Ein flotter Spruch, der witzig gemeint war, aber einen anderen doch verletzt. Oder ein Rempler auf dem Pausenhof, einfach so aus Spaß. Wo Menschen aufeinander treffen, bleiben Konflikte nicht aus. Damit daraus kein Mobbing wird, sensibilisiert Helga Herrmann die Kinder an der Pastorius-Grundschule in Bad Windsheim.
Sie ist ausgebildete unabhängige Mobbing- und Konfliktberaterin und Vorsitzende des Bad Windsheimer Vereins „Prävention und Hilfe bei Mobbing“. Derzeit ist sie als Brückenlehrkraft an der Pastorius-Grundschule eingesetzt, auch an der Grund- und Mittelschule Burgbernheim-Marktbergel ist Herrmann vertreten.
Mobbing – fast inflationär wird dieser Begriff mittlerweile genutzt, sagt die Beraterin, die davor aber ausdrücklich warnt. Denn zwischen einem Konflikt und Mobbing müsse man unterscheiden. Während Ersterer oft nach kurzer Zeit vergeht, ist Mobbing systematischer Psycho-Terror über einen längeren Zeitraum.
Dass die Begriffe verschwimmen, habe man auch an der Pastorius-Grundschule erkannt, sagt Schulleiterin Andrea Zander. Potenziellem Mobbing wolle man nun mit verschiedenen Bausteinen begegnen. Denn eines sei klar: Jede Schule müsse sich damit auseinandersetzen.
Neben einer Lehrerfortbildung spricht Helga Herrmann nun regelmäßig in den dritten und vierten Klassen über das Thema. Jede Klasse komme alle fünf Wochen an die Reihe. „Uns war es wichtig, dass nicht nur einmal über das Thema gesprochen wird, sondern dass die Thematik und all die Fragen, die die Kinder dazu haben, nachhaltig behandelt werden“, erklärt Andrea Zander.
Beruhigend für die Schulleiterin: Tatsächliche Mobbing-Fälle seien an der Pastorius-Schule derzeit nicht erkennbar. Nach den Osterferien sollen auch die ersten und zweiten Klassen einbezogen werden, die dann alle vier Wochen an die Reihe kommen.
In Zeiten des Distanzunterrichts während der Corona-Pandemie hätten sich die Schüler entwickelt – in verschiedene Richtungen, erklärt Helga Herrmann. Der persönliche Kontakt habe gefehlt. Konfliktsituationen, in denen sonst die Lehrkraft in die richtige Spur gelenkt hätte, blieben unkommentiert. Oft wüssten Kinder nun nicht, wohin mit ihrer Energie. „Wir wollen nicht verbieten, zu streiten“, sagt Herrmann. Die Kinder sollen aber lernen, das konstruktiv zu tun – ohne Gewalt.
Immer wieder kämen Schüler auch mit tagesaktuellen Ereignissen auf Helga Herrmann zu, die sie dann aufgreift. Gemeinsam werde das Problem analysiert und eine Lösung interaktiv erarbeitet. Herrmann gibt dabei Hilfestellungen.
Interessant sei zu beobachten, wie die Kinder reagieren – beispielsweise, wenn Herrmann konfliktreiche Erlebnisse von Kindern aus dem wahren Leben bespricht. Warum werde ich überhaupt selbst zum Täter? Solche Fragen werden dann angesprochen. So manche Entschuldigung sei da schon gekommen. Dass ihre Arbeit nicht bei allen Kindern ankommt, sei ihr bewusst – doch selbst, wenn die Beraterin nur einen Bruchteil erreiche, sei das ein Erfolg.
Kürzlich wurden nun auch die Eltern bei einem Informationsabend mit ins Boot geholt. Ein „wertvoller Abend mit einem offenen Austausch“, bilanziert Andrea Zander, die nun hofft, dass die Erziehungsberechtigten als Sprachrohr dienen und die Erkenntnisse weitertragen. Seitens der Eltern werde immer wieder gefragt: „Woher kommt denn das überhaupt“, dass Mobbing ein Thema ist?
Die sozialen Medien spielen dabei für Andrea Zander eine zentrale Rolle. Manche Kinder hätten uneingeschränkten, unkontrollierten Zugang zu Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok. Andere „spielen Spiele, die einfach nicht für sie geeignet sind“. In dieser fiktiven Welt stehe ein Mensch einfach wieder auf, nachdem er erschossen wurde. „Aber das ist eben nicht die Realität.“
Solche Schüler zeigen laut Zander oft schon in ihren jungen Jahren Aggression und Verhaltensauffälligkeiten. Die Eltern seien wiederum überlastet, sagt die Schulleiterin, die diese nicht verurteilen will. Um auch einmal durchschnaufen zu können, werden die Kinder dann eben vor die Medien gesetzt.
„Mama und Papa haben keine Zeit für mich.“ Solche Aussagen hört Helga Herrmann teils in ihrer Sprechstunde, ein weiterer Baustein im Anti-Mobbing-Konzept. Ein „geschützter Raum“, in denen die Schüler ihre Probleme loswerden können – auch solche fernab der Schule. Die Schweigepflicht stehe dort an oberster Stelle, außer wenn Herrmann das Kind in akuter Gefahr sieht. Die Sprechstunde sei über Wochen ausgebucht, der Bedarf also da, sagt die Beraterin. Ein enormes Vertrauen bringen die Kinder ihr da entgegen.
Für Herrmann ist dennoch besondere Vorsicht geboten, ab einem gewissen Punkt muss sie die „Fälle“ abgeben. Schließlich habe sie eine beratende Funktion und sei keine Psychotherapeutin.
Ein großes Anliegen ist es Andrea Zander, die Schulgemeinschaft auch künftig weiter zu stärken. Regelmäßige Schulversammlungen sollen dazu beitragen. Ein Schullied wird beispielsweise eingeführt, ein Monatsziel definiert – um den Zusammenhalt zu stärken und zu zeigen: „Wir sind eine Schulfamilie.“