Das Traumhaus in der alten Heimat | FLZ.de

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Veröffentlicht am 21.10.2022 20:16

Das Traumhaus in der alten Heimat

Die Villa Roth in Schillingsfürst: Den Großteil der Räume in dem 125 Jahre alten Gebäude nutzt die Verwaltungsgemeinschaft Schillingsfürst. Die Stadtverwaltung hat einen kleineren Trakt angemietet. (Foto: Jürgen Binder)
Die Villa Roth in Schillingsfürst: Den Großteil der Räume in dem 125 Jahre alten Gebäude nutzt die Verwaltungsgemeinschaft Schillingsfürst. Die Stadtverwaltung hat einen kleineren Trakt angemietet. (Foto: Jürgen Binder)
Die Villa Roth in Schillingsfürst: Den Großteil der Räume in dem 125 Jahre alten Gebäude nutzt die Verwaltungsgemeinschaft Schillingsfürst. Die Stadtverwaltung hat einen kleineren Trakt angemietet. (Foto: Jürgen Binder)

Schillingsfürst hat neben einem bedeutenden Schloss auch ein ziemlich repräsentatives Verwaltungsgebäude: die Villa Roth, die als VG-Sitz und Rathaus fungiert. 2022 jährt sich die Fertigstellung des Hauses zum 125. Mal. Es trägt den Namen eines Mannes, der es für seine Familie errichten ließ, selbst aber nie darin wohnte.

Planer und Erbauer des Gebäudes war Anton Roth, ein Sohn der Stadt, der aus sehr einfachen Verhältnissen stammte. Seine Biografie ist nur lückenhaft dokumentiert. Stadtführerin Alexandra Raidel konnte vor einigen Jahren aber für einen Themenrundgang einige interessante Informationen zusammentragen.

Der Vater war Bürstenmacher

Geboren wurde Anton Roth demnach am 31. Dezember 1832 als Sohn des Schillingsfürster Bürstenmachers Andreas Roth. Seine Mutter hieß Juliane. Als Jugendlicher absolvierte er eine Maurerlehre und entschied sich, in diesem Beruf sein Glück in München zu versuchen. Roth fand dort Anstellung bei einem Bauunternehmen und arbeitete sich hoch. Nach einer gewissen Zeit hatte er dort offenbar eine derart wichtige Rolle, dass sich nach dem Tod des Chefs dessen Witwe entschied, den gelernten Maurer aus Schillingsfürst zu heiraten.

Anton Roth führte, wie Alexandra Raidel zu berichten weiß, den Betrieb erfolgreich weiter. Er plante und realisierte in der Zeit um 1880 ganze Häuserzeilen im Bereich zwischen Hofbräuhaus und Maximilianstraße. Fünf Kinder wurden geboren. Als Familienoberhaupt verfügte Roth offenbar auch über ein beträchtliches Vermögen. Aus Verbundenheit mit seinem Geburtsort beschloss er, in Schillingsfürst einen repräsentativen Wohnsitz errichten zu lassen, um dort im Alter mit der Familie leben zu können.

Das ihm dafür geeignet erscheinende Grundstück unweit der katholischen Kirche hatte Roth, der selbst dieser Konfession angehörte und auch ein sehr gläubiger Mensch war, 1890 erworben. Die Bestandsgebäude wurden abgerissen, so dass Platz war für eine repräsentative Villa, die Roth im damals in der Architektur maßgebenden Gründerzeit-Stil plante und erbauen ließ.

Mit der Umsetzung beauftragte er einen Freund, den Schillingsfürster Bauunternehmer Knoll. 1897 war die Villa fertig. Doch die Pläne Anton Roths, sie mit seiner Frau zu beziehen, zerschlugen sich, weil seine Gattin laut Alexandra Raidel nicht aus München weg wollte. Das neue Haus blieb zunächst leer, denn allein wollte Roth nicht darin wohnen. Er zog es vor, sich bei seinem Freund Knoll einzuquartieren, und verbrachte dort seinen Lebensabend. Anton Roth war 79, als er am 6. August 1912, also vor genau 110 Jahren, verstarb – in Schillingsfürst, wo er auch seine letzte Ruhe fand.

Familien-Mausoleum auf dem Friedhof

Dass Roth ein sehr religiöser Mensch war, spiegelt sich auf dem örtlichen Friedhof wider, und zwar in Form eines Familien-Mausoleums, das er dort im Jahr 1900 im neuromanischen Stil errichten ließ. Auch die Aussegnungshalle trägt die Handschrift Anton Roths. Sie wurde 1909 errichtet.

Vor der Halle erinnert ein Steinkreuz an diesen rührigen Sohn der Stadt. Die von ihm erbaute Villa blieb nach seinem Tod in Familienbesitz und wurde auch privat genutzt. Später diente das Gebäude dann lange als Altenheim und wurde 1969 von der Stadt erworben.

Seit fast mehr als 45 Jahren Verwaltungssitz

1976 bezog die neu gegründete Verwaltungsgemeinschaft Schillingsfürst einen größeren Teil der Räume. 30 Jahre später setzten wegen des sich abzeichnenden Modernisierungsbedarfs Diskussionen zwecks weiterer Nutzung des Hauses ein. Gegen eine kostspielige Sanierung gab es auch Widerstand. In einem Bürgerentscheid wurden die Pläne 2010 gekippt.

Ende 2013 einigten sich die Verantwortlichen der VG auf einen Besitzerwechsel. Es wurde neu geplant. 2016 begannen die Bauarbeiten. Ende 2017 konnte das Gebäude dann wieder bezogen werden und dient seither als modern ausgestattetes Verwaltungsgebäude.

Gut vier Millionen Euro mussten investiert werden, verglichen mit den heute für große öffentliche Baumaßnahmen anfallenden Kosten ein überschaubarer Betrag – vor allem angesichts der Aura des Hauses, das der Bürgermeister einer Nachbargemeinde mal als „schönstes Verwaltungsgebäude Bayerns“ bezeichnete.


Jürgen Binder
Jürgen Binder
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