Wer derzeit den Kreisel nahe dem Burghaslacher Ortsteil Oberrimbach passiert, entdeckt eine Besonderheit: Gummistiefel, die auf Holzstielen stecken. Ist das Kunst oder kann das weg? Weder noch. Vielmehr ist es ein stiller Protest der Landwirte: Sie fühlen sich von der Politik gegängelt. „Wir sind mürbe.“
Grüne Gummistiefel in Erwachsenengröße und gelbe Kinderexemplare zieren den Oberrimbacher Kreisel an der Staatsstraße. Eine besondere Gestaltung. Wer das erlaubt hat? „Wir haben da nicht so lange diskutiert“, sagt Biobauer Dieter Jaeckel und lacht. „Es hieß, Sonntagfrüh um 7 Uhr wird der Kreisverkehr geschmückt.“ Und so geschah es dann auch. Eine Guerilla-Aktion.
Wir tun so viel für die Artenvielfalt.
Aber was sollen die Gummistiefel überhaupt nutzen? „Die Bürger sollen aufwachen, dass die Politik in die falsche Richtung geht“, erklärt Jaeckel. „Warum schaffen wir der Landwirtschaft so viele Auflagen?“ Vor allem die derzeit zwar wegen des Ukrainekrieges ausgesetzte, aber laut den Bauern durchaus noch geplante Stilllegung von vier Prozent der betrieblichen Ackerfläche sorgt für Frust. „Woanders stirbt dafür der Regenwald“, sagt der Buchbacher Jaeckel. „Wo ist da der Sinn?“
Blühende Landschaften etwa? Alfred Winkler, Landwirt aus Vestenbergsgreuth, zeigt in die Umgebung. Da hinten blühen schon die Palmkätzchen, hier ist ein Blühstreifen angelegt, und am Rimbach reiht sich Hecke an Hecke. Eine verödete Landschaft? Winkler lacht. „Wir tun so viel für die Artenvielfalt.“ Ludwig Lehner aus Freihaslach legt auf seinen Feldern viele Blühflächen an, erzählt er. Auch Gewässerrandstreifen hält er ein. „Das darf ich aber alles nicht in die vier Prozent Stilllegung einrechnen.“ Denn die Flächen sind schon stillgelegt und doppelt stilllegen, das geht nicht, sagen die Behörden. „Flächen, die dringend für Lebensmittel notwendig wären, werden einfach aus der Produktion genommen.“
Weiteres Thema: Rote Gebiete. Willkür sehen die Landwirte in der Ausweisung. Jaeckel berichtet von einem Areal, das neulich noch gelb war, jetzt ist es plötzlich rot. Warum? Er weiß es nicht. „Uns fehlt die Glaubwürdigkeit“, sagt er. „Im Endeffekt ist es Willkür“, ergänzt Winkler. Keine Gülle für die Zwischenfrucht: „Sinnbefreit“, sagt Jaeckel. „Ich bin ein Biobetrieb, ich brauche Biomasse im Boden, wovon sich die Pflanzen ernähren.“ Und dann darf er erst ab dem 15. Januar pflügen, obwohl es vorher häufig – fachlich gesehen – sinnvoller wäre. Jaeckel muss dann oft nachts raus und auf Frost hoffen. Sind die Januar-Nächte zu mild, „zerstören wir mehr Bodenstruktur, als es nutzt“.
Landwirtschaft nach Kalenderterminen, die Politik und Behörden vorgeben: Laut den Bauern ist das völlig realitätsfremd. „Wir bekommen das langsam alles nicht mehr gebacken“, kommentiert Jaeckel. „Die Politik hat jegliche Haftung zur Basis verloren“, sagt Alfred Winkler. „Die leben doch in ihrer Seifenblase.“
BBV-Kreisobmann Jürgen Dierauff kritisiert zudem, dass die Gesetze-macher häufig nicht vom Fach seien und die Vorgaben vom Schreibtisch aus erarbeiten, sich nicht vor Ort umschauen. Der Wirtschaftlichkeit würde er die Schulnote 2 bis 4 geben – mit einer hohen Streuung und sehr spartenabhängig. Bei den staatlichen Regeln und der Bürokratie herrsche aber überall Frust – für Dierauff Note 5 bis 6. „Es ufert einfach aus.“
Um manche Auflage zu erfüllen, müssen die Landwirte zudem kräftig investieren – teils sechsstellige Summen. „Welcher kleine Betrieb kann sich das leisten?“, fragen sie. Das bewege immer mehr dazu, aufzuhören. Denn ob der Familiennachwuchs bei dieser Auflagenkulisse Lust hat, den Betrieb fortzuführen? Die Antwort lautet häufig nein. „Leider. Welche Familien machen das noch? Viele haben sich doch längst gedanklich verabschiedet. Wenn ich sehe, wie der Nachwuchs ausbleibt, das macht mir Angst“, sagt Dierauff.
Biolandwirte kämpfen zudem mit schlechtem Absatz – „meinen Bio-Dinkel kann ich auch verheizen, den bekomme ich nicht an den Mann“, klagt Jaeckel. Konkurrenzprodukte aus dem Ausland, auch aus der EU, seien häufig deutlich günstiger, weil die Landwirte andernorts längst nicht derart viele Auflagen erfüllen müssten. „Wir wollen Gleichheit.“
Das macht mir Angst.
Gerade in diesen Inflationszeiten achten Verbraucher auf den Preis. „Die Moral endet am Regal“, sagt Winkler. Viele predigten gute Haltungsbedingungen und kauften dann Fleisch im Supermarkt zum Spottpreis. „Die sollen sich mal anschauen, wie in Brasilien die Rinder gemästet werden.“ Dagegen seien die deutschen Verhältnisse traumhaft. „Aber wir stehen am Pranger. Ich begreife es nicht“, so Winkler.
Die Stiefel-Aktion ist, nach den grünen Kreuzen, der nächste stumme Schrei nach Hilfe – gegen überbordende Bürokratie und Auflagenflut. „Die Bürger sollen endlich aufwachen“, sagt Jaeckel. Sonst kommen bald womöglich alle Produkte aus brandgerodetem Regenwald. Lehner: „Dabei hätten wir die Produktionsflächen vor der Tür.“ Die kleinen Betriebe sterben mehr und mehr aus, sagen die Landwirte. Kein Wunder, findet Winkler: „Wir fühlen uns gegängelt und zu Tode reglementiert.“