Der Weg zum Auto ohne Fahrer | FLZ.de

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Veröffentlicht am 21.10.2022 18:01

Der Weg zum Auto ohne Fahrer

Christoph Guk, Lorenzo Rademacher und Berker Aydogdu (v.li.) sind drei der Teilnehmer am "Speed Racer"-Wettbewerb an der Hochschule Ansbach. Es galt, eine Künstliche Intelligenz im autonomen Fahren zu programmieren. Professor Dr. Stefan Geißelsöder ist sehr angetan, was die Studierenden in kürzester Zeit, umgesetzt haben. (Foto: Robert Maurer)
Christoph Guk, Lorenzo Rademacher und Berker Aydogdu (v.li.) sind drei der Teilnehmer am "Speed Racer"-Wettbewerb an der Hochschule Ansbach. Es galt, eine Künstliche Intelligenz im autonomen Fahren zu programmieren. Professor Dr. Stefan Geißelsöder ist sehr angetan, was die Studierenden in kürzester Zeit, umgesetzt haben. (Foto: Robert Maurer)
Christoph Guk, Lorenzo Rademacher und Berker Aydogdu (v.li.) sind drei der Teilnehmer am "Speed Racer"-Wettbewerb an der Hochschule Ansbach. Es galt, eine Künstliche Intelligenz im autonomen Fahren zu programmieren. Professor Dr. Stefan Geißelsöder ist sehr angetan, was die Studierenden in kürzester Zeit, umgesetzt haben. (Foto: Robert Maurer)

Tonk! Das Auto knallt mit Wucht gegen die Wand. Es ist nicht das erste Mal. Die Modellfahrzeuge sind aber darauf ausgelegt, dass das passiert. Denn gesteuert werden sie nicht von einem echten Fahrer, sondern von einer Künstlichen Intelligenz, die Studierende der Ansbacher Hochschule erst 24 Stunden vorher programmiert haben.

Rund drei Dutzend Studentinnen und Studenten – Erstsemester des Master-Studiengangs „Angewandte Künstliche Intelligenz und digitale Transformation“ sowie Drittsemester des Studiengangs „Künstliche Intelligenz und kognitive Systeme“ – haben sich in Teams beteiligt. Sie bekamen kurz die Grundlagen erklärt und mussten auf dieser Basis die Steuerung programmieren.

Tags drauf wurde die Rennbahn im Retti-Campus in Ansbach aufgebaut und die Flitzer, die den Namen „Speed Racer“ tragen und die Größe klassischer ferngesteuerter Autos haben, mussten zeigen, was sie gelernt hatten. Letztendlich geht es darum, dem Computer klar zu machen, was gutes und was schlechtes Fahren bedeutet, erläuterten die Professoren Alexander Piazza und Stefan Geißelsöder.

Innerhalb der eigenen Fahrspur gibt es Punkte, wenn das Fahrzeug die Straße verlässt, gibt es keine. Klingt ganz einfach. Damit das Modellauto weiß, wo es gerade ist, ist es mit Kameras und Sensoren ausgestattet.

Eigentlich ganz einfach

Das Programmieren selbst ist keine so große Sache, erzählt Student Christoph Guk. Das System bringt schon einige Grundbausteine mit, so dass jemand mit IT-Erfahrung in einer guten Stunde ein halbwegs funktionierendes System beisammen hat, ergänzt Lorenzo Rademacher.

Dann geht es ans Trainieren. Das ist komplizierter. Das Anlernen läuft komplett in einer Simulation auf dem Rechner. Mehrere Stunden ließen die Teams ihre Programmierung in der Regel laufen, bis das System aus ihrer Sicht „reif für die Straße“ war.

Doch so mancher der Studierenden schlug entsetzt die Hände vors Gesicht, um nicht sehen zu müssen, wie das kleine Auto mit Anlauf gegen die Wand knallte. Die Simulation im PC hatte automatisch gestoppt, sobald das Fahrzeug die Straße verließ. Im echten Leben rollte das Auto weiter, weil man es aktiv hätte abbremsen müssen.

Der Zeitfaktor

Genau um diese Lerneffekte geht es beim „Reinforcement Learning“ (übersetzt etwa: bestärkendes Lernen), betont Professor Dr. Stefan Geißelsöder. Möglich gemacht es die Firma Amazon Web Services (aws). Der Konzern betreibt nicht nur einen weltweiten Versandhandel, sondern ist auch als Internetdienstleister aktiv und bietet unter anderem seine „Speed Racer“-Aktionen an. Professor Dr. Sigurd Schacht als Studiengangsleiter für „Angewandte Künstliche Intelligenz und digitale Transformation“ hat eine solche nach Ansbach geholt.

Die Studierenden hatten bei dem Projekt definitiv viel Spaß. Etliche Teams haben gleich mehrere Systeme programmiert. Und allesamt fieberten sie beim Abschlusswettrennen mit, wie gut der kleine Flitzer die Strecke meisterte. Die Teams „Ansbach Racer“ und „Ella“ waren mit 10,26 beziehungsweise 10,39 Sekunden am schnellsten. Sie können sich auch im Vergleich gut sehen lassen.

„Die Kürze der Zeit ist dabei schon eine Herausforderung“, unterstreicht Geißelsöder. „Hätten die Studentinnen und Studenten eine Woche oder gar einen Monat Zeit gehabt, um zu trainieren, wären die Ergebnisse viel besser.“

Wer denkt, in den beiden Studiengängen rund um Künstliche Intelligenz an der Ansbacher Hochschule würden sich nur verwahrloste Computer-Nerds, wie man sie aus dem Fernsehen kennt, tummeln, irrt gewaltig. Die jungen Männer könnte man ebenso in einem Studium der Betriebswirtschaft verorten. Und die Frauenquote ist bemerkenswert hoch. Beim „Speed Racer“-Wettbewerb liegt sie in etwa bei einem Drittel.

Mehr als Technik

„Es geht bei uns auch um ethische Fragen“, macht Professor Dr. Alexander Piazza deutlich. „Unsere Studierenden interessieren sich nicht nur für die Technik, sie wollen auch gesellschaftliche Entwicklungen mit steuern.“

Eva Bayer bestätigt das. Sie hat Wirtschaftspsychologie studiert und im Personalwesen gearbeitet. Dort sei „die Digitalisierung noch ausbaufähig“, weshalb sie sich für den KI-Masterstudiengang entschieden hat. Melanie Köppel hingegen ist Software-Programmiererin und findet es besonders spannend, dass der Ansbacher Studiengang nicht nur die Theorie beleuchtet, sondern viel Praxisbezug herstellt.

Und ab wann wird es nun autonomes Fahren mit echten Autos auf den Straßen geben? „Das hängt vom Gesetzgeber ab“, macht Geißelsöder deutlich.

Wenn das Ziel nur wäre, weniger Unfälle zu erreichen als mit menschlichen Fahrern, wäre es aus seiner Sicht keine so große Herausforderung mehr. Doch wenn das Ziel gar keine Unfälle lautet und die Hersteller keine Haftung übernehmen wollen, wird es schwierig. Vor allem dann, wenn man an chaotische Straßenverhältnisse beispielsweise in Indien denkt. Geißelsöder: „Auf unseren Autobahnen wäre es sicher einfacher.“

Robert Maurer

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