„Uppercut“: Hollywood-Version von deutschem Box-Drama | FLZ.de

arrow_back_rounded
Lesefortschritt
Veröffentlicht am 17.09.2023 22:04

„Uppercut“: Hollywood-Version von deutschem Box-Drama

Luise Großmann, Regisseur Torsten Rüther und Ving Rhames am Rande von Dreharbeiten zum Film „Uppergut“. (Foto: Patrick Xiong/Hello Moment Productions/dpa)
Luise Großmann, Regisseur Torsten Rüther und Ving Rhames am Rande von Dreharbeiten zum Film „Uppergut“. (Foto: Patrick Xiong/Hello Moment Productions/dpa)
Luise Großmann, Regisseur Torsten Rüther und Ving Rhames am Rande von Dreharbeiten zum Film „Uppergut“. (Foto: Patrick Xiong/Hello Moment Productions/dpa)

Alles begann in der Corona-Pandemie. Torsten Rüther hatte gerade nach jahrzehntelanger Arbeit in der Werbebranche in Berlin eine Filmproduktionsfirma gegründet, da wurde es aufgrund der Pandemie-Einschränkungen auf einmal zeitweise fast unmöglich, überhaupt noch Filme zu drehen.

Also verlagert Rüther sich erstmal auf Podcasts und lernt darüber den Schauspieler Hardy Krüger kennen, der ihm um eine Szene für sein Demoband bittet. Rüther denkt sich eine Szene mit einem Boxer aus und holt die Schauspielerin Luise Großmann an Bord.

Drei Seiten sei das Skript für die Szene damals lang gewesen, sagt Rüther - aber eigentlich sei ihnen allen sofort klar gewesen, dass da auch ein ganzer Film drinstecke. Ein Film über einen desillusionierten früheren Boxer, in dessen Boxstudio eines Tages eine junge Frau auf der Suche nach einem Trainer kommt. „An einem Mittwochmorgen stand ich dann auf, habe nachgedacht und angefangen zu schreiben. Und zwar wirklich von vorne los - und eigentlich ohne Zähneputzen, ohne alles, was so zur Zivilisation gehört“, sagt Rüther. „Bis Samstagnachmittag habe ich geschrieben und das Buch war fertig.“

Premiere in Oldenburg

Heute feiert das Werk beim Filmfestival in Oldenburg nun schon zum zweiten Mal Premiere - und das trotz Pandemie und Schauspieler-Streik: Auf die deutsche Version „Leberhaken“, die 2021 in Oldenburg erstmals offiziell gezeigt wurde, hat Rüther noch eine Hollywood-Version draufgesetzt, „Uppercut“.

Die weibliche Hauptrolle spielt in beiden Filmen Großmann. Es ist die erste große Rolle für die 28-jährige frühere professionelle Stabhochspringerin aus der Nähe von Magdeburg, die Sportjournalismus in Köln studiert hat und dann auf einer Schauspielschule war. Für Krüger hat in der US-Version der unter anderem aus der Erfolgsreihe „Mission Impossible“ bekannte Hollywood-Schauspieler Ving Rhames übernommen. Regisseur wurde Rüther einfach selbst, obwohl er „kein klassischer Regisseur“ sei und das „nicht gelernt“ habe. Finanziert wurden beide Filme zu großen Teilen mit Geld von Investoren.

Die deutsche Version entsteht 2020 und 2021 mitten in der Pandemie mit kleinem Budget und unter starken Beschränkungen: Drei Nächte, zwei Kameramänner, zwei Schauspieler und der Regisseur, viel mehr Menschen durften nicht ans Set. Für die Musik schreibt Rüther den Sting-Gitarristen Dominic Miller an, von dem er ein großer Fan ist. Ohne eine Antwort zu erwarten - doch Miller sagt überraschend zu. Eine „bestimmte ehrliche Einfachheit, die dem Material gut tut“, sei so entstanden, urteilte der „Hollywood Reporter“ damals über „Leberhaken“ - und auch anderswo in den USA findet der Film Beachtung.

Nur wenige Wochen nach dem Festival melden sich amerikanische Produzenten bei Rüther, die „Leberhaken“ nach Hollywood holen wollen. Erst sei sie skeptisch gewesen, erinnert sich Großmann. „Das ist ja sehr nett und so, aber lass uns mal bitte irgendwie auf dem Bodenbleiben, das ist doch jetzt ein bisschen übertrieben“, habe sie zu Rüther gesagt.

Aber der war schon dabei, das Skript zu überarbeiten. „Das hat dann nicht eine Woche gedauert, sondern schon so drei oder vier Monate.“ Zusätzlich gehen mehrere US-Autoren nochmal über das Ergebnis drüber. „Es stand von vornherein fest, das würde in New York spielen“, sagt Rüther. Ein Autor aus der Bronx habe dem Drehbuch schließlich einen speziellen „New York Sound“ verpasst. Großmanns Figur stammt in der US-Version von deutschen Einwanderern ab, weswegen ein deutscher Akzent durchblitzen darf. „Das ist ja auch Teil der Geschichte, das Deutsch-Amerikanische zusammenzubringen.“

Hollywood als große Herausforderung

Hollywood stellt sich aber schnell als größere Herausforderung heraus als Berlin - angefangen von den Einreise- und Arbeitsgenehmigungen bis hin zum Casting und dann dem eigentlichen Dreh machen Rüther und Großmann eine Art Hollywood-Crashkurs im Schnelldurchlauf. „Wir hatten Neugier auf alles und wussten noch gar nicht, wie viele Hindernisse es da gibt“, sagt Großmann. „Hätten wir das gewusst, hätten wir wahrscheinlich nie angefangen.“

Nur über eine Castingdirektorin oder einen Castingdirektor kommen sie überhaupt an die Agenten der Darsteller und darüber an die Darsteller ran, lernen sie schnell. Und angefragt werden dürfe immer nur ein Schauspieler nach dem anderen. Schließlich besorgt ihnen eine Castingdirektorin „Mission Impossible“-Star Rhames als Hauptdarsteller, dem das Skript gefällt - aber der wie in Hollywood üblich einen großen Teil der Gage vorab haben will.

„Bis 14 Tage vor Drehbeginn Mitte Januar in Los Angeles stand nichts, sagt Rüther. Aber dann klappt der Dreh doch noch, neun Tage lang, in Los Angeles, mit Rhames. „Als ich dann an diesem Set war, war es für mich so toll, weil ich das echt einfach nur genießen konnte“, sagt Großmann. Bei der Regie gebe es in Hollywood eine „strikte, fast militärische Hierarchie“, sagt Rüther, der von zwei Assistenten unterstützt wurde. Rhames sei ein „Vollprofi“ gewesen, mit dem die Chemie sofort gestimmt habe. „Ich saß jeden Morgen und jeden Nachmittag vor dem jeweiligen Dreh eine halbe Stunde mit ihm zusammen und habe das besprochen. Und das war so ein irre beglückendes Gefühl.“

Und dann kam der Streik

Fast war „Uppercut“ schon fertig, nur noch einige Außendrehs in New York fehlten - und dann gingen die Schauspieler der US-Gewerkschaft SAG-AFTRA Mitte Juli in den Streik. Die rund 16.000 Schauspielerinnen und Schauspieler der Gewerkschaft dürfen seitdem keine Filme mehr drehen oder dafür werben. Rüther aber bekommt für „Uppercut“ eine der wenigen Ausnahmegenehmigungen für nicht im Auftrag großer Studios produzierte Filme - und bringt „Uppercut“ so doch noch über die Ziellinie.

Möglicherweise könne der Streik nun sogar eine Chance sein, weil viele andere Filmproduktionen verschoben werden mussten, sagt Rüther. Vor allem aber sei er erleichtert, dass beide Versionen des Films trotz aller Widerstände doch noch fertig geworden seien. „Natürlich waren wir immer wieder kurz davor aufzugeben. Aber wir haben doch immer wieder irgendwelche Gründe gefunden weiterzumachen. Es war ein krasses Durchhalten, wir sind ununterbrochen gegen so viele Mauern gerannt, aber dann doch drüber gesprungen - und es hat sich gelohnt.“

© dpa-infocom, dpa:230915-99-202219/3


Von dpa
north