Ein ganzes Universum in einem Bild | FLZ.de

arrow_back_rounded
Lesefortschritt
Veröffentlicht am 29.12.2022 08:11

Ein ganzes Universum in einem Bild

Viele Detailinformationen lassen sich aus der Abbildung einer Stadt herauslesen. Der ehemalige Museumsleiter Karl-Heinz Schneider und Kunsthistorikerin Anja Bergermann haben dafür ein geschultes Auge. <br>  (Foto: Simone Hedler)
Viele Detailinformationen lassen sich aus der Abbildung einer Stadt herauslesen. Der ehemalige Museumsleiter Karl-Heinz Schneider und Kunsthistorikerin Anja Bergermann haben dafür ein geschultes Auge.
  (Foto: Simone Hedler)
Viele Detailinformationen lassen sich aus der Abbildung einer Stadt herauslesen. Der ehemalige Museumsleiter Karl-Heinz Schneider und Kunsthistorikerin Anja Bergermann haben dafür ein geschultes Auge.
  (Foto: Simone Hedler)

Auf seinem Aquarell lässt Erich Heckel den Betrachter von Rothenburg aus ins Taubertal blicken. Ob er die Stadt auch aus anderen Perspektiven gemalt hat? Man weiß es nicht. Denn zahlreiche Werke Heckels wurden während des Zweiten Weltkrieges zerstört. „Vielleicht ist er ja auch an der Tauber entlang spaziert und hat dabei die beeindruckende Stadtsilhouette Rothenburgs festgehalten“, kann sich die Kunsthistorikerin Anja Bergermann vorstellen.

Zumindest habe diese Perspektive über die Epochen hinweg viele Künstler fasziniert: die Mauern und Türme der Stadt, die hoch über der Tauber thronen. In der Sonderausstellung „Eine Begegnung mit Rothenburg“ im Mittelalterlichen Kriminalmuseum, in der auch das Heckel-Aquarell gezeigt wird, ist das Motiv in den verschiedensten Stilen zu sehen. Die Richtung, aus der das Stadtpanorama gemalt wurde, veränderte sich dabei im Lauf der Zeit.

Das älteste Werk der Ausstellung – es ist auf das Jahr 1774 datiert – zeigt Rothenburg von Westen her. Das kleinformatige Aquarell stammt von einer Künstlerin, „über die wir bis auf ihre Signatur ‘M.S.C. Schmeißterin‘ noch nicht mehr herausfinden konnten“, so Bergermann.

„Im 19. Jahrhundert dominierte der Blick aus Südwesten.“ Nach und nach suchten ihr zufolge die Künstler dann neue Blickwinkel auf die Stadt. „Die Perspektiven änderten sich und wurden abwechslungsreicher.“ Eine aquarellierte Lithografie von Georg Könitzer zum Beispiel zeigt Rothenburg in seiner ganzen Breite, vom Burgtor- bis zum Stöberleinsturm. Wie eine von Türmen gezierte Krone, die hinter dem felsigen Burgberg hervorragt, stellt der Künstler Heine Rath die Stadt dar. „Das hat einen fast märchenhaften Charakter“, findet Anja Bergermann.

Ab dem 19. Jahrhundert gewann die Natur an Bedeutung

Kräftige Farben charakterisieren die Version, die gleich links neben dem Heckel platziert ist. Das Ölgemälde eines unbekannten Künstlers „ist eine stark expressionistische, dynamische Darstellung“, so Bergermann. Und noch etwas kann man im zeitlichen Verlauf erkennen: Während anfangs der Fokus der Maler auf der Stadt lag, gewann ab dem 19. Jahrhundert die Natur an Bedeutung und sei mit vielen Details abgebildet worden, erklärt Karl-Heinz Schneider, der ehemalige Leiter des Museums und Kurator der Ausstellung.

Ein geübtes Auge kann aus den verschiedenen Stadtansichten noch viel mehr herauslesen. „Anhand der abgebildeten Gebäude oder Straßenführungen kann man zum Beispiel Rückschlüsse ziehen, wann ein Gemälde entstanden ist“, erklärt Schneider.

Stadtansichten spiegeln auch Machtverhältnisse wider, ergänzt Bergermann: Dies könne etwa an der Größe der entsprechenden Bauten abgelesen werden. Zudem steckten Informationen über die wirtschaftlichen Aktivitäten in den Werken. Schneider erklärt: Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Rothenburg mit Wolle gehandelt, wie man an den abgebildeten Schafherden sehen könne. Heuwagen stünden für den Getreidehandel, Obstwiesen für die Kultivierung von Früchten. Eigentlich stecke in so einem Bild ein ganzes Universum, so Schneider.

Der Heckel soll bleiben

Hier können Sie spenden

Wer helfen möchte, die restliche Summe bis 8. Januar zusammenzubekommen, kann Geld in die Schatztruhe in der Johanniterscheune werfen oder überweisen – auf das Sparkassenkonto des Museums mit der IBAN-Nummer DE45 7655 0000 0007 0689 43 (Verwendungszweck „Heckel“). Wir halten Sie auf dem Laufenden, wie viel noch fehlt. Außerdem beleuchten wir in mehreren Beiträgen Besonderheiten rund um Erich Heckel und sein Werk.


    Simone Hedler
    Simone Hedler
    north