgemeinschaften

Die Anfangsbuchstaben der Orte Insingen (der federführende Verein), Wettringen und Diebach ergeben seit 2017 den Namen der SG WIND. (Foto: Markus Zahn)
Die Anfangsbuchstaben der Orte Insingen (der federführende Verein), Wettringen und Diebach ergeben seit 2017 den Namen der SG WIND. (Foto: Markus Zahn)
Die Anfangsbuchstaben der Orte Insingen (der federführende Verein), Wettringen und Diebach ergeben seit 2017 den Namen der SG WIND. (Foto: Markus Zahn)
Die Anfangsbuchstaben der Orte Insingen (der federführende Verein), Wettringen und Diebach ergeben seit 2017 den Namen der SG WIND. (Foto: Markus Zahn)

Es ist eine Entwicklung, die sich längst verselbstständigt hat. Um kurzfristig überleben zu können, gründen auch bei den Erwachsenen immer mehr Fußballvereine Spielgemeinschaften. In Westmittelfranken wird die Not offensichtlich immer größer.

Eigentlich ist Paragraph 1, Satz 1 der „Richtlinien für die Bildung von Herren- und Senioren-Spielgemeinschaften“ eindeutig: Eine SG soll „temporären Charakter“ haben, um „einen vorübergehenden Spielermangel zu überbrücken“. Die Realität im ländlichen Raum hat die Richtlinien des Bayerischen Fußballverbandes aber längst überholt.

Überblick gestaltet sich schwierig

Sieben neue SGs wurden zur laufenden Saison 2022/23 im Bereich der Frankenhöhe angemeldet. Meist handelte es sich um Zweitgarnituren, die für die B-Klasse eine gemeinsame Mannschaft stellen. Einen Überblick zu behalten, wird immer schwieriger. Auch Kreisspielleiter Thomas Raßbach kann spontan nur schätzen: „20, 25? Ich könnte aber tatsächlich ein Knöpfchen drücken und dann hätte ich eine Übersicht.“

Viel wichtiger: Die zitierte Richtlinie „wenden wir nicht an“, sagt Raßbach unumwunden. „Ich kann nichts machen.“ Gerne verfolge er den Trend auch nicht, doch da es vom Bezirksspielausschuss einen Beschluss gebe, der den Kreisen freie Hand beim Umgang mit SGs gab, lasse man das im Kreis Nürnberg/Frankenhöhe „mehr oder weniger laufen“.

Nach der Trennung gleich ein neuer Partner

Alles andere wäre wohl auch Wunschdenken. Die Liste der Vereine in der Region, die nach der Auflösung einer SG wieder solo unterwegs sind, ist kurz. Der FV Gebsattel in der B-Klasse 2 ist ein Beispiel. Der Ex-Partner aus Gallmersgarten – als SG noch in der Kreisklasse – hingegen hat sich nach der Trennung prompt mit Burgbernheim zusammengetan.

Die Realität sieht eher so aus: Einmal in der SG-Spirale, kommt ein Verein kaum mehr heraus. Auch Elpersdorf, Rügland II oder Insingen II hatten schon verschiedene Partner.

Im Herzen des Landkreises Neustadt/Aisch-Bad Windsheim gab es gar eine regelrechte Rochade. 2016 bildete der einst große FSV Bad Windsheim mit dem Nachbarn FSV Lenkersheim eine SG. Die Verbindung der Erzrivalen hielt nur drei Jahre.

Partner-Rochade in der B-Klasse

Während Bad Windsheim wieder solo ist, hat sich Lenkersheim für 2022/23 Oberndorf gesucht, um eine gemeinsame zweite Mannschaft zu stellen. Oberndorf II war zuvor mit der Ersten des FSV Ipsheim zusammen. Und Ipsheim wiederum ist nun mit dem SV Ickelheim eine Spielgemeinschaft eingegangen – alles in der B-Klasse.

Das deutet schon an, dass manche SGs nur Zweckgemeinschaften sind, die nicht lange funktionieren. Es gibt freilich Gegenentwürfe, die davon profitieren, dass die Kreisspielleitung sie am Leben lässt: Die Vereine aus Colmberg und Oberdachstetten, aus Ehingen und Röckingen sowie aus Obernzenn und Unteraltenbernheim spielen nun schon seit der Saison 2015/16 zusammen, also acht Jahre.

Zwar gab es auch davor immer mal kurzlebige SGs, meist ganz unten, doch in dieser Saison begann in der Region eine Entwicklung, die sich bis heute fortsetzt: Jahr für Jahr werden es mehr SGs.

Zusammenarbeit im Nachwuchs legt Grundstein

Der Trend wird sich nicht umkehren, ist Hannes Bayerlein überzeugt. Er ist Spielleiter bei der SG Ehingen/Röckingen und entstammt dem TSV Röckingen. Seine Vereine blicken schon auf etwa 20 Jahre Zusammenarbeit zurück, betont er. Angefangen in der Jugend, gingen irgendwann die zweiten Mannschaften zusammen, 2015 dann auch die ersten.

Es sei ein Mix aus Personalsorgen, fehlendem sportlichen Erfolg, aber auch den guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit gewesen, die zu dem Schritt bewogen hätten, so Bayerlein. Müssten die Vereine morgen wieder eigenständig agieren, könnten sie keinen Spielbetrieb mehr stemmen, ist er sicher. Diese „alte“ SG werde deshalb Bestand haben.

Auch Michael Thaler, Abteilungsleiter beim TSV Obernzenn, geht bei der SG im Zenngrund davon aus. „Es geht gar nicht mehr anders. Da gibt es keine Diskussionen mehr“, sagt er. Der TSV und der SV Unteraltenbernheim hätten von Beginn an alles nach dem Motto „Fifty Fifty“ durchorganisiert, sogar die Spielersitzungen sind exakt gleich verteilt auf die Sportheime beider Ortschaften. Man wolle das Konstrukt auf unbestimmte Zeit so weiterlaufen lassen. „Wir sprechen eine Sprache.“

Drei Vereine für die SG WIND

Bei anderen SGs mündet das gar in neuen Eigennamen. Insingen, Wettringen und Diebach sind seit 2017 – davor schon im Nachwuchs – zusammen und haben SG WIND auf den Trikots stehen. Die Kicker aus Burk und Beyerberg firmieren intern als SpVgg Wachsenberg. Der BFV jedoch spricht schlicht von der SG Burk/Beyerberg.

Es gibt auch regelrecht kuriose Konstruktionen. So hat beispielsweise Arberg eine eigenständige Kreisliga-Mannschaft, stellt aber zusammen mit Großenried und Lellenfeld eine zweite und auch noch eine dritte Mannschaft in den A- und B-Klassen.

Die Not kennt manchmal auch keine Grenzen. Die Reserven aus Merkendorf und Altenmuhr spielen seit 2022 gemeinsam in der B-Klasse – obwohl Merkendorf im Landkreis Ansbach (Fußballkreis Nürnberg/ Frankenhöhe) liegt und Altenmuhr über der Grenze in Weißenburg-Gunzenhausen (Neumarkt/Jura).

Ein Team spielt nach Unterfranken, eines in Mittelfranken

Ein kurioser Fall spielt sich auch an der nördlichen Grenze des Bezirks ab. Der FC Gollhofen spielt traditionell in Unterfranken. Die FC-Zweite allerdings ging zur laufenden Saison eine SG mit Weigenheim III ein, die wiederum in der mittelfränkischen B-Klasse 4 mitspielt.

Es dürften in Zukunft weitere Konstellationen hinzukommen, ist Kreisspielleiter Raßbach überzeugt: „Ich habe noch keine Anträge, die kommen erst mit den normalen Meldebögen. Aber ich habe in den vergangenen Wochen viele Gespräche geführt, es wird weitere Spielgemeinschaften zur neuen Saison geben.“

Das bedeutet, dass die Zahl der Mannschaften und auch die Zahl der Ligen immer kleiner wird. Und gerade für die untersten Ligen hat das eine nicht zu verachtende Konsequenz, wie Hannes Bayerlein aus Erfahrung weiß: „Die Auswärtsfahrten werden immer länger.“

Vereinsfusion als Alternative?

Im Raum Nürnberg gibt es deutlich weniger Spielgemeinschaften, dafür ist es dort völlig normal, dass Vereine fusionieren. Den Weg haben auf der Frankenhöhe in den vergangenen Jahren nur die einstigen Rivalen TSV Geslau und SV Buch am Wald erfolgreich beschritten. Mit der Fusion 2016 gingen die beiden Vereine in der neuen TSG Geslau-Buch am Wald auf.

Ein sinnvoller Schritt? Vorsitzender Rudolf Rauch findet schon: „Ich kann das Modell empfehlen, aber würde raten, das intensiv zu durchdenken.“ Beinahe drei Jahre dauerten die Vorbereitungen für die TSG. Essenziell seien für Rauch die guten Erfahrungen aus der vorherigen Zusammenarbeit im Jugendbereich und einer SG der zweiten Mannschaften gewesen.

Gegenwind gab es trotzdem. „Im ersten halben Jahr sind noch die Spieler gezählt worden: Schau, von uns sind es heute nur drei. Nach einem Jahr war das kein Thema mehr“, erzählt Rauch, der betont: „Die Entwicklung war so sehr positiv, dass es mich überrascht hat.“ Wichtigen Anteil habe da der sportliche Erfolg gehabt. Die TSG spielt nun das dritte Jahr in Folge in der Kreisliga und dürfte – im Gegensatz zur einer SG – sogar in die Bezirksliga aufsteigen.


Bastian Lauer
Bastian Lauer
north