Der Dax-Konzern Munich Re gibt seine übliche politische Zurückhaltung auf und fordert durchgreifende wirtschaftliche Reformen. Vorstandschef Joachim Wenning beklagte am Mittwoch in seiner vorab veröffentlichten Rede zur diesjährigen Hauptversammlung Stagnation der Industrieproduktion und den zunehmenden Abfluss von Kapital für Investitionen ins Ausland. „Deutschland benötigt ein umfassendes Programm zum Turnaround“, heißt es in dem Redetext. „Das beinhaltet Mut zu unpopulären Entscheidungen.“
Das letzte politische Reformvorhaben in dieser Hinsicht sei vor mehr als 20 Jahren die Agenda 2010 gewesen. „Gefragt ist eine Agenda 2030, 2035 oder 2040, die Deutschland eine Rosskur verordnet, aus der es gestärkt hervorgeht.“ Konkret forderte Wenning vor allem eine Verlängerung der Arbeitszeit: „Der demografische Einschlag in den bevorstehenden 25 Jahren ist gewaltig. Deutschland verliert in diesem Zeitraum 11 von 43 Millionen Erwerbstätigen.“ Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit pro Erwerbstätigem in Deutschland sei in den vergangenen 60 Jahren von 2200 auf fast 1300 Stunden pro Jahr gefallen. „Sogar in Frankreich und Italien wird mehr als in Deutschland gearbeitet.“
Traditionell hält sich die Chefetage des Rückversicherers - ebenso wie viele andere große Unternehmen - mit politischen Kommentaren zurück. In den vergangenen Jahren nahm jedoch die Unzufriedenheit in der Wirtschaft stark zu. Dabei geht es nicht ausschließlich um die Politik von SPD und Grünen. So plädierte Wenning dafür, dass der Bund zur Stärkung von Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zumindest zeitweilig auch höhere Neuverschuldung in Kauf nehme. Für das Einhalten der Schuldenbremse machen sich in Berlin vor allem Union und FDP stark.
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